Bayer-CIO im Interview

"Outsourcing ist kein Allheilmittel"

15.06.2011 von Karin Quack
Bayer Business Services (BBS) will Teile seiner IT-Services an Siemens SIS auslagern. Geschäftsführer und CIO Daniel Hartert erläutert die Beweggründe dafür.

Sie haben bei Ihrem Amtsantritt vor etwa zwei Jahren verkündet, Sie wollten die IT vereinfachen. Outsourcing bedeutet allerdings auch mehr Komplexität.

Daniel Hartert: Nicht unbedingt. Es sorgt durchaus für Vereinfachung, wenn man Services, die man als Commodity betrachtet, von darauf spezialisierten Unternehmen betreiben lässt und diese effizient steuert.

Als ausgelagerte IT-Tochter ist BBS doch eigentlich auch auf diese Aufgaben spezialisiert.

Daniel Hartert, Geschäftsführer von BBS und CIO der Bayer AG.
Foto: Bayer Business Service

Daniel Hartert: Sicher, aber unser Auftrag besteht darin, einen Wertbeitrag für den Konzern zu liefern. Wir sind auch nicht Bayer IT Services, sondern Bayer Business Services. Das heißt, wir bieten dem Konzern neben den IT-Dienstleistungen ein umfangreiches Portfolio an, das von Shared Services für Personal, Einkauf, Logistik und Finanzen bis hin zu Rechts- und Unternehmensberatung reicht.

Bei einem derart divergierenden Aufgabenspektrum konzentrieren wir uns auf die Dienstleistungen, die möglichst nah an der Wertschöpfungskette liegen. Mit Services, die einer sehr starken Commoditisierung unterliegen, kann sich Bayer in seinen Geschäften ja nicht differenzieren.

Wie ermitteln Sie eigentlich die Konkurrenzfähigkeit von Services?

Daniel Hartert: In unserem konkreten Fall haben wir zunächst mit der Unterstützung von IT-Sourcing-Beratern ermittelt, innerhalb welcher Preisspanne ein externer IT-Dienstleister die von uns spezifizierten Services anbieten könnte. Erst dann haben wir diese Services ausgeschrieben und die eingegangenen Angebote mit unseren Servicepreisen verglichen. Dabei haben wir erhebliche Einsparungsmöglichkeiten entdeckt.

Wie hoch ist denn erheblich?

Daniel Hartert: Über konkrete Summen reden wir nicht. Außerdem geht es nicht nur um den Preis. Auch die Qualität ist absolut wichtig. Denn das oberste Kriterium für uns ist die Zufriedenheit der Anwender im Konzern. Die Verantwortung für die Services liegt ja nach wie vor bei uns. Allerdings haben wir nun einmal festgelegt, dass wir in jedem Servicebereich mit den besten 25 Prozent der Anbieter mithalten wollen - und zwar kostendeckend. Eine Quersubventionierung einzelner Bereiche kommt für uns nicht infrage.

Anders herum betrachtet - ab welcher Einsparung lohnt sich eigentlich der ganze Aufwand? Der ist ja nicht unerheblich.

Daniel Hartert: Wir haben hier tatsächlich eine komplexe Transition vor uns. Das würden wir sicher nicht so beabsichtigen, wenn es sich nicht um eine wirklich signifikante Summe handeln würde. Sagen wir, im deutlich zweistelligen Prozentbereich.

Der Benefit braucht seine Zeit

Sie haben sich für Siemens SIS entschieden, einen Provider, dessen Aufmerksamkeit momentan ein wenig abgelenkt sein dürfte - aufgrund der Übernahme durch Atos Origin. Inwiefern ist das eine gute Anbieterwahl?

