Demnach werden hierzulande die Folgen von Offshoring für den Arbeitsmarkt erheblich überschätzt. Mehr als die Hälfte der Unternehmen, die bisher Geschäftsaktivitäten ausgelagert haben, gaben an, dass ihre Mitarbeiterzahl unverändert sei. Auf die kommenden fünf Jahre gesehen, ergibt sich jedoch ein anderes Bild.
Ein Drittel geht davon aus, dass die Zahl der Beschäftigten sinkt. Ein Fünftel schätzt, dass der Personalabbau sogar weit mehr als fünf Prozent betragen wird. Ein weiteres Drittel glaubt, dass die Beschäftigtenzahl unverändert bleibt. Ein Drittel rechnet gar mit einem Anstieg der Mitarbeiterzahl um fünf und mehr Prozent. Allerdings machten sie keine Angaben, in welchen Bereichen sie mit Personalsteigerungen rechnen.
Nachzügler Deutschland
Anders als etwa in den USA, hat in Deutschland die Nachfrage nach Offshoring-Angeboten relativ spät eingesetzt. Über ein Drittel der Befragten hat erst zwischen 1996 und 2003 mit der Auslagerung von Geschäftsprozessen begonnen. Auf der Anbieterseite haben dagegen 30 Prozent eine mehr als zehnjährige Erfahrung.
Im Gegensatz zur landläufigen Meinung sind es nicht nur Großunternehmen, die auslagern oder Dienstleistungen anbieten. Sowohl auf Anbieter- als auch auf Kundenseite gehört die Mehrheit dem Mittelstand an. Mehr als zwei Drittel der befragten Firmen beschäftigen 250 oder weniger Mitarbeiter.
So ist nachvollziehbar, dass im deutschsprachigen Raum derzeit noch kleinere Outsourcing-Projekte überwiegen. 40 Prozent haben ein Volumen von weniger als einer halben Million Euro, acht Prozent ein Volumen bis zu einer Million Euro und gut elf Prozent ein Volumen zwischen einer und zehn Millionen Euro. Mehr als ein Drittel der befragten Unternehmen auf Kundenseite machte jedoch keine Angaben.
Dass die Nachfrage nach Offshore-Dienstleistungen in den kommenden fünf Jahren deutlich wachsen wird, glauben auf Anbieterseite 56 Prozent, auf Kundenseite vier Fünftel.
Kosten senken, Flexibilität steigern
Kostensenkungen und Steigerung der Flexibilität wurden am häufigsten als Grund für Outsourcing genannt. An dritter Stelle liegt "Konzentration auf das Kerngeschäft". Auch die Erwartung, besonders qualifiziertes Personal beim Dienstleister zu finden, spielt für deren Kunden eine große Rolle.
Die Anbieter von Offshoring-Dienstleistungen glauben, dass sie für ihre Kunden große Einsparungen erzielen können. 17 Prozent rechnen mit Nettokosteneinsparungen auf Kundenseite von 30 bis 40 Prozent.
Das sehen die Kunden etwas anders. Nur gut vier Prozent gehen von einem so hohen Kostensenkungspotenzial aus. Knapp ein Fünftel rechnet mit bis zu 20 Prozent weniger Kosten. Die Zahlen relativieren sich jedoch, weil 37 Prozent keine Angaben machten und 14 Prozent die Sparmöglichkeiten nicht einschätzen konnten.
Anwendungsentwicklung wird ausgelagert
Die Anwendungsentwicklung wird bisher am häufigsten (52 Prozent) ausgelagert. Auch User Help Desk (13 Prozent) sowie Datenerfassung und Archivierung (14 Prozent) stehen auf der Offshoring-Liste ganz oben. Zurückhaltend zeigen sich die Firmen dagegen bei Plänen für die Auslagerung von Buchhaltung, Rechnungswesen oder Personalverwaltung. Jeweils mehr als ein Drittel plant weder jetzt noch später, diese außer Haus zu geben.
Anbieter für Kerngeschäftsprozesse wie Marketing und Vertrieb werden auch künftig keinen leichten Stand haben. Mehr als zwei Drittel der Unternehmen kann sich nämlich nicht vorstellen, Marketing auszulagern. Knapp 60 Prozent will auch die Vertriebsaktivitäten weiter in der Firma behalten.
Noch ist Indien der wichtigste Offshore-Standort. Die dortigen Anbieter decken derzeit fast 90 Prozent des westeuropäischen Outsourcing-Handelsvolumens ab. Doch im deutschsprachigen Raum wächst das Interesse an Nearshore-Ländern wie Polen, Tschechien, der Slowakei oder Ungarn. Als Grund nennen die Verfasser der Studie die kulturelle, sprachliche und räumliche Nähe, die die Zusammenarbeit erleichtere.
Trotz vieler Probleme: hohe Akzeptanz von Offshoring
Insgesamt beurteilen die Kunden ihre Erfahrung positiv. Zwei Drittel sind mit ihren Offshoring-Verträgen zufrieden bis sehr zufrieden. Doch der Teufel steckt wie immer im Detail. Den Aufbau einer partnerschaftlichen Beziehung sehen Anbieter und Auftraggeber als wichtige Herausforderung.
Die Dienstleister haben die größten Probleme damit, Qualitätsanforderungen, Termine und Kosten einzuhalten. Auch Datenschutz- und Sicherheitsbestimmungen sowie Anforderungen an das Projektmanagement spielen aus ihrer Sicht eine große Rolle.
Ihre Auftraggeber haben dagegen mit "häufigen Änderungen der Anforderungen" zu kämpfen. Weniger Sorgen haben sie, dass sie vom Dienstleister abhängig werden oder dass eigenes Know-how abfließt. Für sie erschweren die Unterschiede in Mentalität und Kultur zudem die Umsetzung von Outsourcing-Projekten.
Dass ihre Auftragnehmer Qualitätsanforderungen, Termine und Kosten einhalten, gehört für sie zu den größten Problemen. Sie unterschätzen auch nicht die sprachlichen Schwierigkeiten und haben durchaus Defizite im Branchenwissen ausgemacht.
Der Offshoring-Report 2005 von Deutsche Bank Research und Bitkom ist das Ergebnis einer Befragung von 572 Firmen. 305 sind Kunden, 267 Anbieter von Offshore-Dienstleistungen im deutschsprachigen Raum.