Analysten-Kolumne

Outsourcing dieseits und jenseits des Kanals

23.11.2005 von Martin Barnreiter
Outsourcing gilt inzwischen schon fast als "Patentrezept", wenn es Unternehmen oder Behörden darum geht, durch Effizienzsteigerungen Kosten zu sparen. Eine Behörde kann sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren, während ein externer Spezialist das übernimmt, was er am besten beherrscht: Die IT oder IT-gestützte Prozesse. Angesichts leerer öffentlicher Kassen in vielen Ländern Europas wird Outsourcing für immer mehr Behörden interessant. Wie unterschiedlich sich dies bisher in den einzelnen Ländern entwickelt hat, zeigt der Vergleich Deutschlands mit Großbritannien.

Die schwierige wirtschaftliche Situation in Deutschland und der damit wachsende Kostendruck auf Wirtschaftsunternehmen hat dem deutschen Outsourcing-Markt in den vergangenen Jahren einen Höhenflug verliehen und ein Wachstum von rund zwölf Prozent von 2004 bis 2005 beschert. Um die Haushalte der öffentlichen Hand ist es keineswegs besser bestellt. Warum aber ist Outsourcing im öffentlichen Sektor nicht so angesehen wie in anderen westeuropäischen Ländern?

Einer der Hauptgründe liegt darin, dass Angestellte der IT-Abteilungen von nationalen Behörden einen beamtenähnlichen Status genießen. Aus diesem Grund lagert die öffentliche Hand sie nur ungern aus. Zudem stößt man schnell an gesetzliche Grenzen, wenn Bürgerdaten an einen externen Dienstleister weitergegeben werden. Daher ziehen deutsche Behörden meist noch Landesrechenzentren und kommunale Rechenzentren vor, die derzeit einen Teil des Outsourcing-Bedarfs abdecken (der von PAC als kaptiver Teil betrachtet wird).

IT-Anbieter wiederum stoßen bei der Verwaltung auf die Erwartung, selbst Geld zu investieren, wenn sie die öffentliche IT übernehmen. Außerdem müssen Outsourcer für jeden der übernommenen Angestellten 16 Prozent Mehrwertsteuer zahlen, während entsprechende Potenziale zur Kostensenkung fehlen. Schnell stellt sich die Frage der Rentabilität, wenn man zudem bedenkt, dass die öffentlichen IT-Infrastrukturen meist veraltet sind und viel Aufwand in neue Systeme gesteckt werden muss. So mancher Outsourcing-Vertrag mit der öffentlichen Hand, zum Beispiel den Städten Leipzig und Ludwigshafen oder dem Saarland wurden abgebrochen und rück-abgewickelt.

Auftrieb dank Herkules-Deal

Ganz so düster ist die Lage generell aber nicht. Gerade im Bereich „New Business Outsourcing“ erwarten wir in den kommenden Jahren beträchtliche Wachstumsraten. Dabei werden von einem externen IT-Anbieter neue Anwendungen entwickelt, implementiert und betrieben. Bezahlt wird in Jahresraten, verteilt auf die Laufzeit des Outsourcing-Vertrags. Auch der Herkules-Deal sollte dem Markt beträchtlichen Auftrieb geben, wobei noch eine gewisse Vorsicht angebracht ist, solange der Deal nicht erfolgreich abgeschlossen ist. Zunächst wird sich das Geschäft wegen der Neuwahlen verzögern. Dennoch erwarten wir, dass Herkules, sowohl im Vor- und Nachfeld, den Outsourcing-Markt im „Public Sector“ gehörig antreiben wird.

Im Vergleich dazu erlebte Outsourcing im britischen „Public Sector“ einen regelrechten Siegeszug. 2004 hatte dieser Markt ein Volumen von 3984 Millionen Pfund und war gegenüber 2003 um 13,1% gewachsen.

