Die Option auf individuelle Förderung, das heißt Weiterqualifikation, zählt heute zum Anspruch von Berufseinsteigern und jungen Arbeitnehmern. Neben Work-Life-Balance trägt diese Forderung maßgeblich zum Interesse am Arbeitgeber sowie zur Bindung bei. Laut der Studie "Bewerbungspraxis 2015" der Universität Bamberg, an der 7000 Stellensuchende und Karriereinteressierte teilnahmen, gehen die Befragten eigenen Angaben zufolge nur dann auf Angebote ein, wenn sich die Möglichkeit der Weiterbildung bietet (82,7 Prozent) und klare Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt werden (75,8 Prozent).
Ein erfolgreiches Talent Management erfordert daher eine ganzheitliche Sicht: Gute Kampagnen beziehungsweise Maßnahmen im Recruiting zahlen sich langfristig nur dann aus, wenn sich im nächsten Schritt ein ebenso guter Onboarding-Prozess im Rahmen der Personalentwicklung von Talenten im Unternehmen anschließt.
Wie das Onboarding, sprich das "Hereinholen" des Mitarbeiters in die Abläufe sowie das Wissen der neuen Firma, aussehen kann, variiert je nach Unternehmen und Branche. Wie sich dieser Prozess in einem SAP-Dienstleistungsunternehmen gestalten lässt, behandelt exemplarisch dieser Beitrag. Dabei liegt der Fokus auf dem fachlichen Teil des Onboarding, der insbesondere den Bereich Softwareentwicklung abdeckt. Aspekte wie offene Kommunikation während des Bewerbungsprozesses, Vorbereitung des ersten Arbeitstags, Orientierung im Unternehmen sowie das Kennenlernen der Ansprechpartner als wichtige vorgeschaltete Maßnahmen werden hier nicht näher ausgeführt.
Wandel im Markt für IT-Services rund um SAP
Der SAP-Dienstleistungsmarkt hat sich in den letzten zehn Jahren verändert. Die Kunden erwarten heute Beratung im besten Wortsinne - also das "Liefern" eigener Ideen und Best Practices - und keine reine Personalvermittlung von Projektmitarbeitern. SAP-Spezialwissen und -Know-how sind ab der ersten Projektminute gefragt. Dadurch wird es für Beratungsunternehmen immer wichtiger, neue, junge Kollegen durch interne Ausbildungsprogramme mit dem notwendigen Rüstzeug zu versehen. Die Hochschulen können eine solche anbieterspezifische Ausbildung nicht oder nur unvollständig leisten.
Die veränderte Erwartungshaltung der Kunden hat Gründe. Zum einen ist die Disziplin Softwareentwicklung als wesentlicher Bestandteil von IT-Dienstleistungen reifer geworden. Wo früher Kreativität und Individualität sowohl für Lösungen als auch für Vorgehensweisen angesagt waren, stehen heute viel stärker Standardisierung, erprobte und einheitliche Methoden sowie Best-Practice-Ansätze im Vordergrund. Dies zeigt sich insbesondere bei Prozessen in der Softwareentwicklung, etwa bei Scrum oder in iterativ-agilen Modellen, aber auch bei Softwarearchitekturen wie zum Beispiel SOA oder SOLID-Prinzipien. Ziel ist es dabei, die Kosten für die Erstellung zu senken und vor allem die Komplexität der entstehenden Software über den gesamten Lebenszyklus hinweg beherrschbar zu machen.
Zum anderen ist speziell das Portfolio an SAP-Lösungen in den letzten Jahren immer größer und die Technologie zunehmend komplexer geworden. Um die Komplexität der heutigen SAP-Systemlandschaften zu beherrschen, benötigt es jedoch Fachkräfte. Diese können in den IT-Abteilungen der SAP-Anwenderunternehmen aus Kostengründen nicht für jedes einzelne Spezialgebiet dauerhaft beschäftigt werden. In diesen Fällen ist das Wissen des externen SAP-Beraters gefordert.
Exkurs: Beispiel SAP-Anwendungen bei Banken
Im Bankenumfeld sind detaillierte Kenntnisse der Lösungen aus dem Portfolio "SAP-for-Banking" in Kombination mit fachlichem Banking-Know-how sowie Hintergrundwissen über maßgebliche externe Einflussgrößen wie zum Beispiel regulatorische Anforderungen gefragt. Hintergrund hierfür ist unter anderem, dass Banken hinsichtlich der Entwicklung und des Betriebs ihrer Systeme deutlich weniger frei sind als noch vor zehn Jahren. Regulatorische Vorgaben beeinflussen heute sowohl strukturelle Fragen (zum Beispiel BCBS 239) als auch Vorgehensmodelle (zum Beispiel Vorgehensdokumentation nach GOBD). Der Trend, dass sich diese Vorgaben neben den reinen Business-Bereichen immer stärker auch auf klassische IT-Fragestellungen auswirken, scheint ungebrochen.
Intern können die Banken das hierfür nötige spezifische Know-how in Form von personellen Ressourcen teils nicht fortlaufend für den Bedarfsfall bereitstellen oder wollen es oft auch nicht. Sie treffen bewusst eine strategische Buy- statt Make-Entscheidung und kaufen Beratungsdienstleistungen rund um die SAP-Systeme ein.
