Die Fusion Applications sind Teil eines groß angelegten Entwicklungsprojekts, das Oracle nach der Übernahme der ERP-Hersteller J.D. Edwards und Peoplesoft, sowie dem CRM-Anbieter Siebel angestoßen hatte. Ursprünglich wollte der Datenbankprimus die besagte Business-Suite schon 2008 auf den Markt bringen. Nun nimmt das Projekt endlich konkretere Formen an: Die übernommenen ERP- und CRM-Lösungen wurden in ein modulares Produkt zusammengeführt, das nächstes Jahr auf den Markt kommen soll. Laut Christian von Stengel, Senior Director Application Sales bei Oracle Deutschland, sind die neuen Business-Anwendungen auf einem guten Weg: "Die Funktionen sind alle komplett neu entwickelt und das Produkt ist bereits code-complete." Zudem würden bereits Hunderte Beta-Kunden an den Tests teilnehmen.
SOA lebt
Nach dem Hype standen die Service-orientierten Architekturen (SOA) immer wieder in der Kritik. Vor allem in Zeiten der Krise wurden die Diskussionen über den geschäftlichen Nutzen von SOA immer lauter. Anfang des Jahres schrieb beispielsweise die renommierte Analystin Anne Thomas Manes von der Burton Group in ihrem Blog, dass die Rezession SOA den Todesstoß versetzt habe. Statt eines Heilsbringers habe sich SOA in den meisten Unternehmen zu einem "großen gescheiterten Projekt" entwickelt, urteilt sie. Nachdem Firmen Millionen in das Konzept investiert hätten, ständen IT-Systeme nicht besser da als zuvor. Die mit dem Konzept verbundenen Versprechen seien einfach nicht eingelöst worden, so die Expertin.
Dieser Ansicht können Oracle-Experten indes wenig abgewinnen. So bauen die neuen Business-Applikationen auf eine Service-orientierte Architektur auf, die die Integration von ERP-, CRM- und weiteren Systemen in komplexen Umgebungen, etwa bei weltweit agierenden Großunternehmen, deutlich vereinfachen soll. Das Kernstück der Plattform bildet dabei die "Oracle AIA" (Application Integration Architecture). Das Framework basiert auf der "Business Process Execution Language" (BPEL), einer Technologie zur Orchestrierung von Geschäftsprozessen über Unternehmensgrenzen hinweg. Es bietet Anwendern von Oracle-Produkten und ERP-Systemen vorgefertigte Integrationsschnittstellen, die die Gestaltung von unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen mittels Web-Services ermöglichen sollen. Die technischen Grundlagen für die Integrations-Plattform AIA sowie für die Entwicklung von Fusion Applikationen stellt die "Oracle Fusion Middleware" bereit.
Die angekündigte Business-Suite wird laut Hersteller Module für die Finanzbuchhaltung, Personalverwaltung, Marketing und Vertrieb, Supply Chain Management, Projekt-Management, sowie Einkauf enthalten. "Die Module werden heute bestehende Funktionen ersetzen und außerdem neue Funktionen bereitstellen", erklärt von Stengel. Ferner soll es Funktionen geben, die Firmen dabei unterstützen, gesetzlichen Auflagen nachzukommen und Unternehmensrisiken zu verwalten. Andere Bereiche, etwa Manufacturing, sollen erst später folgen.
Die Vorteile der Integration von ERP und CRM sind vielfältig. So lassen sich beispielsweise Kundenprozesse reibungsloser abwickeln und mit anderen Unternehmensprozessen besser verzahnen, wenn das Kundenmanagement mit der Warenwirtschaft verbunden ist. Durch die Kopplung beider Systeme wird zudem eine doppelte Datenpflege und die damit verbundenen Risiken und Administrationsaufgaben vermieden. Legt der Sachbearbeiter einen neuen Auftrag an, können etwa die Auftragskopfdaten und die Kundendaten aus dem CRM- in das ERP-System automatisch überführt werden.
Neukunden im Visier
Die Migration auf die neuen Anwendungen sei für Kunden mit einem Wartungsvertrag kostenfrei, erklärt der Hersteller. Dank "Applications Unlimited" und dem "Lifetime Support" seien Oracle-Kunden ferner nicht dazu gezwungen, zu Fusion-Anwendungen aufzurüsten, sondern könnten zu einem beliebigen Zeitpunkt upgraden, sofern sie das möchten. Dazu die Deutsche Oracle Anwendergruppe (DOAG): "Die Fusion Applications eignen sich vor allem für Neukunden. Diesen empfehlen wir aber, genau zu prüfen, ob wirklich alle für sie erforderlichen Funktionen bereits vorhanden sind." Ist dies nicht der Fall, sei eine Einführung der bisherigen Anwendungen - die ja bereits in hohem Maße die Möglichkeiten der Oracle-Middleware Fusion nutzen - und eine spätere Migration auf die Fusion Applications eindeutig zu bevorzugen."
Wie Oracle erklärt, werden die Fusion Applications sowohl als SaaS (Software as a Service) als auch herkömmlich auf dem eigenen Firmenserver (On Premise) oder in einer beliebigen Mischform angeboten.