ZEW

Ökonomen gegen dauerhaft ermäßigte Mehrwertsteuer in Restaurants

09.10.2023
Steuerausfälle in Milliardenhöhe, Begünstigung wohlhabender Haushalte: Experten des Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW sind gegen eine Beibehaltung der ermäßigten Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie.

Wirtschaftsforscher rechnen mit Steuerausfällen in Milliardenhöhe bei einer dauerhaft verringerten Mehrwertsteuer für Speisen in Restaurants. Das Mannheimer Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW hält eine Rückkehr zum Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent für ökonomisch sinnvoll und sozial gerecht. "Mit dem Ende der Pandemie ist die ursprüngliche krisenbezogene Begründung für die Sieben-Prozent-Besteuerung von Speisen in Restaurants weggefallen", argumentierte ZEW-Experte Friedrich Heinemann.

Ist die Mehrwertsteuerermäßigung sozial gerecht?
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Nach Berechnungen des ZEW führt der verringerte Satz zu jährlichen Steuerausfällen von derzeit gut drei Milliarden Euro. Diese Kosten würden mit dem nominalen Umsatzwachstum (einschließlich Preiserhöhungen) der Branche kontinuierlich zunehmen. Für das kommende Jahrzehnt wäre der ZEW-Analyse zufolge mit Gesamtkosten von etwa 38 Milliarden Euro zu rechnen, "die durch höhere Steuern an anderer Stelle oder Ausgabenkürzungen gegenfinanziert werden müssten".

Warnung der Branche vor Betriebsschließungen

Essen zum Mitnehmen, im Supermarkt oder bei der Lieferung wird mit sieben Prozent besteuert. Um die Gastronomie während der Corona-Krise zu entlasten, war der Steuerersatz auch für Speisen im Restaurant von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden. Die Regelung wurde wegen der Energiekrise mehrmals verlängert, zuletzt bis Ende dieses Jahres. Eine Verlängerung wird derzeit in der Koalition diskutiert. Ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion, den Verzehr von Speisen in Restaurants dauerhaft mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern, fand unlängst im Bundestag keine Mehrheit.

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) warnte im Falle einer Rückkehr zum bisherigen Mehrwertsteuersatz zuletzt vor etwa 12 000 Betriebsschließungen, Preissteigerungen von durchschnittlich 18,2 Prozent, sinkenden Umsätzen und weniger Jobs.

ZEW: Wohlhabende Haushalte profitieren besonders

Dem ZEW zufolge begünstigt der verringerte Steuersatz eher wohlhabende und kinderlose Haushalte, weil sie im Schnitt mehr für Restaurantbesuche ausgeben würden. "Stichhaltig sind die Argumente für einen ermäßigten Steuersatz hingegen möglicherweise für die gastronomische Versorgung von Schulen und Kindergärten", heißt es in der Analyse. Hierfür könnte nicht nur die zielgenauere Begünstigung ärmerer Haushalte sprechen, sondern auch der Beitrag zur Vereinbarkeit von Beruf und Elternschaft.

Die Befürchtung, dass Restaurants bei einer Rückkehr zum Satz von 19 Prozent die Preise im vollen Umfang der Steuersatzdifferenz erhöhen, ist aus Sicht des ZEW nicht plausibel. "Schließlich hat die Branche trotz Steuerermäßigung erhebliche Preissteigerungen durchgesetzt und die Preise für Strom und Gas sind wieder rückläufig", argumentierte Heinemann. "Die Post-Pandemie-Zeit mutet der Gastronomie wie anderen Branchen auch einen weiteren Strukturwandel zu, der keine Rechtfertigung für eine dauerhafte Subventionierung liefert", ergänzte ZEW-Expertin Katharina Nicolay. (dpa/ad)