Daniel Hartert: Die Fusion hat aus unserer Sicht klare Vorteile, denn hier entsteht am Ende der größte europäische IT-Dienstleister - mit neun Milliarden Euro Umsatz und einer Vision, die uns überzeugt. Davon abgesehen, ist Siemens SIS hinsichtlich unseres spezifischen Anforderungsprofils tatsächlich der leistungsfähigste Anbieter. Und er hat zudem ein hohes Maß an Verständnis für unsere Bedürfnisse gezeigt. Darüber hinaus hat Siemens SIS schlüssige Konzepte für eine mögliche Mitarbeiterübernahme vorgelegt. Und das ist ein Thema, das für uns sehr hohe Bedeutung hat.

Welche Garantien geben Sie den betroffenen 260 Mitarbeitern?

Der Kontrollraum von Bayer Business Services.
Foto: Bayer Business Services

Daniel Hartert: Da will ich den Gesprächen mit dem Betriebsrat nicht vorgreifen. Ich kann derzeit also nur bestätigen, dass Siemens SIS zugesagt hat, alle diese Mitarbeiter zu übernehmen.

Als Kriterium für die Provider-Auswahl nannten Sie unter anderem eine langfristige Partnerschaft. Auf welchen Zeitraum ist die Beziehung mit SIS denn ausgelegt?

Daniel Hartert: Das ist noch nicht endgültig entschieden. Aber es wird sicher nicht unter fünf Jahren sein. Denn eine solche Auslagerung erfordert einen gewissen Umbau, der sich nicht innerhalb von drei Monaten erledigen lässt. Und um aus diesem Vorhaben einen Benefit zu ziehen, braucht nicht nur der Anbieter, sondern brauchen auch wir eine gewisse Zeit.

Innerhalb von fünf Jahren verändern sich aber die marktüblichen Preise spürbar - und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit des Angebots.

Daniel Hartert: Deshalb sind regelmäßige Überprüfungen der Marktfähigkeit und eventuelle Anpassungen in heutigen Outsourcing-Verträgen standardmäßig enthalten.

Tipps für Outsourcing-Verträge
Tipps für Outsourcing-Verträge
Auf folgende Punkte sollten Sie bei Outsourcing-Verträgen achten. (Zusammengestellt von Thomas Gebhardt, Vorstand der Gebhardt Solutions AG, Böblingen)
Vertragsinhalte
In einen Outsourcing-Vertrag gehören grundsätzlich nur Leistungen, die das Unternehmen selbst nicht günstiger erbringen kann. Es muss zudem darauf achten, dass es kein strategisch wichtiges Know-how verliert.
Adminstration
Jeder Vertrag muss sowohl im täglichen Betrieb als auch im Eskalationsfall leicht administrierbar sein.
Messungen
Wichtig sind klare Messgrößen, um die Service-Qualität zu beurteilen. Regelmäßige Messungen und detaillierte Berichte sind Pflicht.
Messungen
Wichtig sind klare Messgrößen, um die Servicequalität zu beurteilen. Regelmäßige Messungen und detaillierte Berichte sind Pflicht.
Kennzahlen
In persönlichen und zyklischen Review-Terminen sollten festgelegte Kennzahlen gemeinsam geprüft werden.
Bedarf
Serviceverträge müssen genau regeln, was geschieht, wenn sich der Bedarf ändert.
Benchmark
Ein Vergleich der zu vereinbarenden Leistungen mit aktuellen Marktstandards ist obligatorisch.
Verhandlungsdruck
Anwender dürfen sich auch in kritischen Verhandlungssituationen nicht unter Druck setzen lassen.

Trotz relativer Größer zu klein

Was ist mit den im Haus verbleibenden IT-Services? Inwieweit werden die auch weiterhin auf ihre Wettbewerbsfähigkeit geprüft?

Daniel Hartert: "Keine weitere Auslagerung geplant."
Foto: Bayer Business Service

Daniel Hartert: Das tun wir selbstverständlich. Unsere Konzernkunden erwarten von uns, dass wir durch gezieltes Benchmarking die Wettbewerbsfähigkeit unserer Services kontinuierlich nachweisen. Das gilt auch für die anderen Bereiche von Bayer Business Services. Eine weitere Auslagerung ist derzeit nicht geplant. Es ist definitiv nicht so, dass wir das Outsourcing als Allheilmittel betrachten würden.

