Groß ist sie nicht gerade, die Schweiz. Räumlich gesehen. Und damit dürfte es zum nächsten Arzt auch nicht allzu weit sein. Andererseits zählt das kleine Land im internationalen Vergleich nicht gerade zu den Hungerleidern. Da kann man sich die hohen Kosten für eine neue telemedizinische Dienstleistung direkt in den Apotheken schon leisten.
Apotheken fungieren im allgemeinen als Abholstationen für Medikamente und sonstige Hilfsmittel für das körperliche Wohlsein. Den ärztlichen Rat holt man sich meistens vorher – oder sollte das zumindest tun. In der Schweiz hilft jetzt das Projekt "Netcare" dabei, telemedizinische Dienstleistungen direkt zu den Apothekenbesuchern zu bringen.
Mit Hilfe von Netcare können sich Patienten nach strukturierter und dokumentierter Erstberatung (Triage) direkt in der Apotheke per Video von einem Arzt Ratschläge geben lassen. Christian Martin, General Manager von Cisco Schweiz, führt dazu aus: "Wir freuen uns, dass wir dieses weltweit einzigartige Pionierprojekt im Bereich Healthpresence möglich machen."
Auch Krankenversicherer Helsana am Projekt beteiligt
Neben dem Schweizer Apothekerverband Pharmasuisse sind auch das dortige Zentrum für Telemedizin Medgate und das Krankenversicherungsunternehmen Helsana an dem Projekt beteiligt. Der Patient profitiere von einer schnellen, umfassenden und kompetenten ärztlichen Beratung, heißt es bei den Kooperationspartnern.
Sollte ein ernsthafter Bedarf diagnostiziert werden, könne zusammen mit dem Apotheker die geeignete Medikation eingeleitet werden. Dies könne Patienten, die keinen Zugang zu einem Hausarzt besitzen, oder Reisenden ohne Arztkontakte weiter helfen. Und die Apotheken könnten ihre Service-Angebote und ihr Image im Sinne einer ernsthaften gesamtheitlichen Betreuung ihrer Kunden verbessern.
Cisco ohne Projekt in Deutschland
In Deutschland ist es Cisco noch nicht gelungen, mit TelePresence Zugang zu den Apotheken zu finden. Gegenwärtig gibt es ein Projekt mit Namen "Arzt on tour", mit dem man versucht, Ähnliches in der Praxis umzusetzen.
Dazu heißt es bei Cisco: "Gehbehinderten und älteren Menschen kostet es viel Mühe und Zeit, eine Praxis aufzusuchen. Patienten mit seltenen Krankheiten, die regelmäßig einen Spezialisten in einem anderen Bundesland benötigen, können sich die häufigen Fahrten nicht immer leisten. Und in abgelegenen Gebieten möchte nicht jeder wegen leichter Bauchschmerzen gleich den Notarzt rufen."
Abhilfe könne in diesen Fällen das High-End-Audio/Videosystem Cisco HealthPresence schaffen. Dieses besitzt Anschlüsse für Diagnosegeräte wie Thermometer und Stethoskop sowie einen Monitor zur Anzeige von Blutdruck, Temperatur und Puls-Oximetrie. Mit Cisco HealthPresence könne sich der Arzt mit dem Patienten, der beliebig weit entfernt sein kann, wie in einer Sprechstunde unterhalten und seine Vitaldaten erfassen.
In den USA ist diese Idee in Form einer "rollenden Arztpraxis" bereits umgesetzt worden. Ein mit Cisco HealthPresence ausgerüsteter Lastwagen fährt durch dünn besiedelte Gebiete und verbessert die medizinische Versorgung vor Ort. Der Truck hält dazu an Bushaltestellen, und Assistentinnen helfen Bürgern bei der Messung von Körpertemperatur, Blutdruck und Herztönen, heißt es bei Cisco. Ein über das Konferenzsystem virtuell zugeschalteter Arzt bewertet die Vitaldaten und unterhält sich mit dem Patienten, so als ob er in seiner Praxis wäre.
TelePresence im deutschen Gesundheitswesen? Fehlanzeige
Auch dieses nachahmenswerte Modell hat in Deutschland bisher noch keine Anwendung gefunden. Ob das nur mit den hohen Preisen zusammenhängt, die Cisco bekanntermaßen für seine Videosysteme verlangt? Deutschland stellt sich gerne als Investitionsmusterknabe und EU-Musterschüler dar. Aber für echte Investitionen im Gesundheitswesen, die zum Wohl der Patienten beitragen können, scheint kein Geld da zu sein. Wieso eigentlich nicht?