1. Mythos oder unausweichliche Realität?
Outsourcing ist kein Phänomen der jüngsten Vergangenheit. Die Automobilindustrie hat die achtziger und neunziger Jahre zur drastischen Verringerung der Fertigungstiefe durch das Outsourcing von Teilaktivitäten an ihre Zulieferer genutzt. Auch IT-Outsourcing ist kein Produkt des dritten Jahrtausends: bereits der seit langem bestehende Trend zum Einsatz von Standardsoftware wie z. B. SAP und Oracle im ERP-Markt kann als Outsourcing der Anwendungsentwicklung gewertet werden. Auch hat es bereits in den 90er Jahren eine erste große IT-Outsourcing Welle gegeben, mit Schwerpunkt in den USA - EDS, IBM, CSC waren hier die Treiber.
Was sich im deutschen Outsourcing Markt in den letzten Jahren verändert hat, sind die Modelle des Outsourcing: zum einen erhöht sich die Wertschöpfungstiefe outgesourcter Prozesse und Dienstleistungen, zum anderen werden weitergehende Kooperationsmodelle bis hin zum Verkauf von IT Serviceeinheiten im Outsourcing von IT- und Geschäftsprozessen deutscher und internationaler Unternehmen implementiert.
Deutschland ist aber noch immer ein "Outsourcing-Entwicklungsland". Unternehmen in den USA und in Großbritannien vollenden gerade den ersten Outsourcing-Lebenszyklus und beginnen bereits die Evaluierungs- und Ausschreibungsphase für einen zweiten Outsourcing-Zyklus zur Erneuerung und Umgestaltung von Verträgen, während in Deutschland viele Unternehmen noch vor der ersten Entscheidung bzgl. des Outsourcings stehen.
Offshoring ist zwar im Prinzip lediglich die Erweiterung des Outsourcing-Konstrukts um die Integration von Anbietern in - meist entfernten - Niedriglohnländern. Es erweitert aber die Aufgabenstellung noch um die kulturelle und die Sprachdimension und erfordert daher spezielle Fähigkeiten und Erfahrungen der im Umgang mit "Offshore Providern".
Unserer Meinung nach sind Outsourcing und Offshoring keine revolutionären Konzepte oder "Modewellen" von Sourcing-Experten, sondern das natürliche Ergebnis von Make or Buy Entscheidungen in einem globaler und arbeitsteiliger werdenden Markt. Outsourcing und Offshoring sind damit lediglich Optionen zur konsequenten Erweiterung der Beschaffungsstrategien von national und international tätigen Unternehmen. Darüber hinaus leisten sie einen wichtigen Beitrag zur strategischen Kostensenkung und zur Variabilisierung von Fixkosten.
Für die Ermittlung, welche der nicht zur Erbringung von Kernkompetenzen erforderlichen Prozesse und Services für ein Outsourcing in Frage kommen, sollte aufgrund der Komplexität des Auswahlprozesses ein strukturiertes Screening anhand von klar definierten Kriterien erfolgen. Booz Allen hat dazu ein erprobtes "Filter"-Modell entwickelt.
2. Erfolgsfaktoren für das Outsourcing
1. Outsourcing nicht als Mittel zur kurzfristigen Kostensenkung einsetzen
Sofern sich finanzielle Kostenvorteile kurzfristig ergeben, werden sie in der Regel durch den Outsourcer vorfinanziert und durch langfristige Preisanpassungen oder zusätzliche Outsourcingleistungen in der Zukunft wieder amortisiert. Die Erfahrungen zeigen auch, dass sich häufig die nicht ausreichende Standardisierung auf Kundenseite darin niederschlägt, dass ein signifikanter Teil der Leistungen nicht durch SLAs abgedeckt wird und damit wenig plan- und kontrollierbar außerhalb von SLAs vergütet werden muss.
2. Nur dann outsourcen, wenn Unternehmen und Prozesse "Outsourcing ready" sind
Für einen Prozess, der instabil läuft, nicht standardisierte Dienstleistungen erbringt, dessen Kosten intransparent sind und für den die Leistungen nicht messbar und nicht durch SLAs definiert sind, wird das Outsourcing in Qualität und Kosten keine oder nur geringe Verbesserung bringen. Nur für standardisierte Prozesse Leistungen in Unternehmen, die technisch, kommerziell, organisatorisch und bezüglich vertraglicher Grundlagen "outsourcing ready" sind, können Kosteneinsparungen und Serviceverbesserungen erzielt werden.
3. Mit einfachen Outsourcing-Vorhaben starten
Erste Erfahrungen im Outsourcing lassen sich am besten mit einfach strukturierten Leistungen und Prozessen sammeln, z.B. mit Desktop Outsourcing. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen es, Fehler bei komplexeren Outsourcing-Vorhaben zu vermeiden.
4. Kurze Vertragslaufzeiten
Die Risiken und Unsicherheiten bezüglich der am Beginn der Vertragslaufzeiten festgelegten Leistungen und Vergütungen nehmen mit längerer Laufzeit deutlich zu. Durch kurze Vertragslaufzeiten von 3 bis 5 Jahren wird dieses Risiko begrenzt.
5. Laufzeitrisiko durch vertragliche Benchmarking- und Ausstiegsklauseln absichern
Verträge mit Klauseln eines Benchmarking in jährlichen Abständen ermöglichen die Absicherung des Laufzeitrisikos bezüglich Vergütung und Leistungsqualität. Ausstiegsklauseln mit angemessener Lastverteilung für entgangene Einsparungen/Gewinne und Migrationskosten ermöglichen den Vertragspartnern eine wirtschaftlich tragfähige Auflösung der Outsourcing-Beziehung.
6. Multiples Outsourcing unternehmensweit koordinieren
Unternehmen, die multiples Outsourcing in unterschiedlichen Funktionen und Geschäftsfeldern betreiben, müssen Strukturen zur Koordination der verschiedenen Outsourcing-Beziehungen schaffen. Nur so ist es möglich, Synergien im Management gleichartiger Funktionen der "Retained Organisations" zu realisieren und Outsourcing Policies für alle Verträge durchzusetzen (z. B. synchronisierte Laufzeiten, Ausstiegsklauseln, Grundstrukturen/Anforderungen an Retained Organisations, einheitliche finanzielle Bewertungsmethoden etc.). Die Koordination über Geschäftsbereiche hinweg kann durch ein "Outsourcing-Architektur-Gremium" erfolgen, das Policies vorgibt, ihre Einhaltung überwacht und zentraler Empfänger für das Reporting des Nutzeninkassos wird.
3. Fazit
Wenn sich die deutschen Unternehmen international wettbewerbsfähig aufstellen wollen, müssen Business Process und IT Outsourcing und Offshoring als ein wichtiges Instrument in das strategische Maßnahmenportfolio aufgenommen, systematisch bewertet und bei positiver Beurteilung konsequent umgesetzt werden.
Outsourcing und Offshoring werden in Deutschland damit unausweichliche Realität. Der Mythos ist entzaubert.
Dr. Johannes Bussmann ist Vice President und Partner, Christopher Schmitz ist Senior Associate und Projektleiter bei Booz Allen Hamilton.
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