Herr Klemrath, was würden Sie derzeit als das Vorzeigeprojekt der Barmer Ersatzkasse bezeichnen?
Wir haben 2002 begonnen, unsere Kern-Anwendungssysteme stufenweise durch die SAP-basierte Lösung des AOK-Systems, oscare, zu ersetzen. Voraussetzung hierfür war, die IT-Arbeitsplätze auf Basis der Citrix-Technologie zu erneuern und ausreichende Netzkapazitäten zu schaffen. Die Einbindung der 1.000 Standorte mit über 40.000 Endgeräten - Telefone, Thin Clients, Fat Clients, multifunktionalen Endgeräten - in ein VoIP-Netz ist eine serviceorientierte und wirtschaftliche Lösung. Nachdem diese Voraussetzungen in 2005 geschaffen waren, konnte die produktive Nutzung der ersten Stufe der oscare-Lösung im Beitragswesen im Herbst 2006 umgesetzt werden.
Hat sich dadurch auch der Ruf der IT in Ihrem Unternehmen verbessert?
Ein Projekt dieser Dimension ist bei aller noch so sorgfältiger Planung und Vorbereitung nicht ohne Anlaufschwierigkeiten umzusetzen. Für die Mitarbeiter war die Oberfläche der SAP-Software zunächst gewöhnungsbedürftig. Ebenso hatten wir zu Beginn Performance-Probleme, es kam zu einzelnen Systemausfällen. Um gerade in der Startphase eine möglichst gute Kommunikation vor Ort sicher zu stellen, wurden spezielle Ansprechpartner in den Geschäftsstellen benannt und geschult. Die Erneuerung der IT-Landschaft wird von den Mitarbeitern begrüßt, ja geradezu gefordert. Um die Investitionskosten in einem vernünftigen Rahmen zu halten, wurde im April 2006 die gkv informatik mit sieben AOKen gegründet. Hierdurch können wir Synergieeffekte nutzen, die Kosten minimieren und mit modernen Software-Lösungen den Service für die Versicherten weiter verbessern.
Die Politik will die Einführung der Gesundheitskarte beschleunigen und dabei gegebenenfalls darauf verzichten, die Tests von 10.000 auf 100.000 Versicherte auszudehnen. Halten Sie das für sinnvoll?
Grundsätzlich ist die Barmer für einen zeitnahen Roll-out der eGK. Entscheidend aus unserer Sicht ist allerdings, dass unsere Versicherten die Karte akzeptieren. Um das zu gewährleisten, müssen Sicherheit und Robustheit des Gesamtsystems sichergestellt sein. Hierfür und um die Skalierbarkeit der Telematik-Infrastruktur zu überprüfen, halten wir die 100.000er Tests für wichtig und unverzichtbar.
Entscheidend ist, dass die Telematik-Infrastruktur und die eGK nur innerhalb eines Online-Szenarios ausgerollt werden, um die Potenziale der Karte zu nutzen. Vor allem im Hinblick auf die Aktualität der Daten ist das für alle im Gesundheitssystem handelnden Personen wichtig. Die Barmer unterstützt daher aktiv die Vorbereitungen des FuE-Projektes ProOnline-VSDD, das ein Vorziehen des Online-Tests des VSDD in den Testregionen zum Ziel hat. Von der zeitlichen Abfolge her ist ein vorheriger Roll-out von eGK-fähigen Kartenlesern bei den Leistungserbringern - wie er aktuell von der gematik (Betriebsorganisation für die Einführung der Gesundheitskarte, Anm. der Redaktion) geplant wird - sinnvoll. Dabei muss sichergestellt sein, dass ausschließlich von der gematik zertifizierte Hardware zum Einsatz kommt. Diese muss wie die Gesundheitskarte updatefähig sein, damit nicht nachträglich Komponenten ausgetauscht werden brauchen.
Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit Ihrer Kasse mit den Ärzten, die im Hinblick auf die Gesundheitskarte - Stichwort fehlender Datenschutz - noch große Bedenken haben?
Dass bei den Verhandlungen über die notwendigen vertraglichen Rahmenbedingungen für die Telematik-Infrastruktur auch standespolitische Aspekte eine Rolle spielen, ist aus unserer Sicht normal.
Wir halten bei der Diskussion um den Datenschutz eine Versachlichung der Debatte für dringend notwendig. An der Sicherheit der Daten unserer Versicherten werden wir keinerlei Abstriche zulassen. Aus diesem Grund unterstützen wir die Bemühungen für einen gemeinsamen Rollout der Gesundheitskarte Region für Region durch die gesetzlichen Kassen. Nur so können die Versicherten wie die Leistungserbringer vor Ort bestmöglich informiert und unterstützt werden. Polemik und das Schüren von Ängsten sollten dagegen außen vor bleiben.
Gibt es noch ein weiteres gemeinsames Gesundheitsnetzwerk, in dem sich die Barmer engagiert?
Alle Barmer-Versicherten erhalten in Zukunft die Möglichkeit, eine webbasierte Gesundheitsakte (eGA) anzulegen. Darin können Sie alle persönlichen gesundheitsrelevanten Informationen übersichtlich ablegen, verwalten und jederzeit und überall über Ihre persönlichen Zugangsdaten einsehen. Hierzu hat die Barmer ein Forschungsvorhaben initiiert, bei dem erstmals der Nutzen einer persönlichen elektronischen Gesundheitsakte aus Patientensicht wissenschaftlich erforscht werden soll. Zugleich untersuchen wir mit der Testregion Bochum-Essen, welche Synergien zwischen der Gesundheitskarte und der elektronischen Patientenakte genutzt werden können.
Bei der elektronischen Signatur sowie bei der Standard-Software rechnen die Krankenkassen für 2007 laut einer Studie mit vergleichsweise stark steigenden Investitionen. Sie auch, und was versprechen Sie sich von der elektronischen Signatur?
Wir unterscheiden zwischen der Verwendung elektronischer Signaturen innerhalb unserer hausinternen Prozesse und solchen, bei denen unsere Versicherten involviert sind. Für die Versicherten werden wir zum Beispiel über eine Online-Geschäftsstelle in Zukunft Services anbieten, die auf der elektronischen Signatur basieren wird. Um die Investitionskosten für die qualifizierte elektronische Signatur für die Versicherten möglichst gering zu halten, werden wir diese zielgruppenspezifisch anbieten. Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass sich die Kosten durch die zunehmende Verbreitung und alternative Finanzierungsszenarien wie etwa Sponsoring durch Kooperationspartner weiter senken lassen.