Nürnberg im November: Oracle-Kunden versammeln sich zum Jahrestreffen der Deutschen Oracle Anwender Gruppe, kurz DOAG. Workshops, Vorträge, Diskussionen. Es geht um Kosten, Komplexität, Support und Lizenzen.
Vor allem für Konzerne hat sich in puncto Lizenzen in den vergangenen Jahren einiges getan. Seit 2006 bietet Oracle in Deutschland ULA, Unlimited License Agreement, an. Dabei handelt es sich um eine pauschale Konzernlizenz, die die Nutzungs- und Wartungsbedingungen jeglicher Oracle-Software bündelt. Das Besondere: Bei Vertragsabschluss verzichtet Oracle auf die Festlegung einer bestimmten Lizenzzahl. Der Preis wird auf Grundlage einer gemeinsamen Verbrauchsprognose verhandelt. Die Anzahl der lizenzierten Produkte wird jedoch im Vertrag als "unlimitiert" gekennzeichnet.
Erst nach Ablauf des Vertrages - zwischen zwei und fünf Jahren - wird ermittelt, wie viel Oracle-Software genutzt wurde. Bleibt das Unternehmen unter der Schätzung vom Anfang, so kommt es nicht zu Erstattungen, und der Support-Strom für die Zukunft bleibt konstant - Pech gehabt. Dann gilt es, für den Folgevertrag eine bessere Prognose zu erstellen. Übersteigt aber die tatsächliche Nutzung die ursprüngliche Annahme, hat der Kunde bezüglich der Lizenzanzahl Glück gehabt. Er bekommt die tatsächlichen Lizenzen festgeschrieben, der einst vereinbarte Support-Strom bleibt konstant, und Oracle fordert auch nichts nach - ein oft sehr gutes Geschäft für den Kunden.
Nicht in den Schlaf wiegen lassen
Den Kunden bietet die ULA eine Reihe von Erleichterungen, erklärt Christian Grave, Geschäftsführer der auf Lizenzberatung spezialisierten ProLicense GmbH. "Das Unternehmen kann bessere Rabatte aushandeln. Es plagt sich nicht mit der komplizierten Lizenzierung bei Virtualisierung und ist auf einen Schlag hinsichtlich der aufgenommenen Produkte compliant", zählt er einige Pluspunkte auf. Auch verringert das vermeintliche Rundum-Sorglos-Paket den Aufwand für das Lizenzmanagement, die Verwaltung von Verträgen und die Koordination zwischen IT-Einkauf und -Nutzung.
"Diese Vorteile sind für viele Unternehmen zu Recht attraktiv", sagt Grave. Doch er warnt davor, sich in Schlaf wiegen zu lassen. "Wer denkt, mit der ULA auch die Beschäftigung mit Oracle-Lizenzen vernachlässigen zu können, irrt." Unternehmen, die während der ULA-Laufzeit ein strukturiertes Lizenz-Management betreiben, nutzten den Vertrag besser.
Die Paketierung ist nicht prinzipiell die richtige Lösung. Sie kann zu einer größeren Abhängigkeit oder zu hohen Kosten führen. Der wichtigste Schritt gegen diese Falle: "Der CIO sollte sich seiner eigenen Ziele und denen seiner Verhandlungspartner bewusst sein, um einen optimalen Vertrag verhandeln zu können", sagt Grave. Ein genauer Blick in die Geschäftszahlen des Softwareherstellers zeigt, welche Begehrlichkeiten bei Oracle in den vergangenen Jahren geweckt wurden.
Bemisst man das Kerngeschäft des Konzerns daran, womit er am meisten Geld verdient, so ist Oracle kein Softwarehaus, sondern ein Wartungs- und Support-Haus. Aus diesen sogenannten softwarenahen Services fließen schon länger die wesentlichen Einnahmen. Im Geschäftsjahr 2010 immerhin 13,1 Milliarden Dollar, was nahezu die Hälfte (49 Prozent) des Jahresumsatzes ausmacht. Dieselbe Entwicklung, wenn auch in kleineren Dimensionen, spielt sich übrigens auch bei SAP ab.
Mindestens 85 Prozent Marge
"Oracles Ziel ist es, die regelmäßig fließenden Wartungseinnahmen zu sichern und weiter zu steigern", sagt Grave. Ein durchaus legitimes Interesse, sorgen doch die Wartungsgebühren vor allem dafür, dass Oracle einen kräftigen Profit einstreicht. Denn von den 13,1 Milliarden Dollar Servicegebühren flossen mindestens 85 Prozent direkt in den Gewinntopf.
Die Cashcow des Unternehmens ist also die Wartung. Und sie gilt es nun zu melken. Nicht nur, weil es so gut funktioniert, sondern auch, weil niemand weiß, wie lange die Kuh noch Milch geben wird: On-Demand steht vor der Tür und damit eine Änderung grundlegender Vertragsbestandteile mit den Kunden. Nicht auszuschließen ist auch ein Eingreifen der Wettbewerbsbehörden. Gerade erst hat man in der Automobilindustrie vorgemacht, wie wenig die EU von der Bindung Produkt und Services hält.
Mindestens zwei Szenarien also, die Oracle dazu treiben, mehr Kunden möglichst eng an sich zu binden. Mit der ULA kann das gelingen. Da alle Konditionen und Lizenzrechte in nur noch einem Vertragswerk festgelegt sind, kann der CIO Teilbereiche nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll heraustrennen, was den Support-Strom für Oracle sichert. "Da die Zahl der Lizenzen nicht festgeschrieben ist, verlockt die Pauschalgebühr außerdem zu einer verstärkten Nutzung von Oracle-Software", sagt Grave. In dem einen oder anderen Projekt hätte sich das Unternehmen aber vielleicht für einen anderen Anbieter entschieden.