Bayer Business Services war ja einige Zeit lang selbst als Provider unterwegs. Aber im vergangenen Jahr haben Sie das externe Geschäft aufgegeben. Warum eigentlich?

Daniel Hartert: Diese Entscheidung haben wir getroffen, weil wir trotz unserer relativen Größe nicht mit den großen Serviceanbietern konkurrieren können. Die Marke Bayer steht nicht für IT oder Business Services, und die Devise des Konzerns ist, dass wir in allen operativen Geschäften zu den weltweit führenden Unternehmen gehören. Dieser Anforderung könnten wir als Service-Provider nie gerecht werden. Unser Ziel ist es deshalb, lieber die Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns nachhaltig zu stärken.

Die Kosten für IT-Services
IT-Servicekosten für den PC-Betrieb
Die nach IT-Services aufgeschlüsselten Kosten des PC-Arbeitsplatzes zeigen, dass Anschaffung und Support nur ein Drittel des Gesamtaufwands ausmachen. Auf den folgenden Seiten finden Sie Erläuterungen zu den einzelnen Kostenblöcken. (Quelle. Lexta Consultants)
PC-Bereitstellung und -Support
Life-Cycle-Kosten für PC und Betriebssystem. Dazu zählen Aufwände für die Evaluierung und Beschaffung neuer Hardware, der Einkauf und auch die Entsorgung sowie Verwertung. Der Einkaufspreis inkl. Garantie und weiterer Services des Lieferanten wird auf die Nutzungsdauer umgelegt. Hinzu kommen Logistikleistungen für die Lieferung zum User und der Austausch bei Hardwaredefekt. Zu den Supportleistungen zählt die Evaluierung und Durchführung von Betriebssystem-Updates und -Patches sowie der Second-Level-Support. Die Kosten für Umzüge und Betriebssystem-Wechsel sollten separat verrechnet werden.
Service-Desk
Zu den Kosten für den First-Level-Support zählen die Aufwände für die Mitarbeiter des Service-Desk, aber auch die Kosten des Ticketsystems, in dem idealerweise auch der Incident-Management-Prozess abgebildet ist. Der First-Level-Support sollte Telefonate mit maximal 15 Minuten Dauer für die Aufnahme, Qualifizierung und - falls möglich - Lösung der Incidents umfassen. Ein guter Service-Desk ist durch eine marktübliche Erstlösungsquote von rund 90 Prozent der erstlösungsfähigen Tickets gekennzeichnet.
Internet-Dienste
Wichtigste Aufwandstreiber sind die Kosten des Internet-Gateway sowie die Kosten für die Bereitstellung und den Betrieb der Firewall.
Client-LAN
Dem Client-LAN werden Kosten für Bereitstellung und Betrieb der aktiven Netzwerkkomponenten, das Patchen der LAN-Dose und die Dokumentation von Änderungen bei den passiven Netzwerkkomponenten zugeordnet. Auch die Security-Leistungen sind beim LAN angesiedelt.
File- und Verzeichnisdienst
Zum File- und Verzeichnisdienst zählen Aufwände für das Berechtigungs-Management, die Bereitstellung und den Betrieb von File-Servern und Speicher sowie die Anmeldedienste.
E-Mail-Dienst
E-Mail-Dienste umfassen die Bereitstellung und der Betrieb der Mail-Server, Speicher inklusive Backup, E-Mail-Security wie Spam-Filtering und Virenschutz. Auch die Lizenzen für das E-Mail-System inklusive dazugehöriger Client-Komponenten werden hier kostenmäßig berücksichtigt.
Standardsoftware und Softwareverteilung
Zur Standardsoftware gehören die auf jedem PC installierte Basissoftware und die Zusatzsoftware mit Installationen auf ausgewählten PCs. Zur Ermittlung der Kosten werden Aufwände für die Evaluierung und das Aufspielen des Basis-Images, das Patchen, die Verskriptung, Lizenz- und Wartungskosten und die Softwareverteilung-Infrastruktur erhoben.

(Computerwoche)