Zu viele Abteilungen mischen mit

Personalplanung läuft immer noch chaotisch ab

21.10.2014 von Ina Hönicke
Der Fachkräftemangel fordert die Firmen heraus. Eine strategische Personalplanung und –beschaffung könnte weiterhelfen. Doch diese steckt vielfach noch in den Kinderschuhen.

Geht es um die Rekrutierung neuer Mitarbeiter, sind Unternehmen vom Ideal einer einheitlichen und umfassenden Personalplanung und -beschaffung weit entfernt. So zumindest lautet das Ergebnis der Hays-Studie "Personalbedarfsplanung und -beschaffung in Unternehmen", an der sich 169 Fachbereichsleiter aus den Sektoren IT, Forschung und Entwicklung, Finance sowie Produktion beteiligt haben.

Doch Jörn Bäumer, Rekrutierungsexperte bei Hays, sieht einen Silberstreif am Horizont: "In vielen Unternehmen sind zumindest erste Ansätze vorhanden." Laut Studie bestehen zwischen den Beteiligten häufig unklare Zuständigkeiten. "Jeder dritte Fachbereich sieht sich selbst in der Hauptverantwortung bei der der Entwicklung der Personalstrategie, umgekehrt zählen mehr als 80 Prozent der Personalleiter die Fachabteilungen nicht zu den Beteiligten bei der Strategie-Entwicklung - völlig außen vor bleiben Entwicklung und Einkauf", beschreibt er den Status quo.

Der lange Weg zum IT-Bewerber

Für das Verwirrspiel in der Personalsuche ist die IT nach Ansicht des Hays-Managers geradezu ein Paradebeispiel. Soll ein neuer IT-Profi eingestellt werden, wende sich der Fachbereich an die HR-Kollegen. "Die HR-Abteilung sagt zu, erwähnt aber nicht, dass der Kandidat überaus schwer zu bekommen ist", erklärt Bäumer. Nachdem die HR-Kollegen vergeblich einige Monate nach dem angeforderten Kandidaten gesucht haben, bitten sie, so der HR-Experte, einen Personaldienstleister um Unterstützung. Der gesamte Prozess verlängert sich, Unmut mache sich breit.

Um die Zeit bis zur Festanstellung zu überbrücken, frage die IT-Abteilung nach einem Externen, was sogleich zum nächsten Problem führe. Der Freiberufler könne dem IT-Chef nicht von der HR-Abteilung zugeteilt werden, da für ihn der Einkauf zuständig sei. Irgendwann, um die Geschichte endlich zu einem Ende zu bringen, besorgt der Einkauf doch einen Freelancer. Bäumer fasst das Tohuwabohu zusammen: "Für eine einzige Position gibt es in Unternehmen zwei Vertragsarten mit drei Abteilungen, die sich damit beschäftigen müssen". Den vierten Part wiederum übernehme die Geschäftsführung. Sie muss laut Bäumer dafür sorgen, dass die Anzahl der Mitarbeiter zum Umsatz passt. Die Topetage erhalte zwar von der HR-Abteilung die entsprechende Zahl der festangestellten Mitarbeiter - allerdings ohne die Anzahl der Externen. Diese würden von den HR-Mitarbeitern nämlich nicht erfasst.

"Ganz genau weiß im Grunde niemand über die Personalsituation im Haus Bescheid - und hier legt die Studie den Finger in die Wunde", betont der Hays-Manager. Das bestätige auch die Abbildung 9: Auf die Frage, wie erfolgt die Personalplanung im Unternehmen, erklärt die Fachabteilung, das liege im Ermessen der Fachbereiche. Sie würden bestimmen, wie die Personalplanung im Unternehmen laufe. Die HR-Abteilungen sagen: "Nein, das läuft alles ganz einheitlich, das läuft alles über uns." Es gibt einen einheitlich abgestimmten Prozess. Die Antwort des Einkaufs laute kurz und bündig: "Mal so, mal so, also 50 zu 50 ". Je nachdem, wer zur Personalplanung- und beschaffung befragt wird, gibt völlig unterschiedliche Antworten.

