Für IT-Service-Provider war 2008 ein Jahr der Extreme. Im ersten Halbjahr erzielten sie ein Vertragsvolumen von insgesamt 40,2 Milliarden Euro - das ist das beste Halbjahresergebnis im neuen Jahrtausend. In der zweiten Hälfte 2008 stürzte dieser Wert auf 31,3 Milliarden Euro. Das dokumentiert der Marktforscher TPI in seinem TPI Index.
In Europa verlief die Entwicklung noch drastischer. Für die Region EMEA (Europe/Middle East/Africa) meldet TPI in den ersten sechs Monaten 2008 ein Total Contract Volumen (TCV) von 25,9 Milliarden Euro. Im zweiten Halbjahr waren es nur noch 13,5 Milliarden Euro. In relativen Zahlen entspricht das einem Rückgang von 48 Prozent.
Diese Zahlen sollen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Service-Provider im vorigen Jahr weltweit zusammengenommen 5,6 Prozent mehr Umsatz erwirtschafteten als 2007. Damals erzielten sie im Gesamtjahr 67,7 Milliarden Euro.
Bernd Schäfer, Partner und Managing Director TPI Deutschland, vergleicht die aktuelle Wirtschaftslage mit der Krise 2001. "Zwar ist der Outsourcing-Markt heute größer und erheblich reifer, dennoch interpretieren wir beide rezessionsbedingten Tiefpunkte als eine Art Denkpause in der strategischen Entscheidungsfindung zum Thema Outsourcing", sagt Schäfer.
Wobei eine Strategie besonders deutlich wird: der Trend zu kürzeren Verträgen. Das zeigt ein Blick auf den Jahresvertragswert (ACV). Diesen ermitteln die Marktforscher, indem sie den Gesamtvertragswert durch die Laufzeit dividieren. Für 2008 liegt der ACV bei 14,1 Milliarden Euro, laut TPI ein Rekordhoch.
Bernd Schäfer deutet das als Zeichen dafür, dass sich Unternehmen auf kurzfristige Probleme aus dem Tagesgeschäft konzentrieren. Er geht davon aus, dass es in naher Zukunft einen steten Fluss kleinerer, eher taktisch orientierter Outsourcing-Vertragsabschlüsse geben wird. "Die Unternehmen sind an schnellen Einsparmöglichkeiten bei ihren Betriebskosten interessiert, und hier kann das Outsourcing helfen, die konjunkturellen Turbulenzen in 2009 zu überstehen", sagt der TPI-Manager.
Indien spürt Folgen von Satyam und Mumbai-Anschlägen
Turbulenzen hat vor allem die indische IT-Dienstleister-Branche zu überstehen. Derzeit erwirtschaftet der Outsourcing-Sektor für IT und Geschäftsprozesse rund 32 Milliarden Euro im Jahr. Den Unternehmen flatterten 2008 zwei Schreckensmeldungen ins Haus: Die Terror-Anschläge in Mumbai und der Betrugs-Skandal um die einstige Vorzeige-Firma Satyam.
Indische Dienstleister bemühen sich nun um Schadensbegrenzung, wie TPI beobachtet. Die Analysten gehen davon aus, dass Service-Vereinbarungen neu besprochen werden, um den Risiken Rechnung zu tragen. Bernd Schäfer: "Das deckt sich mit der von uns in den letzten Monaten festgestellten verstärkten Konzentration auf die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Unternehmen, in die auch Überlegungen wie Kursschwankungen, Sicherheit, Datenschutz und ein auf mehrere Geographien bauendes Dienstleistungskonzept miteinbezogen werden."
Global betrachtet zeichnet sich eine Kräfteverschiebung zwischen den nordamerikanischen Staaten einerseits und EMEA andererseits ab. Hatte Amerika im Jahr 2006 am Gesamtvertragsvolumen noch einen Anteil von 51 Prozent gehalten, sind es jetzt nur noch 32 Prozent. Im gleichen Zeitraum stieg der EMEA-Anteil von 38 auf 55 Prozent.
Laut den Analysten von Pierre Audoin Consultants (PAC) können sich IT-Entscheider aufgrund der Krise allgemein über bessere Angebote freuen. PAC spricht von einem "Second Plus Generation Outsourcing". Das heißt konkret: Wo ein bestehender Vertrag ausläuft, sucht der CIO nach einer Fortsetzung, die den bereits erzielten Nutzen beinhaltet und zugleich neue Vorteile bringt. Dabei achten IT-Entscheider - neben günstigen Kosten - immer stärker auf flexible und modulare Services.
IT-Service-Dienstleister müssen mehr Risiko übernehmen
"Der Dienstleister wird vermehrt Risiko übernehmen müssen", sagt Karsten Leclerque, Analyst bei PAC. Das reicht von flexiblen Preismodellen bis zu Modellen, bei denen das Honorar direkt von den wirtschaftlichen Kennzahlen des Kunden abhängt.
Die Marktforscher von TPI, nach eigener Darstellung das größte Sourcing-Beratungsunternehmen weltweit, dokumentieren ihre Zahlen im TPI Index. Karsten Leclerque von Pierre Audoin Consultants führt seine Thesen in dem Papier "Wie viel Krise lässt sich outsourcen?" aus.