Die Warnungen aller Sicherheitsexperten vor den Olympischen Spielen im Sommer in Paris klingen alarmierend: Es sei zu befürchten, dass es massive Versuche geben wird, bei den Besuchern Angst vor Terror und anderen Gefahren zu sähen, das Ansehen der Spiele zu untergraben und deren Ablauf zu sabotieren - bis hin zu Anschlägen. Bereits jetzt kommt es in Frankreich zu Destabilisierungsversuchen, die Paris Russland zuschreibt. Vor einigen Wochen schon sagte Präsident Emmanuel Macron, Moskau werde "zweifelsohne" versuchen, auf verschiedenen Wegen die Spiele zu stören. Die französischen Sicherheitsbehörden rüsten sich seit längerem auf solche Bedrohungen.
Als "Storm-1679" und "Storm-1099" bezeichnet das Microsoft Threat Analysis Center in seiner vor einigen Tagen vorgelegten Gefährdungsanalyse zwei russischen Online-Plattformen, die ihre Falschinformationen bereits seit einem Jahr auf Olympia in Paris ausgerichtet haben. Darüber verbreitet wird etwa ein Film namens "Olympics Has Fallen", bei dem fälschlicherweise der Eindruck entstehen soll, es handele sich um eine Netflix-Produktion. Der Film soll Angst vor dem Besuch der Spiele wegen angeblich drohender Gewalt schüren.
Fake News zu Neuauflage von Olympia-Terror 1972
Dies geschehe auch über zahlreiche Videoclips der Plattformen in französischer Sprache, die wegen des Gaza-Konflikts eine Bedrohungslage für israelische Besucher der Spiele suggerieren, berichtete Microsoft. Angeblich aus Paris stammende Graffiti würden verbreitet, die den Eindruck erwecken, in Paris drohe eine Neuauflage des Terrors gegen jüdische Sportler, wie es ihn bei den Olympischen Spielen 1972 in München gegeben hatte. Macron wird in den manipulierten Nachrichten als ein Präsident präsentiert, der sich mit den Spielen brüstet und dem die sozialen Probleme der Bevölkerung egal sind.
Das moderne Russland und davor die Sowjetunion versuchten seit langem, die Olympischen Spiele zu untergraben, wie es in der Analyse heißt. "Wenn sie nicht an den Spielen teilnehmen oder sie gewinnen können, versuchen sie, den internationalen Wettbewerb in den Köpfen der Teilnehmer, Zuschauer und der Weltöffentlichkeit zu untergraben, zu diffamieren und zu entwürdigen."
Russische Hacker im Fokus
Außerdem habe sich der Unmut des russischen Präsidenten Wladimir Putin und des Kremls über das Internationale Olympische Komitee verstärkt, habe dieses doch die Möglichkeit, Russland von den Spielen auszuschließen. Es sei zu erwarten, dass Bots und künstliche Intelligenz in den sozialen Medien Kampagnen lostreten und es Störaktionen von russischen Agenten vor Ort gebe. Das IOC hatte schon vor Monaten von gezielten russischen Kampagnen zur Desinformation und Diffamierung gegen die Organisation und Präsident Thomas Bach berichtet.
Russland weist die Anschuldigungen von sich. In einem Statement der russischen Botschaft in Paris war von einer "russophoben Desinformation in französischen Medien" die Rede. Russland mische sich niemals in die inneren Angelegenheiten Frankreichs ein und habe andere, wichtigere Prioritäten.
Das weltweit agierende Intelligence-Unternehmen Recorded Future nennt in einer Bedrohungs-Analyse für die Pariser Spiele als staatliche Akteure neben Russland auch Iran und Aserbaidschan. Das Land am Kaukasus hat Frankreich im Visier, weil Paris Armenien im Konflikt mit Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach unterstützt. In Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und Nahost-Konflikt erwartet Recorded Future Cyberattacken auf die Olympischen Spiele, weil sich Aktivisten die internationale Aufmerksamkeit zunutze machen wollten. Gruppierungen mit Verbindungen zur iranischen Regierung seien in der Lage, Hackerattacken mit schwerwiegenderen Auswirkungen zu verüben.
Höchste Terrorwarnstufe
"Die Anhänger des Islamischen Staates (IS) und der Al-Qaida in Europa beabsichtigen mit ziemlicher Sicherheit, die Olympischen Spiele in Paris anzugreifen", heißt es in dem Bericht von Recorded Future zur konkreten Gefahr von Anschlägen. Wegen der Sicherheitsvorkehrungen und der auf die höchstmögliche Stufe angehobenen Terrorwarnung seien erfolgreiche Anschläge aber unwahrscheinlicher geworden.
Auf die Gefahren während der Olympischen Spiele - insbesondere die von Cyberattacken -haben die französischen Behörden sich bereits frühzeitig eingerichtet. Vor zwei Jahren begann die nationale Cybersicherheitsbehörde ANSSI mit der Erstellung einer Strategie zur Abwehr von Attacken. Neben dem Schutz von Akteuren und Systemen und der Prävention beinhaltet die Strategie auch die Fähigkeit, auf konkrete Attacken während der Spiele zu reagieren, teilte die Regierung in Paris mit. (dpa/ad)