Analysten-Kolumne

Open BPM schafft Open SOA

21.06.2007 von August-Wilhelm Scheer
Hinter Service orientierter Architektur (SOA) steckt ein Paradigmenwechsel der Software-Entwicklung. Nicht nur altbekannte Forderungen wie hohe Modularisierung und Wiederverwendbarkeit setzt SOA um, sondern SOA vollzieht auch den Wandel von der applikations- zur user-zentrierten Software-Entwicklung.

Die Benutzer können Services leichter austauschen und neu kombinieren, wodurch die Grenze zwischen Standard-Software und (montage-orientierter) Eigenentwicklung aufweicht. Die Rolle der IT im Unternehmen ändert sich dadurch und auch die Bedeutung des Geschäftsprozess-Managements. Durch SOA können Geschäftsprozesse einfacher verändert werden, womit sich neue Produkte schneller und variantenreicher entwickeln und herstellen lassen.

Im Zentrum der aktuellen SOA-Diskussion, die hauptsächlich von den großen, einhellig auf SOA setzenden Software-Herstellern getrieben wird, stehen derzeit noch die technischen Eigenschaften. Jeder Anbieter entwickelt seine eigene Plattform: Bei SAP heißt sie Netweaver, bei Oracle Fusion, Microsoft nennt sie dot.net und IBM Websphere. Selbst wenn die Anbieter bei ihren Konzepten technische Standards verwenden, werden zum Schluss proprietäre Systeme entstehen, die durch Schnittstellen miteinander verbunden werden müssen. Da man Neuland betritt, entwickeln die Hersteller auch eigene Modellierungsmethoden zur Beschreibung der technischen Aspekte der Services. Diese sind zudem in einer ständigen Weiterentwicklung. Die technisch orientierte Standardmodellierungsmethode BPEL (Business Process Execution Language) zur Montage von Services ist zwar eine gute Hilfe, aber alleine nicht ausreichend.

Für ein Anwendungsunternehmen stehen nicht die technischen Fragen, sondern die Nutzenfaktoren von SOA im Vordergrund. Wie kann ich meine neue Geschäftsidee schneller realisieren, welche Organisation, welche Prozesse und Kompetenzen brauche ich dafür? Hierfür muss der Unternehmer oder Manager größtmöglichen Spielraum haben. Er braucht eine Beschreibungsebene für seine Business-Modelle und -Prozesse, die unabhängig von der späteren Implementierung ist. Deshalb fordert er Unabhängigkeit von technischen Systemen und herstellerspezifischen Konventionen.

Aus diesem Grund verfolgt IDS Scheer eine IT-herstellerunabhängige Strategie. Das Anwendungsunternehmen soll seine Geschäftsprozessstrategie unabhängig von der späteren IT-Strategie festlegen, gleichzeitig aber später die betriebswirtschaftlichen Prozessmodelle zur Montage und Konfiguration der SOA-Systeme nutzen können.

Da auf der technischen Ebene eine völlige Offenheit von SOA wegen der herstellerbezogenen Entwicklungen und fehlender Standardisierung semantischer Inhalte der Services nicht zu erreichen ist, muss und kann dies aber auf der betriebswirtschaftlichen Ebene erfolgen.

Offenes SOA ist deshalb primär betriebswirtschaftlich offenes BPM, das freie Hand bei der Organisationsgestaltung lässt und gleichzeitig mit der Implementierungsebene verbunden ist.
Offene Modelle auf Business-Niveau machen das Thema zum strategischen Instrument. Neuen Anwendungsszenarien sind keine Grenzen gesetzt. Nur Open BPM schafft Open SOA.

Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer ist Aufsichtsratsvorsitzender der IDS Scheer AG und war Direktor des Instituts für Wirtschaftsinformatik an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken.