Oracle und Microsoft haben eine Cloud-Interoperabilitäts-Partnerschaft bekannt gegeben. Demzufolge könnten Anwenderunternehmen Azure-Services wie Analytics und KI in der Microsoft-Cloud nahtlos mit Oracle Cloud-Diensten wie der Autonomous Database verbinden. Außerdem soll es künftig möglich sein, Business-Anwendungen auf Azure und die Oracle-Cloud zu verteilen. Beispielsweise könnten Unternehmen Oracle-Anwendungen wie JD Edwards EnterpriseOne, die E-Business Suite und PeopleSoft wie auch Branchenlösungen wie Oracle Retail und Speziallösungen wie die BI- und Planungssoftware Hyperion auf Azure betreiben und mit Oracle Datenbanken wie RAC, Exadata und der Autonomous Database verbinden, die in der Oracle Cloud bereitgestellt werden.
Dafür will Oracle seine Anwendungen für den Betrieb in der Microsoft-Cloud zertifizieren. Auch die Oracle-Datenbank werde weiterhin für Azure unter verschiedenen Betriebssystemen, einschließlich Windows Server und Oracle Linux, zertifiziert sein, hieß es. Aktuell ist die Cloud-Interoperabilität für Oracles Cloud-Zentrum in Ashburn (Nordamerika) und die Microsoft-Azure-Lokation US East verfügbar. Weitere Regionen sollen folgen.
Neben einer Netzwerkverbindung zwischen den Cloud-Infrastrukturen beider Anbieter sollen Nutzer auf ein einheitliches Identity- und AccessManagement via Single-Sign-on, ein automatisiertes User-Provisioning für die Azure- und Oracle-Cloud sowie ein Cloud-übergreifendes Ressourcen-Management zurückgreifen können. Die beiden Anbieter sprachen ferner von einem One-Stop-Shopping-Modell für alle Cloud-Services und -Anwendungen, die Kunden für ihre Geschäftsanforderungen benötigten, sowie von einem kollaborativen Supportmodell unter Nutzung bestehender Supportkontakte und -prozessen.
Microsoft: Allianz eine logische Konsequenz
"Oracle und Microsoft bedienen seit Jahrzehnten die Bedürfnisse von Unternehmen weltweit", sagte Don Johnson, Executive Vice President Oracle Cloud Infrastructure (OCI). "Mit dieser Partnerschaft können unsere gemeinsamen Kunden all ihre bestehenden Anwendungen problemlos in die Cloud migrieren." Der Aufwand für Änderungen der Lösungsarchitektur entfalle, die bereits getätigten Investitionen würden geschützt.
Diese Allianz sei eine logische Konsequenz, ergänzte Scott Guthrie, Executive Vice President für den Bereich Cloud und künstliche Intelligenz bei Microsoft. Es gehe darum, gemeinsamen Kunden dabei zu helfen, die Migration von Anwendungen und Datenbanken in die Public Cloud voranzutreiben. Mit diesem Cloud-Pakt setzt Microsoft seine Öffnungspolitik konsequent fort. Der Softwarekonzern verfolgt seit Jahren die Strategie, die eigene Plattform für Lösungen von Drittanbietern zu öffnen und Ökosysteme zu schaffen, in denen Software verschiedener Hersteller integriert zusammenspielt. Die Open Data Initiative, die Microsoft gemeinsam mit Adobe und SAP ins Leben gerufen hat, und in der es darum geht, dass Daten problemlos zwischen den Softwarewelten der einzelnen Hersteller hin und her fließen können, ist ein Beispiel für diese Firmenpolitik.
Oracle vollführt Kehrtwende in seiner Cloud-Politik
Für Oracle deutet die Kooperation mit Microsoft dagegen auf einen Strategieschwenk hin. Während sich Konkurrenten wie SAP, Salesforce und Microsoft zuletzt redlich bemüht zeigten, Offenheit zu demonstrieren und mit schöner Regelmäßigkeit neue Kooperationen und Partnerschaften ankündigten, verfolgte das Oracle-Management eher einen Closed-Shop-Ansatz. Kunden sollen sich in erster Linie aus dem Oracle-Sortiment bedienen. Das reicht von den Anwendungen über die Infrastruktursoftware bis hin zu den Cloud-Ressourcen.
In diesem Stack seien sämtliche Komponenten integriert und würden reibungslos und sicher zusammenspielen, so das Argument der Oracle-Verantwortlichen. Wer neue Features beispielswiese für mehr Sicherheit oder Automatisierung nutzen möchte, muss sich allerdings weitgehend von Oracle-Technologien abhängig machen. Das wurde einmal mehr auf der letztjährigen Oracle-Hausmesse OpenWorld deutlich. Ellison betonte dort, dass nur die Oracle-Cloud dafür ausgelegt sei, auch die eigene autonome Datenbank zu betreiben.
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An der Konkurrenz ließ der Oracle-Gründer in der Vergangenheit kein gutes Haar. Vor allem Amazon Web Services (AWS) nahm Ellison immer wieder aufs Korn. Deren Cloud-Infrastruktur sei nicht für Enterprise-Anforderungen ausgelegt. Die Cloud-Datenbank von AWS setzte er mit einem halb-autonom fahrenden Auto gleich. "Sie steigen ein, fahren los und sterben", ätzte Ellison im Herbst vergangenen Jahres. Die Oracle-Datenbank funktioniere dagegen voll autonom. "Hier muss keiner sterben."
Pakt zielt auf Konkurrenten AWS
So mutmaßen denn auch Analysten, dass das Bündnis mit Microsoft ein Signal in Richtung AWS setzen soll. "Schließlich ist es kein Geheimnis, dass Oracle mittlerweile AWS als seinen größten Konkurrenten im Markt für Datenbanken sieht", sagt Gartner-Analyst René Büst. Allerdings lasse die Kooperation noch Fragen unbeantwortet. Beispielsweise, ob für Kunden weiterhin Kosten für den Datentransfer entstehen, wenn sie große Mengen an Informationen zwischen den beiden Cloud-Plattformen hin und her bewegen.
Im Großen und Ganzen schaffen sich beide Anbieter damit aber die Möglichkeit, gemeinsam auf Kunden zuzugehen, lautet Büsts Resümee. "Dieser Schritt kann sowohl Microsoft als auch Oracle dabei helfen, Kunden anzusprechen, die bereits Services von beiden Anbietern einsetzen, ohne den anderen unbedingt ausstechen zu müssen."
Neuer Schwung für Oracles lahmendes Cloud-Geschäft?
Mithilfe von Microsoft könnte Oracle sein Cloud-Business doch noch in Schwung bringen. Zuletzt hatten sich die Hinweise verdichtet, dass Oracle Probleme in dem so wichtigen Zukunftsmarkt hat. Gartner zufolge dominiert AWS mit einem Marktanteil von deutlich über 50 Prozent als unangefochtener Marktführer das globale Infrastructure-as-a-Service-Geschäft (IaaS). Microsoft, Alibaba und Google folgen mit deutlichem Abstand. Oracle taucht als eigenständiger Cloud-Anbieter nicht in den Rankings auf, sondern verschwindet unter "Sonstige Anbieter".
Ferner hatten Analysten Oracle dafür kritisiert, mittels geänderter Bilanzierungspraktiken seine enttäuschenden Cloud-Wachstumsraten zu verschleiern. Listete Oracle bis zum dritten Quartal des Finanzjahrs 2018 noch dediziert die Einnahmen mit SaaS- sowie zusammengefasst mit PaaS- und IaaS-Angeboten auf, verschwanden die Cloud-Umsätze seit dem darauf folgenden vierten Fiskalquartal in dem Posten "Cloud Services and License Support" - also Cloud-Einnahmen plus dem für Oracle wichtigen Umsatzbringer Wartung und Support für herkömmliche On-premise-Lizenzen. Auch in ihrer Kommentierung zum Cloud-Geschäft wurden die Oracle-Verantwortlichen immer einsilbiger.
Kunden würden bestehende Lizenzen weiter in der Cloud nutzen, hatte Oracles Co-CEO Safra Catz im vergangenen Jahr die veränderte Bilanzierung zu rechtfertigen versucht. Damit fielen weiterhin Wartungsgebühren an, aber eigentlich handele es sich bereits um Cloud-Geschäft. Vorwürfe, Oracle verstecke seine Cloud-Zahlen, um Schwächen in diesem Geschäftsbereich zu vertuschen, wies die Managerin zurück.
Den Verdacht, dass es um Oracles Cloud-Business nicht gut bestellt sei, konnte Catz allerdings nicht entkräften. Man könne davon ausgehen, dass sich das Cloud-Wachstum auf einem bestimmten Niveau eingependelt habe, während die klassischen On-premise-Umsätze weiter zurückgingen, stellte 2018 Angela Eager fest, Research Director bei TechMarketView. Den Mangel an Cloud-Transparenz bezeichnete die Analystin als frustrierend. Cloud- und On-premise-Umsätze nicht zu trennen, stehe im Widerspruch zur bisherigen Berichterstattung sowie den Gepflogenheiten der Wettbewerber im Softwaremarkt.
Machtkampf um Oracles Cloud-Strategie
Der Cloud-Pakt mit Microsoft kann als Zeichen gedeutet werden, dass sich die Pragmatiker im Oracle-Management durchsetzen. Im vergangenen Jahr gab es Anzeichen für einen Machtkampf in Reihen der Oracle-Führung, wie die künftige Cloud-Strategie aussehen sollte. Ende September 2018 hatte der Datenbankkonzern in einer spröden Mitteilung an die US-Börsenaufsicht erklärt, Produktchef Thomas Kurian habe das Unternehmen verlassen. In dieser Position verantwortete Kurian, seit 1996 bei Oracle, auch das Cloud-Geschäft und berichtete direkt an Ellison.
Spekulationen zufolge soll es zwischen beiden Managern Streit über den Cloud-Kurs gegeben haben. Demzufolge hatte Kurian dafür plädiert, Oracle-Software mehr für die Cloud-Infrastrukturplattformen von Wettbewerbern wie Amazon Web Services (AWS) und Microsofts Azure zu öffnen und damit die Basis für das eigene Cloud-Geschäft zu verbeitern. Dem wollte Ellison zum damaligen Zeitpunkt offenbar nicht folgen. Das scheint sich mittlerweile geändert zu haben. Den Pakt mit dem einstigen "Erzfeind" Microsoft wollte Ellison allerdings nicht kommentieren. Das überließ er dem neuen Cloud-Chef Johnson.