Vor einigen Monaten hat sich der britische Premierminister David Cameron in einem Gespräch mit dem Medienunternehmer Michael Bloomberg despektierlich über die Queen geäußert. Nur dumm, dass die Mikrofone der Journalisten eingeschaltet waren. Peinlich?
Thomas Breyer-Mayländer: Allerdings. Denn dieser Fall zeigt gleich zwei Dimensionen auf. Zum einen ist es vermessen, ein Medien-Unternehmen zu besuchen und nicht damit zu rechnen, dass Mikros und Kameras mitlaufen. Zweitens ist Tratschen bei öffentlichen Auftritten ohnehin ein Tabu. Ein solches Verhalten ist ausschließlich im privaten Umfeld erlaubt.
Sebastian Kirchner: Unglaublich finde ich an der ganzen Geschichte aber vor allem, dass Cameron nicht von Fehlern anderer gelernt hat. Vor einigen Jahren etwa passierte dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush ein ähnlicher Fauxpas, als er tuschelnd einen Journalisten verunglimpfte. Auch in diesem Fall waren die Mikros eingeschaltet und die Worte des Präsidenten wurden aufgezeichnet.
Jetzt sind es aber nicht nur die Politiker, denen solche Fehler unterlaufen, sondern auch Manager und Unternehmer. Welches Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit fällt Ihnen da ein?
Breyer-Mayländer: Da denke ich an ein Interview mit dem BER-Chef Hartmut Mehdorn im "Spiegel". Darin hat er seinem eigenen Aufsichtsrat Unvermögen vorgeworfen. Wenn man davon ausgeht, dass eigentlich das Gremium ihn kontrollieren soll und er derjenige ist, der liefern muss, dann ist eine solche Kritik nicht gerade clever. Denn ein Top-Manager wie Mehdorn sollte wissen, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit dann nicht mehr möglich ist.
Und dass Internes auch intern bleiben muss.
Breyer-Mayländer: Ja, allerdings ist das manchmal nicht zu steuern. Weil Journalisten natürlich versuchen, bestimmte Dinge öffentlich zu diskutieren. Dennoch sollten die klaren Worte intern fallen und nach außen eher zurückhaltend kommuniziert werden.
Und das sollte ein Profi wissen.
Breyer-Mayländer: Theoretisch ja, in der Praxis sind solche starken Persönlichkeiten allerdings häufig wenig sensibel und bilden sich schnell ein Urteil über andere - und verkünden dieses dann auch noch selbstsicher. Sie halten ihren Standpunkt für den einzig richtigen.
Ist das ein häufiger Fehler, der bei Managern auftritt?
Kirchner: Ja, sie sind egozentriert, versetzen sich nicht in andere hinein und wundern sich dann, wenn sie nicht verstanden werden. Ein gutes Beispiel dafür ist, wenn CEOs auf Hauptversammlungen zu den Kleinaktionären sprechen. Sie nutzen einen Fachwortschatz, verwenden viele Anglizismen und argumentieren auf ihrem, meist sehr hohen Niveau. Die Kleinaktionäre können überhaupt nicht verstehen, was gemeint ist. Das schafft eine Kluft zwischen Unternehmen und Anlegern, aber auch Mitarbeitern.
Welche Fehler sind darüber hinaus typisch für Manager?
Kirchner: Sie halten sich für sehr schlagfertig und bereiten sich deshalb nicht sonderlich auf öffentliche Auftritte vor. Das kann zum einen dazu führen, dass sie inhaltlich falsche Aussagen treffen oder sich zum anderen zu impulsiven Reaktionen hinreißen lassen. So zum Beispiel Josef Ackermann, der sich im Rahmen einer Gerichtsverhandlung wegen Untreue das Victory-Zeichen nicht verkneifen konnte. Diese Geste hat die Öffentlichkeit als äußerst unpassend empfunden.
Das heißt, ich muss mich zum einen inhaltlich sehr gut vorbereiten, darf mich nicht selbst überschätzen.
Kirchner: Genau.
Und ich muss auch mein Temperament zügeln. Mir vorher überlegen, welche Symbole gehen und welche nicht. Das stelle ich mir sehr schwierig vor. Wir sind alle Menschen, die auch mal impulsiv reagieren.
Kirchner: Das ist natürlich eine Frage des Charakters. Dennoch sollte sich jeder über sein Temperament im Klaren sein und darüber, wie weit die eigene Intention einer Geste von der Interpretation durch andere abweichen kann. Mit diesem Wissen gelingt es zumindest, unüberlegte Handlungen einzudämmen.
Breyer-Mayländer: Impulsiv zu sein, ist keineswegs schlecht. Denn es ist ja auch authentisch. Aber jeder Manager sollte sein eigenes Fehlerrisiko bezüglich seines Temperaments zumindest hinterfragen.
Jeder Fehltritt wird dokumentiert
Selbsterkenntnis also der erste Schritt zur Besserung?
Kirchner: Richtig. Das Problem dabei ist bei Top-Managern aber, dass sie kaum Rückmeldung zur ihrer Person oder ihrem Verhalten bekommen, denn einen Vorgesetzten gibt es nicht. Und die Mitarbeiter trauen sich nicht, zu kritisieren. Deshalb ist Reflexion von außen nötig, um den Erkenntnisprozess erstmal in Gang zu setzen. Dazu sind spezielle Coachings geeignet, denn durch die Medien werden Manager zwar auf ihren Fehltritt aufmerksam gemacht. Zum Reflektieren brauchen sie aber einen anderen Sparringspartner.