Rekrutierung von Freiberuflern

"Um den optimalen Personalbedarf sicherzustellen, muss der Bedarf gebündelt und einheitlich adressiert werden", betont Bäumer. Jetzt komme das Top-Management ins Spiel. Ihm müsse, so der Hays-Manager, bekannt sein, wie viele festanstellte Mitarbeiter im Haus beschäftigt, wie viele Aufgaben in Outsourcing-Verträgen ausgegliedert, wie viele Leute in Zeitarbeits-Verträgen und wie viele in Service-Verträgen tätig seien. "Schließlich hängt die Wettbewerbsfähigkeit auch davon ab, neue Geschäftsfelder mit geeignetem Personal zu erschließen", erklärt er.

Lünendonk-Studie: Top Ten der Freiberufler-Vermittler -
Gute Aussichten für IT-Freelancer
Wer als einer von derzeit etwa 87.500 IT-Freien auf dem deutschen Markt agiert, hat gut Lachen. Das zeigen zwei Studien von Lünendonk: "Der Markt für Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung freiberuflicher IT-Experten in Deutschland" und "Führende Zeitarbeits- und Personaldienstleistungsunternehmen in Deutschland".
Gefragte Informatiker
Ein Blick in Lünendonks Studie über führende Zeitarbeitsfirmen und Personaldienstleister 2014 bestätigt den hohen Bedarf an Informatikern. Gerade die Top-Ten-Personaldienstleister suchen IT-Fachkräfte.
Führende Vermittler von IT-Freien: Platz 22 bis 11
Insgesamt hat Lünendonk 22 Firmen untersucht, die Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung von IT-Freien in Deutschland anbieten. Die Zahlen in der Liste sind teilweise geschätzt.
Platz 10: emagine
Die GFT-Tochter emagine, im Bild emagine Geschäftsführer Stefan Frohnhoff, machte 2013 mit der Freiberuflervermittlung einen Umsatz von 43 Millionen Euro (Vorjahr: 61,1 Mio), der Gesamtumsatz von emagine betrug 93,4 Millionen Euro (Vorjahr 113,8 Mio).
Platz 9. Quest
erwirtschaftete 2013 44 Mio. Euro Umsatz mit Freiberuflervermittlung (Vorjahr:49 Mio). Der Dienstleister beschäftigte 2013 46 Mitarbeiter, zwei mehr als 2012.
Platz 8: Etengo
Etengo-Vorstandschef Nikolaus Reuter kann sich über 45 Millionen Euro Umsatz und damit sieben Millionen mehr als in 2012 freuen. Die Mitarbeiterzahl der Mannheimer wuchs von 39 im Jahr 2012 auf 51 im Jahr 2013.
Platz 7. 1st Solution
Mit 46,6 Millionen Euro Umsatz durch die Freiberuflervermittlung im Jahrt 2013 hat 1st Solution fast den Wert des Vorjahres erreicht (46,8 Mio). Der Gesamtumsatz ging in dem Zeitraum um drei Millionen auf 59 Millionen zurück. 1st solution beschäftigte 2013 68 Mitarbeiter.
Platz 6: Westhouse Consulting
..ist unter anderem spezialisiert auf die Vermittlung von SAP-Freiberufler. 2013 liefen die Geschäfte bestens: Der Umsatz der Freiberuflervermittlung stieg um 23 Millionen auf 62,1 Millionen Euro an, der Gesamtumsatz stieg von 47 auf 71 Millionen Euro, die Mitarbeiterzahl von 65 auf 87 Euro.
Platz 5. SThree
... und ihre IT-Personalvermittlung Computer Futures haben 2013 mit IT-Staffing 62,7 Millionen Euro umgesetzt, 2,9 Millionen Euro mehr als 2012. Auch der Gesamtumsatz stieg von 137 Millionen auf 141 Millionen Euro. SThree beschäftigt 505 Mitarbeiter.
Platz 4. Solcom
Die Solcom-Geschäftsführer (von links) Martin Schäfer, Ansgar Nagel, Thomas Müller und Andreas Müller können zufrieden sein: Die IT-Freiberuflervermittlung brachte 2013 einen Umsatz von 67 Millionen Euro ( Vorjahr: 57,8 Millionen) ein. Die Mitarbeiterzahl wuchs um 23 auf 110.
Platz 3. Allgeier
Mit einem Gesamtumsatz von 239,4 Millionen Euro in 2013 hebt sich Allgeier auf Platz 3 deutlich von den Wettbewerbern ab. 161,2 Millionen Euro ( Vorjahr: 172,1 Mio. Euro) entfielen davon auf die IT-Freiberuflervermittlung. Die Mitarbeiterzahl stieg von 411 auf 437 an.
Platz 2. Gulp
... macht mit IT-Freiberuflervermittlung gut 100 Millionen mehr Umsatz als Allgeier Experts und liegt unangefochten auf Platz 2 des Rankings. Von 2012 auf 2013 erhöhte sich der Gesamtumsatz um mehr als 32 Millionen Euro auf 278,4 Millionen Euro, davon 268,3 Millionen Euro Umsatz durch IT-Freiberuflervermittlung (2012: 236,1 Mio. Euro). Gulp ist schlank aufgestellt und beschäftigt 180 Mitarbeiter ( 2012: 165 Mitarbeiter).
Platz 1. Hays
... und Vorstandschef Klaus Breitschopf sind die unangefochtenen Platzhirsche in der IT-Freiberuflervermittlung: Von 2012 auf 2013 stieg der Umsatz im IT-Staffing um 223 Millionen auf 759 Millionen Euro. Damit ist allein das Umsatzplus von Hays größer als der Freiberufler-Umsatz des Drittplatzierten Allgeier Experts. Hays erwirtschaftete mit 1380 Mitarbeiter 2013 einen Gesamtumsatz von 1,1 Milliarden Euro. Im Vorjahr waren es noch 819 Millionen Euro mit 1100 Mitarbeitern.
Auftraggeber in den Unternehmen
Nicht immer geht der Wunsch nach der Zusammenarbeit mit IT-Freelancern von der IT-Abteilung innerhalb der Unternehmen aus. Dies ist in 42 Prozent der Fälle so. Fast ebenso oft werden sie von der Einkaufsabteilung angefordert. Ein weiteres Ergebnis der Studie: in neun von zehn Fällen kommt der Freelancer zum Kunden.
Honorarerwartung nach Kenntnissen
Die Vermittler erwarten, dass insbesondere die Honorare für SAP-Spezialisten steigen. Denn diese sind besonders gesucht.

