Es geht nicht um die Frage, ob ein Unternehmen eine Cloud-Migration durchführt, sondern nur um das Wann und Wie. Der wirtschaftliche Erfolg wird in Zukunft auch davon abhängen, Geschäftsprozesse durch die Verlagerung beziehungsweise Verlängerung von Legacy-Applikationen in die Cloud und die Nutzung von Cloud-Services zu digitalisieren und zu automatisieren.
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Erst mal machen, Strategie kommt später
Das haben deutsche Unternehmen offensichtlich erkannt, die beim Thema Cloud-Migration sonst eher zurückhaltend sind. Sechs von zehn Firmen springen ins kalte Wasser und setzen eine Cloud-Migration ohne strategischen Ansatz um. Für knapp neun von zehn Befragten kommt aber in Zukunft die Migration in die Cloud ohne strategischen Ansatz nicht infrage. Das zeigt: Die Allermeisten sind sich im Klaren darüber, dass eine Cloud-Journey ohne Strategie ein Spiel mit dem Feuer ist und zum Kostentreiber werden kann.
Das ist das zentrale Ergebnis der aktuellen Studie "Cloud-Migration", die CIO, CSO und COMPUTERWOCHE mit den Partnern Lufthansa Industry Solutions, Spirit/21, Unit4, Ergon Informatik/Airlock, Comarch, Vodafone, Claranet, NTT Germany und NTT DATA Business Solutions realisiert haben. Für die Studie wurden 321 Geschäfts- und IT-Entscheiderinnen und -entscheider auf C-Level-Ebene, IT-Leiterinnen und -Leiter sowie Fachbereichsvertreter aus Unternehmen unterschiedlichster Branchen, Größen und Umsatzklassen in Deutschland befragt.
"Eine klare Strategie ist eine der Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Cloud-Migration. Diese sollte zwei Überlegungen folgen: Erstens, welche Anwendungen mit Standardsoftware oder SaaS abgedeckt werden können und zweitens, wie die Architektur der Individualapplikationen so verändert werden kann, dass sie kosten- und ressourcenoptimal in der Cloud läuft", kommentiert Bernhard Kube, Vice President Technology Consulting, Research & Standards bei Lufthansa Industry Solutions, das Ergebnis. Und Bartlomiej Kluska, ICT Consulting Director, Comarch ergänzt: "Das Thema Strategie wird definitiv auf der Top-Prio-Liste nach oben steigen. Interessant ist, dass heute noch so viele Unternehmen die vollen Cloud-Potentiale nicht ausnutzen."
Hand in Hand mit der Unternehmensstrategie
Eine große Mehrheit von 86 Prozent der Befragten, die über eine Cloud-Strategie verfügen oder sie gegenwärtig planen, koppelt sie vollständig oder in Teilen auch an die Unternehmensstrategie. Das ist ein wichtiger Aspekt, denn nur so lässt sich gewährleisten, dass die Cloud-Nutzung im Einklang mit unternehmerischen Zielen steht. Aufschlussreich: Ob eine Cloud-Strategie aktiv umgesetzt und an die Business-Strategie gekoppelt wird, hängt in hohem Maße von der Firmengröße ab. Bei großen Unternehmen mit über 1.000 Beschäftigten ist das am häufigsten der Fall (jeweils 48 Prozent), am wenigsten bei kleinen Betrieben mit weniger als 500 Beschäftigten (32 beziehungsweise 36 Prozent).
Unternehmen, die eine Cloud-Strategie verfolgen, bewältigen die Cloud-Migration im Großen und Ganzen mit Erfolg. Dafür spricht, dass fast vier Fünftel der Befragten, die entsprechende Projekte realisiert haben, "sehr zufrieden" oder "zufrieden" damit sind. Zu den Aspekten der Cloud-Migration, die sie besonders schätzen, zählen unter anderem eine deutlich verbesserte Aufbewahrung der IT-Systeme, mehr Stabilität, Sicherheit und Performance sowie der Datenzugriff rund um die Uhr. "Cloud-Lösungen sind in der modernen IT-Welt eine hervorragende Alternative, aber Veränderungen der IT-Landschaft bleiben auch mit der Cloud eine komplexe Aufgabe. Ein strukturiertes Herangehen ist insofern zwingend für den Erfolg", erläutert Ulrich Meine, Director Hyperscaler Engagement, NTT DATA Business Solutions.
