Womit tun sich Deutsche besonders schwer, wenn sie vor Publikum englisch sprechen sollen?
Britta Wenske: Den meisten steht dieser sehr deutsche Perfektionismus im Weg - die Scheu, nicht gut genug zu sein. Uns Deutschen fehlt oft das Offene, Positive, die Leichtigkeit.
Das ist doch verständlich: Selbst, wenn man sehr gut Englisch kann, ist man niemals so souverän wie in der eigenen Muttersprache.
Britta Wenske: Jede Sprache hat ihre eigene Emotionalität. Das Deutsche ist sehr förmlich und sehr strukturiert. Das Englische hat eine gewisse Leichtigkeit. Für uns Deutsche klingt es informell. Es ist sehr viel lockerer. Auch als Nicht-Muttersprachler kann man lernen, das Englische zu benutzen, um klar und strukturiert zu sprechen.
Im Deutschen geht vieles, was auf Englisch nicht geht: Wir erfinden Worte, wir reihen Worte aneinander. Letztens bekam ich eine E-Mail von einem Kunden, der schrieb: "Entschuldigen Sie meine verspätete Antwort, ich befinde mich im Jahresanfangsrestrukturierungsprozess." So etwas würde man im Englischen gar nicht konstruieren können.
Das Unbehagen ist ja dann besonders stark, wenn man von Muttersprachlern umgeben ist. Internationale Meetings, bei denen alle sich in der Mitte beim Englischen treffen, sind einfacher.
Britta Wenske: Es ist falsch zu denken, dass alles perfekt sein muss. Gerade die Nordamerikaner haben diesen Perfektionsgedanken nicht: Sie verzeihen einen Fehler viel eher, als der Deutsche ihn sich selbst verzeiht.
Gefunden im manager magazin
Redewendungen schon vorher zurecht legen
Was kann man tun, damit der Vortrag besser gelingt?
Britta Wenske: Am wichtigsten ist: Langsam reden. Sobald Sie schnell sind, verlieren Sie den Faden, weil ihre Sprechgeschwindigkeit das Tempo ihres in der fremden Sprache langsameren Denkens überholt. Wir Deutschen lieben lange Schachtelsätze. Halten Sie Ihre Sätze im Englischen lieber kurz, damit die Gedanken Schritt halten können.
Atmen Sie tief durch, Legen Sie sich Redewendungen zurecht, die Ihnen in unsicheren Momenten helfen - Sätze wie "Let me rephrase that, I think I wasn't clear" helfen über Kommunikationspannen hinweg. Daraus wird Ihnen niemand einen Strick drehen.
Wenn Sie eine Präsentation halten müssen, führt kein Weg daran vorbei, vorher viel zu üben. Achten Sie auf Ihre Redewendungen: Im Englischen sagt man nie nur "yes" oder "no", man wiederholt das Verb der Frage oder hängt eine gängige Floskel an: "yes, of course", oder "no, he wasn't". So etwas muss man immer wieder üben, damit es in Fleisch und Blut übergeht.
Stellen Sie sich auf Unterbrechungen ein - auch das kann man üben, um die dann unweigerlich aufkommende Panik zu überwinden: "I'm going to come back to that in a moment, can you please hold that question?" und dann erst einmal weiterreden, um nicht aus dem Konzept zu kommen. Oder die Frage direkt an das Publikum weitergeben, auch das kann eine gute Hilfe sein: "Has anyone got an answer for that?" Eine Unterbrechung muss kein Panikmoment sein.
Und vermeiden Sie Verlegenheitsstrategien wie wildes Gestikulieren oder Auf-und-ab-Laufen - das bringt zu viel Unruhe in Ihren Vortrag, und Ihre Zuhörer sind schnell vom eigentlichen Inhalt Ihrer Präsentation abgelenkt. Alles, was eine Barriere aufbaut oder von mir als Sprecher ablenkt, ist ungünstig, und das passiert einem in einer Fremdsprache noch eher als in der Muttersprache.
Kurze launige Geschichten erzählen
Muss ich bei einer Präsentation ein amerikanisches Publikum anders ansprechen als ein deutsches?
Britta Wenske: Viele amerikanische Sprecher suchen viel mehr Bezug zum Publikum und gehen richtig in das Publikum hinein. Dieses Infotainment fällt uns faktenorientierten Deutschen schwer: "How are you, guys?" Nur, wenn ich als Sprecher an meinem Thema sichtlich Spaß habe und das, was ich erzähle, gerne erzähle, kann ich mein Publikum mitreißen. Amerikaner lieben Geschichten.
