Inzwischen verlagern viele Firmen IT-Dienstleistungen und Back-Office-Prozesse nach MOE. Dafür sind im Wesentlichen drei Gründe verantwortlich:
Persönlicher Kontakt: Komplexe Probleme lassen sich am besten von Angesicht zu Angesicht lösen. Nearshore-Standorte sind näher am Auftraggeber. Das erleichtert gegenseitige Besuche.
Gemeinsame Sprache: Nearshore-Standorte haben häufig Mitarbeiter mit Kenntnissen der Landessprache ihrer Auftraggeber.
Kulturelles Verständnis: Nearshore-Mitarbeiter kennen und verstehen den kulturellen Hintergrund ihrer Auftraggeber meist besser als die Mitarbeiter in Offshore-Standorten. Dadurch funktioniert die Verständigung nicht nur einfacher, sondern es werden auch Interpretationsfehler vermieden.
Laut der Studie spielen Sprachfähigkeiten bei der Suche nach Outsourcing-Partnern eine sehr wichtige Rolle. So wird der Erfolg Indiens nicht zuletzt auf das große Angebot an englischsprachigen Mitarbeitern zurückgeführt - die meisten Offshore-Transaktionen kommen aus angelsächsischen Ländern. Hier sind kontinentaleuropäische Firmen im Nachteil. Obwohl viele Englisch sprechen ist die Kenntnis der Landessprache bei vielen Dienstleistungen unabdingbar. So beispielsweise bei der Kundenbetreuung in Call-Centern oder der Bearbeitung von Belegen.
Aus diesem Grund ist Mittel- und Osteuropa ein interessanter Standort für deutsche Unternehmen. Knapp 40 Prozent aller Schüler in den neuen EU-Mitgliedsstaaten lernen Deutsch. Für französische Firmen ist Rumänien der passende Partner. Dort lernen 85 Prozent der Schüler Französisch.
Große Lohnunterschiede
Das wichtigste Argument für das Outsourcing von Dienstleistungen bleiben Kosteneinsparungen. In den neuen EU-Mitgliedsstaaten betragen die durchschnittlichen Arbeitskosten bei nichtöffentlichen Dienstleistungen gut ein Fünftel der deutschen Kosten. Allerdings haben die Staaten in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt. Zwischen 1996 und 2004 sind die Arbeitskosten in den neuen EU-Ländern durchschnittlich um 7,7 Prozent pro Jahr gestiegen. Dagegen war das Lohnwachstum in Deutschland mit 2,1 Prozent geringer. Die Lohnunterschiede sinken folglich.
Der Untersuchung zufolge gehören die meisten MOE-Länder nicht zu den kostengünstigsten Offshore-Standorten. Die Löhne in China und Indien sind in der Regel niedriger. Allerdings sind Gehälter nicht das einzige Kriterium für eine Standortentscheidung.
Das Angebot an gut ausgebildeten Arbeitskräften ist ebenfalls wichtig bei der Auswahl eines Standortes. So werden in den neuen EU-Mitgliedsstaaten im Vergleich zu den EU-15 oder den USA leicht überdurchschnittlich viele Hochschulabsolventen ausgebildet. Allerdings sagt die formale Qualifikation häufig wenig darüber aus, ob sich die Arbeitskräfte auch für den Einsatz bei einem international ausgerichteten Dienstleistungsanbieter eignen. So sind beispielsweise nur 50 Prozent der Absolventen in der Tschechischen Republik, Ungarn oder Polen geeignet, was die Zahl der tatsächlich verfügbaren Arbeitskräfte in MOE relativiert.
In Asien sieht die Situation anders aus. Obwohl sich in Indien und China nur ein kleiner Teil der ausgebildeten Fachkräfte für einen qualifizierten Einsatz bei einem Insourcer eignen, ist ihre absolute Zahl immer noch höher als in anderen Offshore- und Nearshore-Standorten.
MOE ohne IT-Spezialisierung
Viele IT-basierten Dienstleistungen verlangen Kenntnisse in technischen Prozessen und die Fähigkeit, abstrakte Probleme zu lösen. Daher sind Absolventen technischer, mathematischer sowie naturwissenschaftlicher Studiengänge besonders gefragt. In MOE haben viele Studenten das Interesse an den Fachbereichen verloren. So lag beispielsweise der Anteil der Informatik-Absolventen in Russland im Jahr 2003 bei 2,5 Prozent und damit deutlich unter dem westeuropäischen oder indischen Schnitt. Für Indien wird die Zahl auf 5,7 Prozent geschätzt.
Laut der Studie sind Unternehmen aus den USA und Großbritannien die führenden Nachfrager nach Offshore-Dienstleistungen. Mehr als 70 Prozent aller europäischen Offshoring-Ausgaben werden in Großbritannien oder Irland getätigt. Deutschland, Österreich und die Schweiz kommen zusammen nur auf einen Anteil von neun Prozent.
Neue Prozesse
Der Analyse zufolge beschränkt sich Offshoring schon lange nicht mehr nur auf einfache Programmieraufgaben und Call-Center. Auch komplizierte und komplexe Prozesse werden ins Ausland verlagert, wo zunehmend die Kompetenz dafür wächst. Beispielsweise schätzt das Beratungsunternehmen Forrester, dass bis 2010 knapp 39.000 Jobs in der Rechtsberatung aus den USA in Offshore-Standorte verlagert werden.