Besonders hoch ist die Zufriedenheitsquote bei großen Unternehmen (82 Prozent), am niedrigsten bei mittelgroßen Firmen (72 Prozent). Die Zufriedenheit mit den durchgeführten Cloud-Projekten hängt zudem maßgeblich von der Höhe des IT-Budgets ab: 88 Prozent der Unternehmen mit IT-Aufwendungen von mehr als zehn Millionen Euro im Jahr sind sehr zufrieden oder zufrieden, doch nur 73 Prozent der Firmen mit weniger als zehn Millionen Euro jährlichem IT-Budget.
Cloud-Migration ja, aber mit Bedacht
Was die Studie in aller Deutlichkeit aufdeckt: Unternehmen in Deutschland gehen die Cloud-Migration eher behäbig an. Nicht einmal vier von zehn Befragten (39 Prozent) haben bislang ein Projekt durchgeführt. 27 Prozent wollen entsprechende Vorhaben kommendes Jahr, 21 Prozent in ein bis drei Jahren in Angriff nehmen. Bedenkt man, dass der Wechsel in die Cloud abhängig von Umfang und Komplexität mit einem nicht unerheblichen Zeitaufwand verbunden ist, könnte sich diese Verzögerung rächen: zum Beispiel durch den Verlust von Marktanteilen an internationale Wettbewerber, die den Shift in die Cloud bereits vollzogen haben und somit flexibler auf neue Marktanforderungen reagieren können.
Geht es um die Zielsetzungen einer Cloud-Migration, genießt die Digitalisierung oberste Priorität (44 Prozent), gefolgt von der Beschleunigung der Prozesse, um Kosten zu senken (37 Prozent). Das zeigt, dass die Befragten den Gang in die Cloud nicht in erster Linie aus Gründen des Cost-Cutting antreten, sondern sich davon konkrete geschäftliche Vorteile erwarten. Schließlich hängen Digitalisierung und schnellere Prozesse unmittelbar zusammen. 35 Prozent erwarten durch eine Cloud-Migration eine Applikationsmodernisierung, 29 Prozent geringere IT-Wartungskosten, und - besonders interessant - knapp ein Drittel (32 Prozent) eine Erhöhung der Sicherheit.
Letzteres hängt möglicherweise damit zusammen, dass ein professioneller Cloud-Provider genau in die State-of-the-Art-Sicherheitstechnologien investiert, die für Unternehmen oft zu teuer sind. Für diese These spricht auch, dass die allermeisten Unternehmen keine Angst haben, die Kontrolle über in die Cloud verlagerten Applikationen zu verlieren, und (Cloud)-Security bei 68 Prozent eine sehr wichtige Rolle spielt.
Vertrauen in die Cloud-Anbieter
"Dass sich die Angst vor Kontrollverlust durch die Cloud sich in Grenzen hält, lässt darauf schließen, dass Unternehmen möglicherweise Vertrauen in die Sicherheitsmaßnahmen und Kontrollmechanismen der Cloud-Anbieter haben oder dass sie die Vorteile der Cloud-Nutzung als überwiegend positiv bewerten. Es bleibt jedoch unerlässlich, Cloud-Migrationsprojekte mit einer klaren Strategie durchzuführen", erklärt Heike Marquordt, Senior Director, Field Marketing Continental Europe, Unit4.
Ähnlich interpretiert Matthias Körbitzer, Director Sales Hybrid Cloud & Datacenter, NTT Ltd. Germany, dieses Ergebnis: "Die These, dass die Mehrzahl der Organisationen einen Verlust ihrer Datenhoheit nach der Cloud-Migration befürchtet, ist damit entkräftet. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Basiert ihre Cloud-Strategie auf Grundlagen wie 'Security by Design', einem standardisierten Bereitstellungsmodell, klar definierten SLAs und einer einheitlichen Governance-Struktur können Organisationen die Kontrolle über ihre Daten sogar steigern."
Risiken nicht unterschätzen
Nicht zufällig zählen die Befragten auf technischer Ebene nach der IT-Infrastruktur (42 Prozent) die Themen IT-Security, Datenschutz und Compliance (jeweils 33 Prozent) und Datensicherheit inklusive Disaster Recovery (30 Prozent) zu den Top-Herausforderungen und -Risiken bei Cloud-Migrationsprojekten. Auf strategisch-organisatorischer Ebene sind es die Komplexität des Themas (35 Prozent) und die Langwierigkeit des Migrationsprozesses (32 Prozent), aber auch eine fehlende Unterstützung durch das Management (29 Prozent) und Budget-Probleme (26 Prozent).
