Immer mehr Menschen leiden an Burnout. Das heißt aber auch: "Es ist mittlerweile kein Tabu mehr zuzugeben, dass man daran leidet", sagt Karsten von Rabenau, Leiter des betrieblichen Gesundheitsmanagements bei Otto. Inzwischen sind Manager und Mitarbeiter eher bereit, sich behandeln zu lassen. Damit es gar nicht erst so weit kommt, setzt man bei Otto auf betriebliches Gesundheitsmanagement, das nicht nur aus Sport besteht.
Burnout-Kurse für Führungskräfte
Angesichts steigender Burnout-Zahlen bietet das Unternehmen speziell Führungskräften Seminare an. Die Chefs sollen lernen, wie sie bei Mitarbeitern und sich selbst Überarbeitung frühzeitig erkennen. Und wie sie damit umgehen, wenn sie merken, dass ein Kollege Gefahr läuft, sich selbst zu viel zuzumuten.
"Eigentlich wäre die Prävention ganz einfach", sagt Rabenau. "Das fängt schon bei den Basics an." Auch wenn es nicht nach viel klingt: Chefs sollen mit ihren Mitarbeitern reden. "Das heißt auch, "Guten Morgen" zu jedem einzelnen im Großraumbüro zu sagen", sagt Rabenau. Oder Arbeitsaufträge nicht nur per E-Mail rauszuschicken, sondern mit dem Mitarbeiter kurz persönlich darüber zu reden. Das ist zwar manchmal zeitraubend - aber weniger, als einen kranken Mitarbeiter zu ersetzen.
Vernünftiger Austausch hilft
Gerade der persönliche Kontakt falle bei Führungskräften angesichts der Arbeitslast oft hinten über, meint Rabenau. Aber vor allem ein vernünftiger Austausch mit den Kollegen sei enorm wichtig, um es gar nicht erst zum Burnout kommen zu lassen. "Wir vermitteln ihnen auch, mal an die Geburtstage zu denken." Ein kurzer Plausch in der Kaffeeküche, ein schnelles Gespräch - das reicht oft schon, um Veränderungen im Verhalten eines Mitarbeiters zu bemerken. Wenn der Chef seine Mitarbeiter im Normalfall kennt, kann er Anzeichen für Burnout schneller entdecken. Und bei sich selbst?
Gerade bei IT-Chefs steigt die Burnout-Gefahr. Aber ein Mitarbeiter wird seinem Chef wohl kaum sagen, dass er ihn für überarbeitet hält. "Und die Führungskräfte haben ja eine Vorbildfunktion für ihre Mitarbeiter", sagt Rabenau. Wenn sie sich also nicht schonen, wirkt sich das kaum gut auf die Gesundheit ihrer Angestellten aus. Daher müssen die Führungskräfte besser auf sich selbst achten. "Wir machen bei unseren Führungskräften einen regelmäßigen Gesundheits-Check", sagt Rabenau.
Denn: Vor allem Führungskräfte aus dem IT-Bereich müsse man eher mit harten Zahlen konfrontieren. Wenn also das Gewicht zunimmt, der Cholesterinspiegel steigt und der Schlaf unruhig wird, dann lässt sich auch ein Entscheider schon mal überzeugen, dass an seinem Lebensstil vielleicht nicht alles rund läuft. "Bei den ITlern ist wohl aufgrund des Jobs die Bereitschaft, die Lebensweise zu ändern, größer", sagt Rabenau. Da sich die Technologie ohnehin die ganze Zeit ändere, sei es für sie meist kein Problem, sich anzupassen. "Und in der IT-Führungsebene machen bei uns alle Sport."
Ständig zu viel Adrenalin - das blockiert das Denken
Ein weiteres typisches Zeichen für Burnout: Quantität statt Qualität. "Viele, die kurz vor dem Burnout stehen, lasten sich selbst immer mehr Arbeit auf", sagt Rabenau. "Sie wissen, dass die Qualität ihrer Arbeit nicht mehr gut genug ist. Das versuchen sie mit Mehrarbeit zu kompensieren." Der Gesundheitsexperte vergleicht es mit einem Säbelzahntiger: Wer gestresst ist, der hat viel Adrenalin im Blut. Begegnete man früher einem Säbelzahntiger, brauchte man das Hormon, um weglaufen oder angreifen zu können. Säbelzahntiger gibt es freilich keine mehr - Adrenalin wird aber weiterhin ausgeschüttet. Nur kann man den Chef schlecht mit dem Sessel eins überziehen, wenn der einem einen Arbeitsauftrag gibt.
Ein Angestellter - oder ein Chef - kurz vor dem Burnout steht aber ständig unter Adrenalin. "Das blockiert aber das Hirn beim Denken", sagt Rabenau. Und deshalb arbeiten sie mehr, auch wenn die Qualität schlechter ist. Auch darauf können Führungskräfte also achten: Halst sich ein Mitarbeiter immer mehr Arbeit auf, kann das ein Anzeichen für Burnout sein. Dazu muss er aber erst einmal eine Beziehung zu seinem Mitarbeiter aufgebaut haben.
Früh handeln und Mitarbeiter sofort ansprechen
Doch wie soll man handeln, wenn einer der Mitarbeiter erste Anzeichen von Burnout aufweist? Ihn sofort darauf ansprechen. "Das darf man auf keinen Fall auf die lange Bank schieben", sagt Rabenau. Trotzdem bleibt natürlich Fingerspitzengefühl angesagt. Denn rein rechtlich darf ein Chef seinen Mitarbeiter eigentlich nur dann ansprechen, wenn seine Leistung im Job gefährdet ist. "Am besten spricht ein Chef den Mitarbeiter mit einer "Ich-Botschaft" an", sagt Rabenau. "Ich mache mir Sorgen um dich, weil…." Das ist besser, als ihn anklagend zu kritisieren. Das gilt vor allem für ITler, denn die sind besonders gefährdet.
Führungskräfte sollten sich auch in solchen Gesprächen selbst Hilfe holen, gegebenenfalls die Personalabteilung ansprechen oder den Betriebsrat, wenn die eigene Firma nicht so gut ausgerüstet ist wie die Otto Group. Dort gibt es eine spezielle psychotherapeutische Beratungsstelle, wo Ärzte den Mitarbeitern helfen können. Das freut den Chef gleich zweifach: Seinem Kollegen geht es besser und die Arbeit bleibt nicht liegen.