Auch sollte die Rekrutierung externer Mitarbeiter seiner Ansicht nach ein integraler Bestandteil der Personalstrategie sein. Laut Hays-Studie handelt es sich um einen kritischen Faktor, wenn zwar 48 Prozent der befragten IT-Fachbereichsleiter angeben Freiberufler einzusetzen, aber die Entscheidung über deren Einsatz in den meisten Fällen ad hoc getroffen würde.

Sein Fazit: Das Top-Management müsse das Thema Personalbedarf vollkommen neu andenken, die Zuständigigkeiten im Unternehmen eindeutig klären, das Machtgerangel stoppen. Er appelliert an die Personal-Verantwortlichen, nicht länger Methoden einzusetzen, die bei ihren Großvätern en vogue waren.

Vermittlerin zwischen IT und HR

Wie aber sieht die Personalstrategie in der Realität aus? Bei Hellmann Worldwide Logistics, einem weltweit agierenden Unternehmen, mit deutschem Hauptsitz in Osnabrück, steht das Thema Personalbeschaffung, speziell in der IT, ganz oben auf der Prioritätenliste. CIO Jürgen Burger, der für diesen Sektor verantwortlich ist, hat eine interessante Lösung initiiert: "Als Vermittlerin zwischen IT- und HR-Abteilung fungiert eine IT-Mitarbeiterin aus meinem Verantwortungsbereich." Die Kollegin sei im Vorfeld in Personal-Themen fit gemacht worden. "Ihr Wissen umfasst alle HR-Themen wie Training, Rekrutierung, Gehalts-Management etc.", sagt Burger. Durch ihre Vermittlungstätigkeit wird seiner Meinung nach eine Schärfung der IT-Profile erreicht. Freut sich der CIO: "Die Mitarbeiterin ist sozusagen mein erweiterter Arm in die Personalabteilung, was mich sehr entlastet."

