Datenrettung

Ohne Festplatte keine Cloud-Daten

12.10.2012 von Hartmut  Wiehr
Die Heilsbotschaften von virtuellen und Cloud-Umgebungen stimmen nicht mit der realen Welt überein. Der Sicherheitsspezialist Kroll Ontrack weiß warum.

Kroll Ontrack kümmert sich darum, eigentlich schon für immer verloren gegangene digitale Informationen wieder zum Leben zu erwecken. Festplatten und Tapes sind die klassischen Medien, die nach einer Katastrophe wie Brand oder Überschwemmung bei den Fachleuten des Unternehmens landen. Das hat sich mit Virtualisierungs- und Cloud-Umgebungen nicht geändert.

Wenn die physikalische Plattenbasis zerstört ist, ist es auch schlecht bestellt um die virtuellen Maschinen und ihre Daten. Spezialisten wie Kroll Ontrack sind dann die letzte Chance.
Foto: Kroll Ontrack

Eher im Gegenteil. Denn wenn sich mehrere Applikationen, die in virtuellen Maschinen angesiedelt sind, den Platz auf einem physikalischen Server teilen oder gemeinsam auf virtuelle Speicher-Pools zugreifen, erhöhen sich die Risiken eines Datenverlusts gleich für mehrere Anwendungen. Und wer sich auf das Verlagern von Programmen und gespeicherten Informationen auf Cloud-Systeme, die irgendwo im Internet stehen, einlässt, spielt Vabanque.

Laut einer Umfrage, die Kroll Ontrack dieses Jahr bei 367 IT-Spezialisten durchgeführt hat, sind sich viele Anwender gar nicht der Gefahren bewusst, wenn sie die Cloud nutzen. In der einen oder anderen Form sind zwar 62 Prozent der Befragten bei Cloud-Anwendungen dabei, aber nur ein Drittel hat einen Datenrettungsplan, der Richtlinien für den Schutz der Daten im Notfall vorsieht.

Leichtsinniger Umgang mit Cloud Computing

Damit gehen sie nicht nur leichtsinnig mit ihren Ressourcen und der Umsetzung der wirtschaftlichen Ziele ihres Unternehmens um, sondern gefährden zugleich die unbestreitbar hohen Ansprüche von Cloud-Computing. Denn für Kroll Ontrack liegen die Vorteile der Cloud-Lösungen eigentlich auf der Hand: Sie erfordern "keine hohen Anfangsinvestitionen für Hardware und nur eingeschränkte IT-Schulungen". Ferner müssen nur noch wenige eigene IT-Mitarbeiter für Installation und Wartung bereit gestellt werden. Komplizierte interne Genehmigungsprozesse können entfallen, und der Betrieb ist im Idealfall innerhalb weniger Minuten startbereit.

Darüber hinaus fallen keine permanenten, langfristigen Lizenzgebühren für Software mehr an. Diese werden nur noch für den wirklich in Anspruch genommenen Gebrauch berechnet. Anwender sollten sich aber laut Forrester Research rechtzeitig einen Überblick darüber verschaffen, ob letztlich nicht doch die Anschaffung der kompletten Software billiger kommt.

Backup-Systeme nie 100 Prozent zuverlässig

Laut Ontrack setzen bereits 62 Prozent der befragten Unternehmen Cloud-Services ein.
Foto: Kroll Ontrack

Allerdings, und darüber schweigen Hersteller und Dienstleister unisono, hat sich eines nicht geändert: "Ein Datenverlust kann immer auftreten, egal ob die Daten auf klassischen, virtualisierten oder Cloud-Speicherlösungen abgelegt sind. Auch Backup-Systeme sind nie zu 100 Prozent zuverlässig." Kroll Ontrack verweist außerdem darauf, dass häufig wichtige Daten beim letzten Backup nicht gesichert wurden. Schließlich sei eine Datensicherung immer nur "eine Momentaufnahme des Systems".

Alle Sicherungsmaßnahmen spiegelten per se nur äußerst selten den allerneuesten Stand der Daten wieder. Eine weitere Herausforderung stellten Datenarchive dar. Kroll Ontrack betont: "Hierbei kann es durchaus vorkommen, dass Daten nicht mehr zugänglich sind, weil das aktuelle Dateiformat oder das Betriebssystem inkompatibel mit dem Archivsystem sind."

Cloud und Virtualisierung nehmen zu, Sicherheit nicht

Immerhin geben 49 Prozent der von Kroll Ontrack befragten Unternehmen zu, dass sie im letzten Jahr einen Datenverlust hatten. Nur drei Prozent der Befragten haben bisher einen Datenverlust in der Cloud erlebt, bei klassischen Medien waren es 55 Prozent. Der geringe Cloud-Anteil könnte auch ein Indikator dafür sein, dass erst sehr wenige Anwender wirklich in der (externen) Cloud unterwegs sind. Bei virtualisierten Speicherumgebungen kam es in 26 Prozent der Fälle zu einem Verlust der gespeicherten Daten.

Der Cloud-Anteil wird aller Wahrscheinlichkeit allmählich weiter ansteigen Nach einer Prognose der Marktforscher von Gartner beabsichtigen bis Ende 2016 über 50 Prozent der Global-1000-Unternehmen, auch sensible Kundendaten in Public-Cloud-Umgebungen abzulegen. Kroll Ontrack weist darauf hin, dass "Cloud-Anbieter nicht für beschädigte, gelöschte, zerstörte oder verlorene Dateien haftbar gemacht werden können".

Daraus folgt für die Datenrettungsspezialisten, Cloud-Kunden müssten Validität und Zugänglichkeit der Daten rechtzeitig überprüfen. Des weiteren sei es anzuraten, dass IT-Administratoren schon im Vorfeld von Virtualisierungs- und Cloud-Projekten einen Fachmann zur Rettung beschädigter Medien in ihren Notfallplänen berücksichtigen.

Keine nebulösen SLA durchgehen lassen

Noch überwiegen die Datenverluste bei den klassischen Medien wie Disk oder Tape. Doch die Anteile virtueller Umgebungen und von Clouds steigen.
Foto: Kroll Ontrack

Das Gleiche sollten sie auch vertraglich von ihren Cloud-Servicepartnern verlangen. Service Level Agreements (SLAs) bedürfen genauer, detaillierter Ausarbeitung. Wer in die Cloud will, sollte es nicht bei nebulösen und allgemeinen Erklärungen belassen. Hier sind viele Hersteller, Service Provider und selbst Analysten drauf und dran, schwer wiegende Fehler zu machen und die Glaubwürdigkeit der neuen Technologien zu diskreditieren.

Bis jetzt hat noch niemand aufgezeigt, dass virtuelle Server, Desktops oder Speicher ganz ohne eine physikalische Basis auskommen. Das gilt auch für die neuesten Kreationen der Industrie à la "Software Designed Networking (SDN)" oder "software-definiertes" Rechenzentrum. Die Zeiten sehen gar nicht so schlecht für die Datenretter aus.