Als die britische Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling einmal vor einer Versammlung in Harvard sprechen sollte, sagte sie nach einer sehr knappen Begrüßung sinngemäß: "Die vorangegangenen Wochen von Übelkeit und Angst vor dieser Veranstaltung haben mich dazu gebracht, Gewicht zu verlieren. Eine Win-win-Situation. Vielen Dank dafür. Jetzt muss ich nur noch mit den Augen blinzeln und mir vorstellen, ich sei auf der weltgrößten Zaubererveranstaltung." Super, oder? Sie erzählt von ihrer Angst, und das Publikum ist sofort auf ihrer Seite.
Wichtig ist der Einstieg. Eine gute Möglichkeit sind Einstiegsfragen: "How many of you don't want to be here today?", "How many of you do want to be here?", "How many of you didn't raise your hands?" Gehen Sie gleich an das Publikum heran. Verlieren Sie die Angst davor, in das Publikum hineinzugehen. Sie können Ihr Publikum sogar anfassen. Aber das muss natürlich immer der Situation angemessen sein. Sie müssen authentisch wirken.
Würde das auch bei einer deutschen Veranstaltung funktionieren?
Britta Wenske: Ich persönlich denke ja. Ich mache es so. Oft gibt es dann einen Moment der Irritation: Was macht die Frau da vorne jetzt? Es gibt eine größere Distanz zwischen Sprecher und Publikum, die Leute sitzen geistig mit verschränkten Armen da. Das zu knacken, ist schwieriger. Wenn man da zu stark hineingeht, provoziert man Abwehrhaltungen. Das ist in Amerika anders.
Wie kann man diese Lockerheit lernen?
Britta Wenske: Ich frage meine Kunden: Was in Ihnen müssen wir wecken, um zu dieser Leichtigkeit zu finden? Ich kann ja niemandem befehlen: Jetzt haben Sie mal ein bisschen Spaß. Ich muss den Punkt in den Leuten finden, der sie dazu bringt, Spaß zu haben.
Keine Sorge vor dem belanglosen Small Talk
Wer in Amerika reüssieren will, muss ja auch die Kunst des Small Talks beherrschen.
Britta Wenske: Ja, es gibt generell mehr Small Talk. Wir Deutschen haben eher Angst vor dem Belanglosen - über das Wetter zu reden, ist uns zu oberflächlich, es geht dann immer gleich um Klimawandel.
Was sind Tabuthemen?
Britta Wenske: Religion sollte man eher meiden; Politik geht nur situationsabhängig. Sie können problemlos nach dem Gehalt Ihres Gegenübers fragen, aber Dinge, die für uns normal sind, wie etwa kurz die Hand auf den Rücken des Gesprächspartners zu legen, können in Nordamerika schon als sexuelle Anspielung gedeutet werden.
Wären Sie ein Mann, und wir wären in Amerika, müssten wir für dieses Interview die Tür zum Flur offen stehen lassen, damit jeder sehen kann, dass hier nichts passiert. Das gilt auch für Kanada: Als ich in Toronto an der Universität gearbeitet habe, musste ich bei Gesprächen mit den männlichen Studenten stets die Tür geöffnet lassen. In der Geschäftswelt muss man bei Körperkontakten sehr viel vorsichtiger sein, als das hierzulande üblich ist.
Trainieren Sie mit Video-Aufnahmen?
Britta Wenske: Nein. Kaum jemand kann sich selbst objektiv auf einem Video beurteilen. Die meisten reagieren auf solche Aufnahmen eher mit Sätzen wie "Oh Gott, wie sehe ich denn aus." Da ist ein direktes Feedback des Trainers weitaus hilfreicher. Meistens steckt eine Ablehnungsangst dahinter, wenn jemand sich vor Publikum nicht wohlfühlt: Was ist, wenn ich etwas falsch mache, was ist, wenn mein Publikum mich nicht mag? Man coacht nicht nur das Auftreten in einer Fremdsprache, sondern auch den persönlichen Auftritt insgesamt. Allerdings tritt man in jeder Sprache auch anders auf - das merke ich bei mir selbst: Wenn ich englisch coache, bin ich viel lockerer.
Haben Sie Tipps für das Üben zu Hause?
Britta Wenske: Schauen Sie englischsprachige Filme. Und lesen Sie Kinderbücher. Die sind relativ einfach zu lesen, aber man bekommt ein sehr gutes Gefühl für die Sprache. Letztens habe ich einem Kunden den "Räuber Hotzenplotz" auf Englisch mitgegeben. Er war ganz begeistert. Wenn der Spaß da ist, verschwindet auch die Scheu.