Organisierter Sozialleistungsbetrug

Polizei schickt Drohne los

26.07.2021
Mit Drohnen auf Verbrecherjagd? Ein Projekt zur Aufklärung krimineller Strukturen in Nordrhein-Westfalen wirft Fragen auf.

Um bandenmäßig organisierten Sozialleistungsbetrügern auf die Schliche zu kommen, setzt die Polizei jetzt eine Drohne ein. Wie die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Andrej Hunko (Linke) ausführt, hat das Bundeskriminalamt (BKA) die über einen EU-Fonds für Innere Sicherheit finanzierte Drohne für ein Projekt zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität in Nordrhein-Westfalen beschafft.

Eine Drohne soll helfen Leistungsbetrug aufzudecken.
Foto: Dmitry Kalinovsky - shutterstock.com

Den Angaben zufolge geht es bei dem Projekt mit dem Titel "Union" um Banden, die eigene Landsleute aus EU-Staaten in Südosteuropa - vor allem Bulgarien und Rumänien - nach Deutschland holen. Diese sollen hierzulande dann unberechtigt Sozialleistungen erhalten. Das Geld wird laut Bundesregierung größtenteils von den Hintermännern einbehalten. Diese träten dabei in unterschiedlichen Rollen auf, etwa als Arbeitgeber, Vermieter, Dolmetscher oder "Betreuer".

Ziel des Projekts sei es, den organisierten Leistungsbetrug durch Bürger aus anderen EU-Staaten zu bekämpfen, teilte das Bundesinnenministerium mit. "Dabei soll ein umfassender Überblick zu den personellen und kriminellen Strukturen erlangt und entsprechende Ermittlungsverfahren initiiert werden", heißt es in der Antwort.

Das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt (LKA) bestätigte zwar auf Anfrage die Anschaffung einer Drohne "im Rahmen eines Projektes mit dem BKA". Ein Sprecher erklärte jedoch, aus ermittlungstaktischen Gründen könne man nicht sagen, wann und zu welchem Anlass das Gerät eingesetzt werde.

Das Projekt hat nach Angaben der Bundesregierung am 1. Dezember 2019 begonnen und endet zum 31. Oktober dieses Jahres. Die Drohne verbleibt demnach anschließend beim LKA in Nordrhein-Westfalen. Welcher Hersteller sie geliefert hat, teilte die Regierung nicht mit.

Halbe Million Euro für surreales Projekt?

Organisierter Leistungsbetrug müsse natürlich strafrechtlich verfolgt werden, sagte Hunko. Dass die Polizei in Nordrhein-Westfalen zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit nun mit einer Drohne gegen Leistungsbetrug vorgehen wolle, "wirkt jedoch surreal". Der Bundestagsabgeordnete sagte: "Die halbe Million Euro für das Projekt ließe sich sicherlich sinnvoller verwenden."

Ermittler hatten am 16. Juni im Raum Düren sieben Männer festgenommen, denen unter anderem Menschenhandel und Sozialleistungsbetrug vorgeworfen wurde. Wie die Staatsanwaltschaft Aachen und das LKA Nordrhein-Westfalen damals mitteilten, ging es außerdem um den Verdacht der Steuerhinterziehung. Die Beschuldigten sollen Arbeiter, die vorwiegend aus Moldau und Rumänien stammten, für Löhne von teilweise weniger als fünf Euro pro Stunde in Abbruch-Firmen beschäftigt haben, ohne Steuern zu zahlen oder Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Gleichzeitig sollen die Verdächtigen Sozialleistungen kassiert und den Schwarzarbeitern, die sie in über Dritte erworbenen Immobilien untergebracht haben sollen, Wuchermieten abgeknöpft haben.

Wie die Bundesregierung in einer früheren Antwort auf eine Anfrage der FDP-Fraktion mitteilte, hatte die Kommission Organisierte Kriminalität im Oktober 2018 beschlossen, "die Bekämpfung von Kriminalität durch Mitglieder ethnisch abgeschotteter Subkulturen zu intensivieren und diesbezüglich ein dauerhaftes Netzwerk aufzubauen". Der Kommission gehören Vertreter des BKA, der Landeskriminalämter, der Bundespolizei und des Zolls an.

Neben dem Projekt "Union", für das die Drohne beschafft wurde, gibt es nach Angaben der Regierung noch drei weitere Projekte der Kommission. Dabei geht es einmal um Clankriminalität, außerdem um den Online-Handel mit sogenannten neuen psychoaktiven Stoffen. Ein Projekt trägt den Namen "Organisierte Rauschgiftkriminalität Kosovo Albanien". (dpa/ad)