Sportler machen vor Olympischen Spielen Trainingslager. Für Firmen, ihre Mitarbeiter und Netzwerke gibt es das nicht. Braucht es vor Olympia in London womöglich auch gar nicht, weil der Durchschnittsdeutsche erstens eine Fußball-WM oder –EM noch weitaus wichtiger nimmt und weil zweitens die wichtigsten Entscheidungen in London erst nach Feierabend fallen. Allerdings nicht alle. Und deshalb gibt es durchaus Streaming- und Youtube-Risiken, die Netzwerke überlasten und im Falle besonders sportbegeisterter Mitarbeiter temporäre Heimarbeit oder andere flexible Arbeitszeitlösungen sinnvoll machen könnten.
Für unsere britische Schwesterpublikation CIO.co.uk hat David Clarke vom IT-Forschungsinstitut BCS einen Ratgeber fürs Management flexibler Arbeit während der Spiele zusammengestellt. Vor dem Hintergrund einer Zusammenarbeit von NBC und Youtube in den USA, die für schätzungsweise 3000 Stunden Online-Content an sportlichen Wettkämpfen sorgen wird, warnt Palo Alto Networks vor Olympia als Herausforderung für Firmennetzwerke. Die Warnung ist wohlgemerkt auf die Vereinigten Staaten zugeschnitten, einige Schlussfolgerungen scheinen aber durchaus auf Europa übertragbar.
Laut Palo Alto Networks also stieg die allein dem Videostreaming und den Foto-Applikationen geschuldete Bandbreitenauslastung seit Dezember des vergangenen Jahres bisher um 300 Prozent auf 13,3 Prozent. Dafür verantwortlich seien insgesamt über 100 Applikationen, vor allem aber YouTube, PPStream, Netflix Streaming und HTTP Video. Während Olympia werde der YouTube-Konsum zweifellos weiter ansteigen, was die Service-Qualität auch von Business-Anwendungen gefährde, so Palo Alto Networks.
Aufgaben der Administratoren
„Netzwerk- und Security-Administratoren stehen vor der Aufgabe, Secure Application Enablement-Richtlinien zu entwickeln, die die Nutzung von Youtube für Marketing, Schulungen und andere geschäftliche Zwecke erlauben und zugleich den privaten Konsum von Youtube und anderen Streaming-Applikationen einschränken“, mahnt der Security-Anbieter.
Auf Basis einer eigenen Studie rechnet Palo Alto Networks zudem vor, dass Filesharing inzwischen für 17 Prozent und Videostreaming für 13 Prozent der Netzwerkauslastung verantwortlich seien. Davon sei aber vermutlich lediglich ein Zehntel der Nutzung geschäftlich motiviert. Daraus lasse sich ableiten, dass ein Fünftel jedes in schnelle Internetverbindungen investierten Dollars nicht dem Business zu Gute komme.
Social Media keine Belastung
„Das scheint ein hervorragender Grund für Initiativen zu sein, durch Richtlinien wieder Kontrolle über das Netzwerk zu gewinnen“, kommentiert Palo Alto Networks. Social Media sei übrigens entgegen landläufiger Vermutung kein wirklicher Faktor bei der Netzwerkauslastung und zusammen betrachtet nur für 1,3 Prozent verantwortlich.
Gerade im Großraum London wollen viele Mitarbeiter selbstverständlich die Spiele vor Haustür live verfolgen. Deshalb haben Regierung und das Organisationskomitee der Olympischen Spiele sogar eine Empfehlungsliste zusammengestellt, die Heimarbeit während des Großereignisses beinhaltet, so David Clarke.
Der unmittelbare Anlass betrifft in diesem Fall logischerweise ausschließlich Großbritannien. Allerdings wird das Arbeiten im Home Office hierzulande bereits von jedem Dritten einmal wöchentlich genutzt, wie unlängst die Krankenkasse DAK berichtete. Heimarbeit könne Arbeitsstress reduzieren, wenn sie im eigenen Interesse stattfindet, so der DAK-Gesundheitsreport. Werde beispielsweise zu Hause gearbeitet, um familiäre und private Belange besser mit dem Beruf zu vereinbaren, vermindere dies die Belastung.
Schub für Heimarbeit
Nach Einschätzung des CIO.co.uk-Autors könnte Olympia in Großbritannien auch einen Schub bringen, Heimarbeit in der britischen Unternehmenskultur stärker zu verankern. Die Vorteile wie Zeit- und Kostenersparnis, bessere Work-Life-Balance und geringere Ausgaben für Büroräume seien sowieso weithin bekannt. Dank Breitband-Internet, Virtual Privat Networks (VPN) und auch Cloud Computing seien auch die technologischen Voraussetzungen mittlerweile auf stabiler Basis vorhanden.
Aus CIO-Sicht sind laut Clarke dennoch nicht alle Fragen beantwortet – zuvorderst jene nach der Sicherheit. Im Blickpunkt stünden hier in erster Linie das Risiko eines Verlustes sensibler Daten und ein robustes Identitätsmanagement. „Während der einfache Ansatz mit Benutzername und Passwort häufig ausreichend sein dürfte, kann es Bedarf nach Absicherung durch zusätzliche und nur bestimmten Personen bekannten Informationen geben, damit sich Zugang und Rolle im Unternehmen decken“, so der IT-Experte.
Olympia: Resultate-App fürs Smartphones
Einfache Regeln könnten Wunder wirken, denkt Clarke. So könne man Mitarbeitern einschärfen, nur die passwortgeschützte Internetverbindung zuhause für berufliche Zwecke zu nutzen, nicht aber vom Café aus zu arbeiten. Ein anderer Ansatz sei die Ausrüstung mit Client Devices, die an den heimischen Rechner angeschlossen werden und für eine Verschlüsselung sorgen.
CIOs sollten überdies ein Mindestmaß an Anforderungen an die Rechner stellen, die von Mitarbeitern beruflich genutzt werden. Es sei gewiss auch sinnvoll, sich über die richtigen Sicherheitseinstellungen zu unterhalten, so Clarke. Vom Einzelfall hänge es ab, ob Unternehmen Mitarbeiter bei der Anschaffung von Geräten oder einem Upgrade der Internetverbindung finanziell unterstützen sollten.
Eine Herausforderung bestehe auch im Personalmanagement. „Manche blühen auf, wenn sie zu Hause arbeiten, andere Mitarbeiter fühlen sich aber schnell isoliert und unmotiviert und einige wenige werden versuchen, ihr Arbeitspensum zu drücken“, so Clarke. Führungskräfte müssten dafür geschult werden, mit solchen Faktoren richtig umzugehen. Unter Umständen empfehle sich eine Zusammenarbeit von CIO und Personalabteilung, um die adäquaten Regeln aufzustellen.
Grundsätzlich ist Clarke davon überzeugt, dass sich Wege finden lassen, die vielen Vorteile von Arbeit im Home Office zu nutzen – nicht nur während der Olympischen Spiele. Wer sich übrigens nur zwischendurch auf die Schnelle über die Ergebnisse informieren will, kann die offizielle Resultate-App auf Smartphone oder Tablet nutzen. Ein Test auf einem Android Gingerbread verlief in jedem Fall vielversprechend.