Als Werkstoffforscher hat Johann Walter viel mit anderen Menschen gemeinsam getüftelt. Zusammen mit den Fachleuten im Forschungszentrum von Siemens Medical Solutions (SMS) in Erlangen entwickelte er zum Beispiel den Röntgenbildverstärker. Seit sieben Jahren ist er jetzt jedoch für Geschäftsprozess-Management verantwortlich. Er untersucht Abläufe in seinem Unternehmen mit Hilfe von Qualitäts-Management-Systemen wie dem EFQM-Modell (European Foundation for Quality Management). Und er setzt um, was sich im Labor als sinnvoll erwiesen hat. "Die IT ist bei uns ein wesentlicher Treiber für das Thema Geschäftsprozesse", sagt er. Mithilfe von Netzwerktechnik und internetbasierten Anwendungen für Projekt- und Kunden-Management oder CAD können Fertigung, Abnahme oder Rechnungswesen dort erledigt werden, wo es sinnvoll ist - unabhängig von Abteilungs- oder Unternehmensgrenzen.
Best Practice Sharing
Zulieferer und Dienstleister sind dabei eine wichtige Ressource, um bei gleich bleibenden Budgets und immer komplexeren Systemen den Ansprüchen der Nutzer gerecht zu werden. "Strategisches Partner-Management ist essenziell für die Arbeit eines CIO. Wir sind nicht allein auf der IT-Welt. Wir brauchen Partner fürs Sourcing, für IT-Consulting und die strategische Ausrichtung einer CIO-Organsation", bestätigt Jürgen Webs, CIO von Siemens Medical Solutions. "Best Practice Sharing dient der Orientierung für die eigene Leistungsfähigkeit und jener der Service Provider."
Doch obwohl Partnerschaften zwischen verschiedenen Unternehmen mittlerweile nicht nur in der Produktion und in der Logistik, sondern auch beim IT-Betrieb selbstverständlich sind, hängt es häufig vom Zufall ab, ob dies erfolgreich ist. Viel zu oft wird nach dem Prinzip Versuch-und-Irrtum agiert, viel zu selten werden die Partnerschaften durchdacht. Walter versucht deshalb, seinem CIO eine solidere Grundlage für Kooperationsentscheidungen an die Hand zu geben. Um Regeln für das optimale Partner-Management im IT-Bereich zu definieren, hat er gemeinsam mit dem Wirtschaftswissenschaftler Professor Christian Zich von der Hochschule Deggendorf ein Benchmarking-Projekt mit dem Titel "Partnerschaften und Allianzen" durchgeführt, bei dem das Partner-Management in einer Reihe von Unternehmen unter die Lupe genommen wurde. Firmen wie IBM Deutschland, MTU, Audi, SAP, Karman und EADS waren bereit, sich ein Stück weit in die Karten schauen zu lassen und ihre Prozesse im Umgang mit Partnern miteinander zu vergleichen.
Das wichtigste Ergebnis dieser Vergleiche ist laut Walter, dass es kein Erfolgsschema gibt, das ein Unternehmen vom anderen kopieren kann. "Die Art des Partner-Managements folgt aus der Geschäftsstrategie sowie dem gesetzlichen und regulatorischen Umfeld, in dem die Geschäfte stattfinden", sagt er. Dennoch liefert der Best-Practice-Vergleich Hinweise darauf, welche Vorgehensweise sinnvoll bei der Umsetzung von Partnerschaften ist - beispielsweise eine Entscheidung des Top-Managements über die grundsätzliche Ausrichtung der Beziehungen zu Externen. "Der Vorstand muss sagen, wohin die Reise gehen soll", sagt Walter. "Will man den Partner als verlängerte Werkbank, oder geht man ein engeres Bündnis ein?" Genau diese Vorgehensweise halten auch andere Partner-Management-Experten für sinnvoll, zum Beispiel Steve Janata, Analyst beim Münchner Beratungsunternehmen Experton Group. "Die dritte oder vierte Management-Ebene sind auf keinen Fall die richtigen Verantwortlichen", sagt er.