Die Gründe dafür liegen in der „Private Finance Initiative“ (PFI), die die britische Regierung 1992 einführte. Um Investitionen der öffentlichen Hand zu fördern, sollten die beteiligten Unternehmen einen Beitrag zur Finanzierung von Projekten leisten und sich im Gegenzug langfristige Einnahmen durch Systemwartung und Applikation-Management sichern. Anders als in Deutschland wurde die Erwartungshaltung der Behörden konkret umgesetzt und mit Anreizen für die Unternehmen angereichert. Gerade im Bereich Business Process Outsourcing (BPO) führte PFI dazu, dass öffentliche Institutionen quasi alles – bis auf die Politik selbst – auslagerten, während BPO in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt.

BPO als Wachstumstreiber

Auch mittelfristig hält PAC BPO für den Wachstumstreiber im „Public Sector“ des britischen IT-Marktes. Hier haben EDS, ITNet und Capita, Siemens Business Services (SBS) und Accenture die Nase vorn. Bemerkenswert ist der Erfolg von SBS auf diesem Markt, bedenkt man, dass das Unternehmen lange Zeit nicht zu den führenden IT-Dienstleistern in Großbritannien gehörte und zuvor nicht groß mit BPO-Erfahrungen aufwarten konnte.

Als Folge von PFI machte Outsourcing in den letzten Jahren über die Hälfte aller Ausgaben des britischen öffentlichen Sektors für „Core SITS“ (Kernbereich von Software und IT-Services) aus. Einen Großteil dazu trugen einige Riesen-Deals bei: die Erneuerung des Inland Revenue Aspire Deals (4,2 Milliarden Pfund), die sechs IT-Verträge des National Health Service (insgesamt 5,5 Milliarden Pfund) und der noch ausstehende Vertrag des Verteidigungsministeriums (über vier Milliarden Pfund).

Jedoch ist jenseits des Kanals nicht alles nur rosig. Aufgrund des großen Volumens dieser Verträge wird die Teilnahme an den Ausschreibungen für manche IT-Unternehmen zur Herausforderung, zumal sie hohe Kosten verursachen und die Aussicht auf den Zuschlag, gerade bei Vertragserneuerungen, nicht besonders groß scheint. Immerhin gibt es auch Gegenbeispiele, ging doch der Inland Revenue Deal nach zehn Jahren Zusammenarbeit mit EDS in der nächsten Runde an Capgemini und Fujitsu Services, was zeigt, dass sich der Vertragsinhaber nicht in zu großer Sicherheit wiegen sollte.

Außerdem stehen IT-Dienstleister für den öffentlichen Sektor immer auch im „Licht der Öffentlichkeit“ und die Medien-Schelte folgt postwendend, wenn beispielsweise das Vertragsvolumen überschritten wird oder Services zu spät geliefert werden. Meist trifft die Schuld das IT-Unternehmen nicht allein. Wie deutschen Public-Sektor-Verträgen mangelt es PFI-Verträgen an Flexibilität, was zum Scheitern einiger großer Deals mit beitrug. Aus diesem Grund gab man das PFI-Konzept für IT-Verträge Anfang 2004 auf.

Billiger und effizienter

Dennoch interessiert sich der öffentliche Sektor in Großbritannien weiterhin für Kostenersparnisse und Effizienzsteigerung, was den Outsourcing-Markt vorantreiben wird. Im Mittelpunkt werden dabei die Reorganisation von Prozessen, Standardisierung, und die Vereinigung von überregionalen und regionalen Behörden mittels „Shared Services“ stehen. All das macht die IT-Systeme reif für IT-Outsourcing und BPO, was in Zukunft eine neue Dimension von Kostenkontrolle und –management verspricht.

Wenn auch der deutsche Outsourcing-Markt im öffentlichen Sektor nicht sprungartig aufholen wird, so sollten doch der Ansatz „New Business Outsourcing“ sowie der Herkules-Vertrag dazu führen, dass sich der Abstand zu Großbritannien verringert. Da sich in überschaubarer Zeit die öffentliche Finanzlage voraussichtlich nicht verbessert, wird Outsourcing hierzulande weiter Interessant bleiben.