Eine aktuelle Umfrage des Handelsinstituts ECC aus Köln zeigt, dass Online-Händler in Deutschland mehrheitlich nicht die Kundenwünsche beachten, wenn es um die Mitbestimmung bei der Auswahl der Paketauslieferer geht. Dies steht nicht nur in krassem Widerspruch zu dem ansonsten üblichen Gerede von absoluter Rücksicht auf Kundenwünsche, Social Media oder Communities, sondern könnte auch mittel- und langfristig die eigenen Geschäftsaussichten eintrüben oder gar vermasseln.
Dabei war das letzte Weihnachtsgeschäft zufrieden bis gut verlaufen, und das ECC stellt für Februar nach dem kurzen Einbruch zu Anfang des Jahres wieder eine "steigende Stimmung" bei den Online-Händlern fest. Der Branche geht es insgesamt gut, die Marktanteile steigen kontinuierlich: "Mehr als die Hälfte der Online-Händler geht von steigenden Umsätzen aus. Weniger als 10 Prozent schauen pessimistisch in die Zukunft."
Dennoch sind die meisten Online-Händler bei der Wahl der Zustellung der bestellten Produkte wenig flexibel, stellt man beim ECC fest: "Nur wenige Händler überlassen den Kunden die Wahl des Zustelldienstleisters, obwohl dies vielfach gewünscht ist." Die Februar-Erhebung des ECC-Konjunkturindex deckt auf, dass sich die klare Mehrheit der Online-Händler an einzelne Zustelldienste als feste Vertragspartner gebunden hat. Das Kernergebnis der aktuellen Umfrage lautet demnach: "Gerade einmal knapp 16 Prozent der befragten Online-Shop-Betreiber bieten ihren Kunden an, zwischen verschiedenen Zustelldiensten auszuwählen."
Dabei sind Versand- und Lieferbedingungen zentrale Erfolgsfaktoren
Dieses Verhalten ist nicht selbstverständlich, da Versand- und Lieferbedingungen bekanntlich zu den zentralen Erfolgsfaktoren im E-Commerce zählen. Auch andere Umfragen bestätigen, dass die tatsächlichen und zukünftigen Konsumenten großen Wert auf die Auswahlmöglichkeit zwischen den verschiedenen Zustelldiensten legen, die es heute am Markt gibt. Zu den Unterscheidungsmerkmalen auf Kundenseite zählen laut ECC zum Beispiel "die Retourenmöglichkeit oder die Nähe eines Anbieters zum eigenen Wohnort".
Nach dem Fall des Postmonopols tummeln sich die unterschiedlichsten Anbieter am Markt, von zwiespältig und unzuverlässig bis zu Mittelmaß und schließlich bis hin zu garantiert pünktlich und mit IT-gesteuerter Logistik arbeitenden Dienstleistern wie UPS oder FedEx, die rund um den Globus aktiv sind. Entsprechend breit gelagert sind auch die Preise.
75 Prozent bieten nur einen Versanddienstleister an
Das ECC konstatiert allerdings in dieser Frage eine unverändert ablehnende Haltung auf Seiten der Web-Shops: "Die Relevanz des Themas Versand und Lieferung ist bei den Online-Händlern scheinbar noch nicht präsent genug. Fast drei Viertel der Befragten bieten den Versand über nur einen Dienstleister an und planen auch keine Erweiterung des Angebots." Lediglich 11,8 Prozent der befragten Händler planen für die Zukunft, weitere Zustelldienste in ihr Angebot aufzunehmen.
Die Gründe für die starre Haltung der meisten Online-Shops liegen auf der Hand, wenn sie auch nicht laut und deutlich ausgesprochen werden: Mehrere Versandunternehmen mit der Auslieferung der bestellten Waren zu betrauen, kostet nicht nur mehr, sondern erhöht auch die Komplexität der Lagerhaltung und Logistik. Auf Deutsch: Man müsste flexibler sein. Dieser wesentliche Aspekt fehlt völlig bei den publizierten Resultaten der ECC-Umfrage.
Statt in dieser Hinsicht zu investieren oder Abzüge am Umsatz einzukalkulieren, belässt es die große Mehrheit der deutschen Online-Händler beim Status quo. Und nimmt damit in Kauf, dass sie ihren Kunden permanenten Anlass zu Unzufriedenheit und Ärger liefert. Diese monieren eine oft langsame und unzuverlässige Zustellung. Viele Waren entsprechen zudem nicht den Kundenwünschen oder sind gar beschädigt.
Service bei Abwesenheit
Stein des Anstoßes für viele Kunden ist ferner der Service des Transportunternehmens, wenn eine Lieferung wegen Abwesenheit nicht zugestellt werden kann. Eine ordentliche Benachrichtigung oder ein zweiter und dritter Versuch am nächsten und übernächsten Tag, am besten zu einer mit dem Call Center verabredeten Uhrzeit, sind keineswegs die Regel.
Selbstabholen bei Post und DHL inklusive garantiertem Schlangestehen am Samstag, wenn sich dort die berufstätigen Singles der Umgebung alle zur gleichen Zeit einfinden, ist vielleicht noch die einfachste Konsequenz. Ärgerlicher wird es, wenn man einen oder zwei Tage vergeblich zu Hause auf eine neue Zustellung wartet oder wenn das heute eigentlich selbstverständliche Tracking der Sendung im Internet nicht funktioniert oder erst gar nicht angeboten wird.
Premium-Versand nur halbe Lösung
Premium-Versand gegen einen Aufpreis – also zuverlässiger, schneller und mit einem der als bewährt geltenden Auslieferer – kann als eine passable Zwischenlösung gelten, solange die Shops kein breites Spektrum an Versendern anbieten wollen. Diese Variante kommt dem Kundeninteresse auf halbem Wege entgegen, auch wenn man dafür einen Extrabetrag zahlen muss. Zugleich bindet man diese Kunden so enger an den Online-Shop.
Viele Online-Shops verlassen sich gegenwärtig aber bei ihrer Strategie darauf, dass die Kunden nicht auf ihren Wünschen insistieren oder zu einem anderen Anbieter wechseln. Und das ECC kann sie beruhigen: "Bei den Online-Shoppern steigt die Kauflaune", heißt es anlässlich der Februar-Umfrage.