Datenbank mit Risiko-Check
Die Best Practices zeigen jedoch auch, dass zu guten Partnerschaften auch Partnerverantwortliche unterhalb des Vorstands gehören. Sie steuern die Kommunikation mit der kooperierenden Firma und innerhalb des eigenen Unternehmens. Um den Partnering-Prozess unternehmensweit nach einheitlichen Richtlinien und Vorgehensmodellen zu organisieren, hat etwa T-Systems in seiner Zentrale mehrere sogenannte Partnermanager in der eigenen Matrixstruktur etabliert. Mit Hilfe von Balanced-Scorecards messen sie, wie gut die einzelnen Partnerprojekte funktionieren. In vielen Firmen sind zudem die Profile der kooperierenden Firmen in Partnerdatenbanken abgelegt. SAP hat diese Datensätze außerdem um eine Risikobetrachtung und ein Ausstiegszenario ergänzt - etwa für den Fall, dass ein Wettbewerber einen Entwicklungspartner kauft.
Welche dieser Ergebnisse sind direkt für das Management von Partnern im IT-Bereich übertragbar? Vor allem der Ansatz, mit einigen Unternehmen langfristige und intensive Kooperationen einzugehen, statt Dienstleister häufig zu wechseln, meinen Johann Walter und Christian Zich. "Eine Partnerschaft besteht zu mindestens 50 Prozent aus Vertrauen. Man braucht die Flexibilität, die Dinge auf sich zukommen zu lassen, damit die Partnerschaft funktionieren und wachsen kann", sagt Johann Walter. Aus einem Dienstleister einen Partner zu machen heißt, ihm auch die Möglichkeit zu geben, sich weiterzuentwickeln.
Partner managen für die Compliance
So wie der Triebwerkhersteller MTU vielen Entwicklungspartnern beim Aufbau eines Qualitäts-Managements hilft, damit sie die Zulassung durch das Bundesluftfahrtamt bekommen, unterstützt auch die Siemens Medizintechniksparte ihre IT-Dienstleister mit Spezial-Know-how. Schließlich spielen beim Betrieb der mächtigen Medical-Projekt-Management-Tools wie Osiris oder Rationals Requisite Pro Requirement und beim Hosting der CAD-Systeme regulatorische Anforderungen eine wichtige Rolle. Die detaillierte Dokumentation bei der Produktion von medizintechnischen Geräten ist gesetzlich geregelt, und die relevanten Industrienormen der Branche, etwa die ISO 13 485 für Medizinprodukte, müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Wegen ihnen muss jede Änderung der Systeme dokumentiert und nachvollziehbar sein, jede Applikation muss vor dem Einsatz oder nach einer Änderung validiert werden. "Hier war es notwendig, bei den Partnern das Bewusstsein und Verständnis für die speziellen Anforderungen an Medizinprodukte aufzubauen", sagt Walter.
Alle zwei Jahre neu ausschreiben
Langfristig zusammenzuarbeiten muss allerdings nicht bedeuten, dass sich über Jahre hinweg nichts an Preis und Leistung ändert, wie ein anderes Best-Practice-Beispiel der Untersuchung zeigt. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln schreibt alle zwei Jahre auf der Basis von Benchmark-Daten den Betrieb der IT erneut aus. Dazu ist es aber nötig, dass neben der Entwicklung des Partners auch der Aufbau eigener Kompetenzen nicht vernachlässigt wird. So wie bei Karmann, einem Autozulieferer, der seine Lieferanten intensiv in technologische Entwicklungen einbindet. Dort fällen nicht allein die Kaufleute die Entscheidungen, vor allem Ingenieure sitzen in der Einkaufsabteilung. Dadurch hat das Unternehmen genug eigene Expertise, um echte Innovationen von Mogelpackungen zu unterscheiden.
Für den IT-Bereich, in der oft Hypes und Trends das Geschäft prägen, empfiehlt Walter, ähnlich vorzugehen und ausreichend kritische Experten an Bord zu behalten, die nicht blind alles glauben, was zum Beispiel unter Schlagworten wie SOA vermarktet wird. "Man braucht eigene Kompetenzzentren", sagt er. "Sonst wird man schnell über den Tisch gezogen und kauft das, was in PowerPoint-Präsentationen angepriesen wird."
Inwieweit allerdings die Siemens-Medizintechniker die Erkenntnisse aus dem Best-Practice-Projekt selbst umsetzen, ist offen. Denn neben den Untersuchungsergebnissen gibt es noch andere Faktoren, die bei der Suche nach wirklichen Dienstleistungspartnern eine Rolle spielen. Nachdem die Medizinsparte vor einiger Zeit durchsetzen konnte, dass der Siemens-IT-Bereich SBS als Betreuer der Arbeitsplatzrechner und Server durch einen anderen Dienstleister ausgetauscht wird, ist nun doch wieder die SBS-Nachfolgeorganisation SIS für diese Aufgabe verantwortlich. Auch so kann eine Entscheidung von ganz oben in Sachen Partner-Management ausfallen.