Was Bewerber in der SAP-Beratung können müssen
Dem oben beschriebenen Wandel muss die Ausbildung von SAP-Beratern Rechnung tragen. Voraussetzung für einen erfolgreichen Einstieg in die SAP-Beratung ist in der Regel ein Bachelor- oder Master-Studium im Fach Wirtschaftsinformatik oder Informatik. Möglich sind auch vergleichbare Studiengänge, die stark auf logische Abläufe ausgerichtet sind und idealerweise auch Programmieranteile enthalten wie beispielsweise Physik. Da, wie eingangs erwähnt, eine SAP-spezifische Ausbildung an den Hochschulen nicht oder nur oberflächlich stattfindet, sind Vorkenntnisse über SAP-Systeme ein Vorteil, aber keine Voraussetzung für eine Einstellung. Auf diese Ausgangssituation muss der Onboarding-Prozess bei einem SAP-Dienstleister abgestimmt sein beziehungsweise darauf aufbauen.
Onboarding in der Praxis
Das Profil der Mitarbeiter im Bereich Development & Integration Services ist das des "beratenden Entwicklers". Im Rahmen des Onboarding-Prozesses gehört die Fähigkeit, in SAP-Umgebungen Software zu entwickeln, zur Grundausstattung. Einsteiger beginnen in der Regel ihre Laufbahn mit dem Schwerpunkt auf Softwareentwicklung, da das Wissen hierfür von den Universitäten meist schon in sehr guter Qualität vermittelt wurde. Das Einsatzgebiet wird dann - je nach individuellen Interessen und Fähigkeiten - auf inhaltlicher Seite stetig in Richtung Anforderungsanalyse, Konzeption und Testmanagement erweitert und auf organisatorischer Seite in Richtung Aufgabensteuerung und Projektmanagement.
Es handelt sich dabei bei innobis um einen standardisierten Prozess, der sich im Onboarding in der SAP-Beratung bewährt hat. Die Geschwindigkeit, in der er abläuft, wird an die Fähigkeiten der einzelnen Mitarbeiter angepasst.
Warum ist dieser Weg von Vorteil? Die Softwareentwicklung ist ein hochwertiger technischer Skill, bedeutet Wissensvorsprung und ist das Sprungbrett für eine qualifizierte Beratertätigkeit. Die Hochschulausbildung hat die besten Voraussetzungen dafür gelegt - die SAP-spezifischen Entwicklerkenntnisse (zum Beispiel ABAP) erwirbt der Berufseinsteiger aber im Onboarding-Prozess.
Über seine Entwicklertätigkeit ist der Mitarbeiter schnell in Projekten einsatzfähig, kann vor Ort zum Kunden, in verschiedenen Häusern Praxiserfahrungen sammeln und über sein Entwicklerwissen in kurzer Zeit Erfolge verbuchen. Daraus ergibt sich eine Win-win-Situation für alle Seiten: Der Kunde erhält Spezialwissen, der Berufseinsteiger schnell Anerkennung und der SAP-Dienstleister zufriedene Klienten. Die in den Projekten gewonnene Erfahrung ermöglicht es dann, das Tätigkeitsfeld sukzessive auszuweiten und "beratungsfähig" zu werden.
Häufig ist in Erstgesprächen mit Bewerbern eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Tätigkeitsfeld des Softwareentwicklers zu spüren. Bei näherer Betrachtung verbirgt sich dahinter oft die Sorge, von Kunden und Themen isoliert ausschließlich für die Umsetzung "im Keller" zuständig zu sein. Diese Bedenken versucht innobis schnell zu zerstreuen, weil von Beginn an alle Mitarbeiter an der Lösungsfindung, Kundenberatung sowie an kreativen Prozessen im Rahmen von Forschung und Entwicklung beteiligt sind. Die Kandidaten dürfen aber die hochwertige Qualifikation des Softwareentwicklers nicht gering einschätzen.
Insgesamt durchläuft jeder Berufseinsteiger im Bereich Development & Integration Services in den ersten drei bis sechs Monaten neben individuellen Schulungen einen Standardschulungskatalog. Dazu zählen außer einer obligatorischen Zertifizierung im Bereich ABAP-Softwareentwicklung, Soft-Skills-Schulungen sowie externe und interne Bank- und IT-Schulungen.
Messgrößen für den Erfolg im Onboarding
Für ein zielgerichtetes und erfolgreiches Talent Management ist es wichtig, den Markt, die Hochschulen und Absolventen zu verstehen und das Onboarding darauf auszurichten. Die offensichtlichste Messgröße für den Erfolg ist, wenn das SAP-Beratungsunternehmen durch die inhaltliche Ausgestaltung und Kommunikation des Onboarding-Prozesses die gewünschte Zahl an neuen, passenden Mitarbeitern gewinnt. Eine geringe Fluktuationsquote beziehungsweise lange Firmenzugehörigkeit sind die nächsten Indikatoren für ein funktionierendes System. Und nicht zuletzt sprechen die positive Resonanz von Kunden sowie gute Firmenbewertungen der Mitarbeiter auf Social-Media-Plattformen wie Kununu für ein stimmiges Konzept.