Schätzungsweise 150 000 Desktop-Rechner in rund 10 000 weltweit verteilten Niederlassungen des Automobilkonzerns, darunter mehr als 150 Werke, in die Beschaffungs- und Betriebsverantwortung von HP übergeben: Das war der Plan von Daimler-Chrysler-CIO Sue Unger; CIO berichtete . "Rund eine halbe Milliarde Euro" schwer, so ein leitender Mitarbeiter von Daimler-Chrysler, war das Projekt, das Ende 2002 vom Gesamtvorstand verabschiedet wurde und über eine Laufzeit von fünf Jahren geplant war.
Das extrem ehrgeizige Vorhaben stand bereits nach kurzer Zeit unter keinem guten Stern, wissen Insider zu berichten: Seit Mitte dieses Jahres lief ein Pilotprojekt in den deutschen Werken, in dessen Verlauf sich beide Seiten - HP und Daimler-Chrysler - nicht mit Ruhm bekleckert hätten. Wegen unklarer und häufig wechselnder Vorgaben des Auftraggebers habe es, einerseits, immer wieder Terminverzögerungen gegeben. Andererseits gab es massive Klagen über die Performance von HP in dem Projekt, und zwar sowohl in Bezug auf die Qualität der Hard- und Software als auch auf das Projekt-Management.
Jetzt ist Schluss, wie am Projekt beteiligte Mitarbeiter von Daimler-Chrysler mitteilen. Ende Oktober sei die Entscheidung gefallen, den Vertrag mit HP zu kündigen; seitdem gehe es nur noch um die Modalitäten des Ausstiegs. "Zwischen zehn und 15 Millionen Euro" stehen laut einem Informanten, der nicht genannt werden möchte, als Forderung von HP für bereits geleistete Arbeit im Raum, dazu noch eine Kompensationszahlung für das Vertragsende in nicht genannter Höhe.
Ein HP-Sprecher verwies lediglich auf eine Vereinbarung mit Daimler-Chrysler, der zufolge "während der Pilot- und Evaluierungsphase" keine Stellungnahme abgegeben werde. Auch Daimler-Chrysler bestätigt nur, dass Gespräche mit HP laufen. Darin gehe es "um die Bewertung des abgeschlossenen Pilotprojektes sowie um die weitere Vorgehensweise", so ein Sprecher. Dass bei "Piloten für Projekte dieser Größenordnung auch Komplikationen auftreten, ist nicht außergewöhnlich und durchaus legitim", ergänzte er. Das Projekt PC Global werde man "in jedem Fall" weiter vorantreiben.
Das sieht ein Projektmitarbeiter von Daimler-Chrysler genauso: Die weltweite Standardisierung der PC-Landschaft im Konzern werde stattfinden. Der Unterschied: Man werde mit "Bordmitteln" operieren anstatt im Outsourcing mit HP. Außerdem werde man nun schrittweise vorgehen und nicht alles auf einmal erledigen.
Daimler-Chrysler-CIO Sue Unger antwortete nicht auf per E-Mail gestellte Fragen, was das Scheitern des Projekts für ihre Position bedeute. Aber es scheint sehr ungemütlich zu werden für die IT-Managerin. Intern werde ihr vorgeworfen, ihre strategischen Vorgaben hätten für heilloses Chaos in den Projektteams gesorgt, teilte der Informant mit. Im Pilotprojekt habe sich beispielsweise der Plan, gleichzeitig mit dem Wechsel des Betriebssystems auf Windows XP auch die Office-Anwendungen umzustellen, als undurchführbar erwiesen. Immer wieder sei es zu Situationen gekommen, in denen das Projekt gestockt habe, weil Teile des Teams auf andere hätten warten müssen.
Der IT-Mann von Daimler-Chrysler warf seiner obersten Vorgesetzten außerdem vor, sie habe die Projektteams in den Werken mit der Finanzierung im Regen stehen lassen, indem sie keinen realistischen Rahmen für die Umsetzung von PC Global gesteckt habe. Das Ergebnis: Der Großteil der am Pilotprojekt in Deutschland beteiligten Verantwortlichen habe für die einzelnen Werke Business-Cases gerechnet, nach denen der PC-Betrieb mit HP als zentralem Dienstleister deutlich teurer werde als in Eigenregie der regionalen Standorte.
Bereits im September hatte ein Mitglied des zentralen Teams für das deutsche Pilotprojekt geäußert, die Entscheidung, global und auf einen Schlag anstatt regional und sukzessive vorzugehen, habe Sue Unger gegen den mehrheitlichen Willen der europäischen Verantwortlichen in der IT von Daimler-Chrysler getroffen. Anlass für die Äußerung waren damals Probleme mit der Softwaredistribution durch HP. Laut dem Mitarbeiter habe das Projekt damals bereits auf der Kippe gestanden; in einer Präsentation vor Sue Unger am Daimler-Chrysler-Sitz in Auburn Hills, Michigan, habe HP das Ruder jedoch noch einmal herumgerissen.
Finanzielle Zielvorgaben für PC Global wurden offiziell nie gemacht. Es liegt aber auf der Hand, dass Sue Unger mit dem Projekt auch ein hohes Sparziel verfolgt. Der Umsatz von Daimler-Chrysler bleibt seit zwei Jahren hinter der Rekordmarke von 2000 (mehr als 162 Milliarden Euro) zurück; beim letzten Jahresabschluss 2003 standen noch knapp unter 150 Milliarden Euro in der Rechnung. Der Profit ist bereits seit 1999 auf Talfahrt; 2001 setzte es gar mehr als 600 Millionen Euro Verlust. 2002 war Daimler-Chrysler zwar wieder profitabel, blieb aber mit einem Konzernergebnis von 4,7 Milliarden Euro weit hinter den Erträgen der Vorjahre zurück.
Auf die Frage, ob das Projekt durch die drohenden negativen Auswirkungen auf die Ertragssituation von Daimler-Chrysler mittlerweile auch zum Thema im Konzernvorstand geworden sei, gab ein Unternehmenssprecher keine Antwort.