Der Respekt vor den Herausforderungen einer Cloud-Migration könnte auch dafür verantwortlich sein, dass eher konservative Ansätze wie Hybrid Extension und Lift-and-shift dominieren. 49 Prozent entscheiden sich für eine Migration per Hybrid Extension. "Hybride Ansätze nutzen das Potential neuer Technologien ohne Bewährtes aufzugeben. Sie erhöhen allerdings die Komplexität und damit die Anforderungen an verbundene Systeme und vor allem an die IT-Sicherheit", sagt Marc-André Dumont, Product Manager Airlock, a Security Innovation by Ergon Informatik AG. 31 Prozent der Befragten wählen den Lift-and-shift-Ansatz. 28 Prozent bauen Anwendungen durch einen Full Rebuild in der Cloud komplett neu auf, 27 Prozent gehen per Lift-and-extend in die Cloud. Immerhin 17 Prozent der Befragten wagen den radikalen Schnitt und ersetzen Legacy-Applikationen durch SaaS-Angebote oder streben dies an.
Populäre Private Cloud
Die Studie hält noch weitere interessante Einblicke parat. Zum Beispiel die, dass die Private Cloud das mit Abstand beliebteste Betriebsmodell ist. 41 Prozent der Befragten betreiben cloudifizierte Applikationen ausschließlich dort, möglicherweise um Risiken zu reduzieren und die Kontrolle nicht aus der Hand zu geben. 31 Prozent entscheiden sich für ein hybrides Modell aus Private und Public Cloud, knapp ein Viertel (24 Prozent) für die Public Cloud eines Hyperscalers. Geschätzt wird an Hyperscalern in erster Linie das spezielle Cloud-Services-Angebot und die Möglichkeit, Infrastrukturen schnell auf- und wieder abbauen zu können, aber auch die Sicherheit der Public Cloud sowie Zertifizierungen und Qualitätssiegel.
"Interessant ist, dass die grundlegenden Vorteile der Hyperscaler wie Skalierbarkeit und Pay-as-you-go bei der Entscheidung für einen Anbieter an Relevanz verlieren, also als Commodity gesehen werden, die speziellen Cloud-Services-Angebote und das Thema Sicherheit dagegen eine wichtige Rolle spielen. Überraschend ist die hohe Relevanz der Unterstützungsprogramme, die von Cloud-Providern aufgelegt werden", stellt Robert Renner, Cloud Lead bei SPIRIT/21, fest.
Roll-backs sind keine Seltenheit
Bei alldem ist die Cloud-Migration alles andere als eine Einbahnstraße. Es gibt nämlich Gegenverkehr in Form des Roll-backs von Applikationen aus der Cloud ins eigene Data Center, und das aus einer Vielzahl von Gründen: zum Beispiel weil die Cloud-Migration scheitert, Latenzzeiten in der Cloud zu hoch sind, es einen Strategiewechsel in Bezug auf den IT-Betrieb oder neue rechtliche Grundlagen (etwa in Bezug auf die Datenhaltung) gibt. Immerhin 28 Prozent der Unternehmen haben mindestens ein Roll-back-Projekt durchgeführt und jeweils rund Fünftel planen ein solches Vorhaben für das kommende Jahr oder in den kommenden ein bis drei Jahren.
Selbst wenn einzelne Applikationen aus der Cloud zurückgeholt werden: Insgesamt ist der Trend in Richtung Cloud-Migration aufseiten der Unternehmen ungebrochen. Ein starkes Indiz dafür ist, dass eine deutliche Mehrheit von 69 Prozent der Befragten für das kommende Jahr trotz hoher Energiepreise zum Teil deutlich mehr Budget für Cloud-Migrationsprojekte erwartet.
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Studiensteckbrief
Herausgeber: CIO, CSO und COMPUTERWOCHE
Studienpartner: Lufthansa Industry Solutions, SPIRIT/21, Unit4 Business Software (alle Gold), Ergon Informatik/Airlock, Comarch Software und Beratung, Vodafone (alle Silber), Claranet, NTT Germany, NTT DATA Business Solutions
Grundgesamtheit: Oberste (IT-)Verantwortliche in Unternehmen der DACH-Region: Beteiligte an strategischen (IT-)Entscheidungsprozessen im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs); Entscheidungsbefugte sowie Experten und Expertinnen aus dem IT-Bereich
Teilnehmergenerierung: Persönliche E-Mail-Einladung über die exklusive Unternehmensdatenbank von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE sowie - zur Erfüllung von Quotenvorgaben - über externe Online-Access-Panels
Gesamtstichprobe: 321 abgeschlossene und qualifizierte Interviews
Untersuchungszeitraum: 28. Februar bis 7. März 2023
Methode: Online-Umfrage (CAWI)
Fragebogenentwicklung und Durchführung: Custom Research Team von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE in Abstimmung mit den Studienpartnern