Der Arbeitsplatz der Sachverständigen befindet sich meistens in Autohäusern und Kfz-Werkstätten - und zwar in der Grube. Aber auch unter dem Auto benötigen sie jederzeit Zugriff auf aktuelle Informationen, Daten und gesetzliche Bestimmungen.
Doch anders als die Konkurrenz wie TÜV und Dekra ist die Stuttgarter GTÜ (Gesellschaft für Technische Überwachung) ein Verbund freiberuflicher Kfz-Sachverständiger. Mit mehr als 2.000 Prüfingenieuren ist die GTÜ seit 1990 als amtlich anerkannte Kfz-Überwachungsorganisation tätig. Mit rund 4,7 Millionen Fahrzeuguntersuchungen im vergangenen Jahr verbucht die GTÜ einen Marktanteil von etwa 14 Prozent des deutschen Markts für sich.
Bei der Organisationsform mit in ganz Deutschland niedergelassenen selbstständigen Sachverständigen spielt das Informationssystem eine entscheidende Rolle. "Es war ausgesprochen wichtig, dass wir die Software exakt an unsere spezifischen Belange anpassen konnten. Mit einer lizenzierten Standard-Software ist das in der Regel nicht möglich", sagt Alexander Bachor, Projektleiter bei der GTÜ. "Zudem sind CMS-Systeme ja nicht als besonders kostengünstig bekannt. Bei der großen Anzahl angeschlossener Nutzer kam auch aus Kostengründen eine Lizenz-Software nicht in Frage", fügt er hinzu.
Die Lösung: ein neues Grips-System (GTÜ Recherche-und Informationssystem für Prüfingenieure und Sachverständige), das auf dem Open-Source-CMS Typo3 basiert. Das neue GRIPS-System löste das alte HTML-basierte Verfahren ab. Das Nachschlagewerk enthält technische Informationen, Prüfanweisungen, Rundschreiben, Prüfmittelinformationen, Aus- und Fortbildungsunterlagen sowie Adresssammlungen. Dabei sind alle Informationen reduziert auf die Inhalte, die vor Ort immer verfügbar sein müssen.
"Wir sind keine Spezialisten für Typo3 und haben uns deshalb einen Software-Dienstleister gesucht, der unsere Anforderungen umsetzen kann", blickt Bachor zurück. Seine Entscheidung fiel dabei für die iVeins GmbH aus Waiblingen. Während die Inhalte des Master-Systems auf dem zentralen Server in der Stuttgarter GTÜ-Zentrale gehalten werden, läuft auf den mehr als 2.000 Notebooks der Sachverständigen jetzt jeweils ein lokaler Typo3-Client.
Drei Update-Verfahren eingeführt
Dabei waren außer der komplett heterogenen Notebook-Umgebung weitere Probleme zu lösen: die Redaktionsmöglichkeiten verbessern und vereinheitlichen sowie vor allem eine intelligente Update-Funktion entwickeln, die gleichzeitig Aktualität bei möglichst geringer Datenübertragungsmenge gewährleistet. Weil die Kfz-Sachverständigen nicht mit einer Unterstützung durch IT-Experten vor Ort rechnen können, musste das System zudem möglichst robust und mit einfachen Installationsroutinen konzipiert werden.
Der gesamte Datenbestand umfasst zurzeit etwa 300 MB, verteilt auf rund 2.000 Seiten. Aufgrund der Datenmenge ist es nicht möglich, im 14-Tage-Rhythmus alle Inhalte zu verteilen, denn dies hätte pro Monat ein Datentransfervolumen vom Master-System von rund 1,2 Terabyte (zweimal monatlich 300 MB für jeden der 2.000 Sachverständigen) bedeutet. Deshalb wurde in Anlehnung an gängige Backup-Konzepte aus dem IT-Management ein Verfahren implementiert, das unterschiedliche, automatisierte Update-Formen unterstützt:
Voll-Updates: kompletter Inhalt von rund 300 MB; werden etwa alle vier Monate auf CD-ROM verschickt.
Differenz-Updates: geänderte Inhalte seit dem letzten Voll-Update; sie werden nach Bedarf angefertigt.
Inkrement-Updates: geänderte Inhalte seit dem letzten Differenz-Update; fünf bis zehn Megabyte, etwa alle zwei Wochen.
Als weitere Spezialfunktionen wurden eine Versionsverwaltung und die Möglichkeit der Personalisierung der Inhalte entwickelt. Die Versionierungsansicht erlaubt jetzt die Darstellung und Vergleichbarkeit des zeitlichen Verlaufs von gesetzlichen Regelungen.
Die Personalisierung erlaubt den Nutzern persönliche Einstellungen und die Definition von Favoriten. Weil sie nicht immer mit dem gleichen Computer arbeiten, werden alle Änderungen mit dem Master-System repliziert und von dort an die Client-Systeme verteilt. So findet jeder Nutzer seine gewohnte Arbeitsumgebung vor.
Nur mit offenem Quellcode möglich
Ein quelloffenes System erwies sich hier von großem Vorteil, weil die Entwickler für das Update-Verfahren und viele weitere Mechanismen ohne Probleme in den Quellcode eingreifen konnten. Das wäre bei lizenzierter Software in dieser Form nicht möglich gewesen.
Zurzeit befindet sich das neue Grips-System in der Ausrollphase, Ende Juli sollen es alle angeschlossenen GTÜ-Ingenieure in vollem Umfang nutzen. Projektleiter Bachor zieht schon jetzt eine positive Bilanz: "Der Einsatz eines CMS-Systems mit automatisiertem Workflow und die Verlagerung fast aller redaktionellen Arbeiten hin zum Fachredakteur wird etwa 50 Prozent der Arbeit des Grips-Verantwortlichen einsparen."
Durch die höhere Prozessqualität werden Folgearbeiten für Nachbesserungsschritte überflüssig, die im alten HTML-basierten System regelmäßig anfielen. Die Automatisierung der komplexen Update-Mechanismen ohne manuellen Eingriff spart zusätzlich Mitarbeiterressourcen aufseiten der Administration. Und nicht zuletzt konnte der GTÜ-Verantwortliche die künftigen Kosten auf ein Minimum beschränken: "Mit dem Einsatz einer Open-Source-Lösung haben wir uns komplett von allen Lizenzfolgekosten befreit", sagt Bachor zufrieden.