"Sourcing" bedeutet heute längst nicht mehr nur Outsourcing. Der Kunde kann wählen aus einer stetig wachsenden Vielzahl an Sourcing-Konzepten. Die zunehmend ins Spiel gebrachte "Cloud" steht dabei weniger für ein einzelnes neues Konzept als vielmehr für die Subsumierung einer Reihe von Trends, die nicht nur weitere, alternative Formen des Sourcing ermöglichen, sondern auch nahezu alle Teilbereiche des konventionellen IT-Marktes nachhaltig verändern werden.
Die "IT aus der Steckdose" dient dabei als visionäres Leitbild. Nach wie vor aber gilt: Der Kunde will die Quelle der bezogenen Leistungen kennen, vor allem aber auch bewerten können.
Abstriche bei Sicherheit und Verfügbarkeit - die Hauptargumente der traditionellen Outsourcer gegen die Public-Cloud-Alternative - können in manchen Bereichen durchaus akzeptierbar sein. Wo nicht gesetzlich limitiert, gilt letztlich die Kosten-Nutzen-Abwägung des Kunden, die angesichts hochattraktiver Preismodelle zunehmend für Cloud-Angebote ausfällt.
Eine solche Entscheidung muss aber bewusst getroffen werden, unter Abwägung bekannter und verlässlicher Rahmenbedingungen- eine Transparenz, die derzeit noch nicht immer gegeben ist.
Was bei der allgegenwärtigen Cloud-Diskussion häufig vergessen wird: Eine ganz ähnliche Problematik warf noch vor wenigen Jahren das konventionelle IT-Outsourcing auf. Mit zunehmender Reife, Professionalisierung und Standardisierung trat diese Skepsis aber in den Hintergrund und machte Platz für weitgehend faktenbasierte "Make-or-Buy"-Entscheidungen. Eine Entwicklung, die auch für die neuen Angebote zu erwarten ist.
Massive Änderungen bei IT-Architektur und Preisen
Damit werden nicht nur Cloud-Services selbst an Bedeutung gewinnen und den Trend zu externem Sourcing verstärken; sie werden insbesondere auch einen massiven Einfluss auf Architektur und Preisgefüge konventioneller Dienstleistungen ausüben.
In diesem Jahr werden, erstmals in der deutschen IT-Geschichte, die Märkte für Outsourcing, Projektgeschäft und Softwareprodukte quasi identische Umsatzgrößen erreichen. Und bei der derzeitigen Entwicklung werden Outsourcing-Leistungen 2011 erstmals mehr als ein Drittel dieses von PAC besonders beobachteten Marktes ausmachen.
Dass das keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt ein Blick zehn Jahre zurück. Damals lag der Anteil von Outsourcing bei gerade mal 20 Prozent. Eine geringe Diversifizierung von Leistungen und Kunden charakterisierte den noch jungen Markt. Industriekunden zum Beispiel dominierten noch mit fast 50 Prozent Anteil das Outsourcing-Geschehen. Mittlerweile haben annähernd alle Branchen einen nicht unerheblichen Anteil; und die letzten "resistenten" Sektoren, wie etwa die Energieversorger, stehen kurz vor dem Durchbruch.
Und diese Entwicklung wird weitergehen. Bei einem zugegebenermaßen nicht ganz ungetrübten Blick ins Jahr 2020 erwartet PAC einen Anteil des Outsourcing - dessen, was wir heute noch so nennen - von etwa 50 Prozent.
Umsätze mit konventionellen Softwarelizenzen dagegen werden nicht einmal mehr 20 Prozent ausmachen. Angesichts mit Sicherheit weiter zunehmender Softwarenutzung und -durchdringung lässt sich schon erahnen, dass diese zukünftige Outsourcing-Entwicklung viel mit "Verschieben" zu tun hat und nur teilweise mit einem gänzlich neuen Markt. Nach PAC-Schätzungen wird der Anteil externer Cloud-Leistungen am Outsourcing von heute weniger als 20 Prozent bis 2020 auf 70 Prozent ansteigen.
Natürlich ist eine grundlegende Eigenschaft des Outsourcing, dass es per se nichts völlig Neues beinhaltet, sondern Bestehendes verlagert und gegebenenfalls verändert. Allerdings wurden bislang im IT-Outsourcing noch vor allem kundeninterne Leistungen nach außen vergeben und damit Teil eines "Marktes". Heute ersetzen Betriebsleistungen zunehmend bereits externalisierte, das heißt durch Dritte bezogene Produkte und Dienstleistungen.
Viele IT-Services werden obsolet
Das gilt für Hardware und Software, aber ebenso für Entwicklung und Wartung. Cloud- und andere Plattform-basierte Ansätze führen zusätzlich nicht nur zu einer Verlagerung vieler Dienstleistungen von (vielen) Kunden hin zu (wenigen) Providern, sondern machen manche Services sogar gänzlich obsolet. Trotz großer Potenziale für Services "für und rund um" Cloud-Angebote wird in Summe die Nachfrage nach vielen etablierten Dienstleistungen abnehmen.
Schließlich leben weite Teile des konventionellen IT-Dienstleistungsmarkts von Komplexität, Heterogenität und Individualität. Heutiges, und vor allem zukünftiges Outsourcing steht für Standard, Flexibilität und Einfachheit in der Nutzung - von Produkten wie von Services.
Und auch wenn diese Entwicklung nicht von heute auf morgen stattfinden wird und nach wie vor großes Potenzial für "echte" Externalisierung besteht - der Anteil von Outsourcing an den gesamten IT-Ausgaben wird auch bis 2020 wohl nur wenig mehr als ein Viertel ausmachen; der Handlungsbedarf auf Seiten der Provider ist offensichtlich, scheint aber noch nicht überall erkannt.
Karsten Leclerque ist Director des "DACH Outsourcing Research Program" bei Pierre Audoin Consultants (PAC).