Jürgen Burger, CIO des Logistikunternehmens Hellmann, hat eine IT-Mitarbeiterin eingesetzt, die zwischen seiner und der Personalabteilung vermittelt.
Foto: Privat

Ohne diese "Point-of-Contact-Lösung" würde der Personalbereich, davon ist Burger überzeugt, viele Rekrutierungs-Aufgaben übernehmen, bei denen die Vorstellungen zwischen IT- und Personalsektor auseinanderklaffen würden. "Um die geeigneten IT-Leute zu finden, muss der Rekrutierende sowohl in puncto IT und HR-Know-how fit sein", erklärt der Hellmann-Manager. Genau diese Forderungen erfülle seine Mitarbeiterin. Das HR-Management - egal ob es sich um Einstellungs-, Weiterbildungsmaßnahmen oder das Accessment -Center handle, läge weiterhin in der Verantwortung der Personalabteilung.

Dass die Personalplanung und -beschaffung ein Thema des Top-Managements ist, kann Burger nur bestätigen: "Schließlich ist es für die Unternehmenskultur überaus wichtig, dass die richtigen Leute an der richtigen Stelle tätig sind."

Das gelte auch für die IT. "Hier müssen die richtigen Positionen auf den richtigen Level gebracht werden", betont Burger. Während bei vielen High-Tech-Leuten Spezialwissen entscheidend sei, sei bei den höheren Positionen Management-Qualifikation gefragt.

Freelancer wiederum würden von Mitarbeitern in der Fachabteilung ausgewählt. Hier geht es seiner Ansicht nach vorrangig um Fachwissen und Kompetenz. "Die Entscheidung für einen oder mehrere Externe trifft der jeweilige IT-Direktor", erklärt der CIO. Zur Unterstützung würden diverse Datenbanken und Personalvermittler herangezogen. Sowohl die Personalplanung und -beschaffung als auch der Einsatz von Externen seien aufgrund des Fachkräftemangels so wichtig, dass die entsprechenden Maßnahmen in jedem Unternehmen ganz oben auf der Agenda stehen sollten. Burger kurz und bündig: "Wenn das Thema für den Chef nicht wichtig ist, ist ihm auch seine Abteilung nicht wichtig - wenn es für das Unternehmen nicht wichtig ist, ist irgendwann in puncto Fachkräftemangel der Zug abgefahren."

Fachkräftemangel: Die Zahlen -
39.000 offene IT-Stellen...
...zählt der Branchenverband Bitkom 2013 in der ITK- und in den Anwenderbranchen.
13.800 offene Stellen...
...haben Anbieter von Software und IT-Dienstleistungen.
15.000 neue Arbeitsplätze....
...sind voraussichtlich dieses Jahr in der ITK-Branche entstanden. Das sind 10.000 weniger als 2012.
Mit mehr als 52.000 Erstsemestern..
ist ein Rekord an Studienanfängern in der Informatik erreicht.
Informatik...
...ist nach Wirtschaftswissenschaften und Maschinenbau das Studienfach mit den meisten Studenten.
50 Prozent...
...beträgt die Quote der Studienabbrecher in Informatik.
17.000 Informatikabsolventen....
...verlassen 2013 die deutschen Hochschulen. Im Jahr 2000 waren es rund 5600 Informatikabsolventen.
22 Prozent der Informatikstudenten....
..sind Frauen. Vor 30 Jahren betrug der Anteil der Informatikstudentinnen 19 Prozent.
Erstmals über 40.000 Auszubildende...
...gibt es im Ausbildungsjahr 2013/2014 in den IT-Berufen.
Im September 2013 standen 14.050 Ausbildungsplatzbewerbern...
....12.532 gemeldete Stellen gegenüber. Das Verhältnis von 1,1 Bewerbern auf eine Ausbildungsstelle entspricht exakt dem Wert für den gesamten Ausbildungsmarkt in Deutschland.
Um 1,7 Prozent erhöhte...
..sich die Zahl der Ausbildungsverträge gegenüber dem Vorjahr. Verantwortlich dafür ist das starke Plus bei den Fachinformatikern, während die Zahl der Systemelektroniker zurückgingen.