Sie haben gerade schon die Medien erwähnt. Ist die Wahrscheinlichkeit, in ein Fettnäpfchen zu treten, größer geworden in einer Zeit, in der ständig eine Kamera mitläuft und Menschen mit ihren Smartphones alles festhalten, was ihnen vor die Linse kommt?
Breyer-Mayländer: Nein, aber die Fehltritte werden besser dokumentiert. Wenn ein Chef zum Beispiel die Kritik bei einer Mitarbeiterversammlung einfach abgetan oder gar aggressiv darauf reagiert hat, dann war das auch früher schon verheerend. Der Unterschied ist, dass heute irgendjemand dieses Verhalten mit seinem Handy festhält und den Mitschnitt eventuell ins Netz stellt. Die Auswirkungen des Fettnäpfchens können also größer sein. Deshalb müssen Manager zum Beispiel auch mit Privatem noch viel vorsichtiger umgehen als früher.
Gar nicht so einfach in Zeiten, in denen von Managern erwartet wird, dass sie twittern und auf Facebook aktiv sind, weil sie sonst vielleicht als unnahbar gelten.
Breyer-Mayländer: Das war früher schon ähnlich - nur auf einer anderen Ebene. Wenn ich meinen Mitarbeitern nichts Privates erzählt habe, haben sie kein Vertrauen zu mir aufbauen können. Daran hat sich nichts geändert. Allerdings muss diese Offenheit sehr dosiert sein, da sonst schon die nächsten Fettnäpfchen lauern. Ein Staatssekretär des Landes Baden-Württemberg ist zum Beispiel dank seines Facebook-Accounts entlassen worden. Er hatte seine Politikkollegen dort zum Beispiel als "FDPisser" bezeichnet. Er habe gedacht, Facebook sei Privatsache. Weit gefehlt.
Das heißt, Politiker und Manager sollten die sozialen Medien lieber meiden?
Breyer-Mayländer: Nein, aber sie sollten sorgfältig damit umgehen. Mir ist kürzlich ein Profil eines Aufsichtsratsvorsitzenden aufgefallen, der wenig preis gibt und seinen Account wohl vor allem nutzt, um mit seinen Töchtern in den USA zu kommunizieren. Dagegen ist gar nichts einzuwenden. Aber Dinge wie der Beziehungsstatus oder Äußerungen, die nichts mit dem eigenen Geschäft zu tun haben, sind für Manager tabu.
Kirchner: Stefan Raab findet da eine gute Balance. Er gibt kaum etwas aus seinem Privatleben preis, aber durch seine Show "Schlag den Raab" hat trotzdem jeder Zuschauer das Gefühl, ihn zu kennen. Wir wissen, was er alles kann und worin er sich auskennt.
Das Internet ist also ein Terrain, auf dem Fettnäpfchen lauern. Wie sieht es mit Auftritten im Ausland aus? Sind die Fallen dort größer?
Breyer-Mayländer: Sie sind vielfältiger. Zunächst gibt es da nämlich die sprachliche Dimension. Das kann schon mal peinlich werden, wenn man internationales Parkett betritt und das Englisch für niemanden verständlich ist - wir erinnern uns alle an den Auftritt von Herrn Oettinger, kurz nachdem er EU-Kommissar wurde. Solche Defizite müssen sich Manager und Politiker eingestehen. Sie sollten dann lieber einen Dolmetscher hinzuziehen. Das zweite Problem im Ausland sind die kulturellen Codes. Auch darauf müssen sich Manager vorbereiten. Das geht von der Begrüßung, über den Tausch von Visitenkarten bis hin zum Essen.
Geben Sie ein Beispiel.
Breyer-Mayländer: Der Entwickler des Computerspiels Tetris kommt aus Russland. Als er vor vielen Jahren zu Verhandlungen beim japanischen Spielehersteller Nintendo zu Gast war, kannte er Wasabi nicht. Man erklärte es ihm als eine Art Meerrettich und er langte ordentlich zu. Das Ergebnis: Ihm blieb die Luft weg, die Verhandlung musste unterbrochen werden.
Kirchner: Hätte er sich besser auf seinen Japanbesuch vorbereitet, wäre ihm das nicht passiert. Vorbereitung ist zentral, um Fehltritte zu vermeiden.
Das alleine dürfte aber nicht reichen, oder?
Breyer-Mayländer: Nein. Jeder Manager braucht ein Umfeld, in dem sich Menschen trauen, ihn zu kritisieren. Sie sollen ihm sagen, wenn er nicht der große Redner ist oder seine Argumente unpassend sind, da sie beispielsweise den Erfahrungen weiter Teile seiner Zuhörer nicht entsprechen. Diese Offenheit entsteht aber nur, wenn der Manager Kritik auch zulässt und aktiv Rückmeldungen einfordert.
Solche Fehltritte sind ja bisweilen auch zum Schmunzeln. Was war denn ihr Lieblingsfettnäpfchen in jüngster Vergangenheit?
Kirchner: Als Gregor Gysi während einer Podiumsdiskussion zur Toilette ging und vergessen hatte, das Mikro auszuschalten. Solche Sachen passieren, denn wir sind alle nur Menschen. Die schlimmen Fettnäpfchen sind die, bei denen sich Charakterschwäche offenbart.