Bei der EU-Kommission hat die Deutsche Post gegen das gerade vom Bundestag verabschiedete E-Government-Gesetz zur Förderung der elektronischen Kommunikation mit Behörden Beschwerde eingelegt.
„Aus unserer Sicht verstößt das E-Government-Gesetz gegen geltendes EU-Recht", sagte laut dpa Harald Lemke, Bevollmächtigter für Internet und Digitale Gesellschaft der Deutschen Post. Das Gesetz protegiere die „staatlich gelenkte De-Mail" und diskriminiere „mindestens gleichwertige Verfahren" wie den E-Postbrief der Deutschen Post, wird Lemke zitiert.
Laut einem Sprecher der Deutschen Post geht das Unternehmen gegen das Gesetz aus folgenden Gründen vor:
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„Mit seinen Regelungen zur elektronischen Schriftform und zur produktorientierten Standardisierung der elektronischen Behördenpost protektioniert der Gesetzentwurf die staatlich organisierte De-Mail.
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Diese Protektion von De-Mail diskriminiert andere gleichwertige, zum Teil sogar leistungsfähigere Angebote, wie zum Beispiel den E-Postbrief, aber auch vergleichbare Angebote ausländischer Postdienstleister, die nicht nach dem nationalen De-Mail-Gesetz akkreditiert sind.
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Diese Form nationaler Protektion wiederspricht in Inhalt und Geist der Digitalen Agenda für Europa und dem Europäischen E-Government-Aktionsplan 2011-2015, die ausdrücklich einen barrierefreien Binnenmarkt für elektronische Dienstleistungen anstreben."
Die Post kann sich eigentlich freuen, denn zur sicheren Kommunikation können Bundesbehörden demnach nun neben der De-Mail auch „sonstige sichere Verfahren" anbieten.
Denn in den zu ändernden Gesetzen wird jetzt stehen, dass eine angeordnete Schriftform auch ersetzt werden könne, „durch sonstige sichere Verfahren, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, welche den Datenübermittler (Absender der Daten) authentifizieren und die Integrität des elektronisch übermittelten Datensatzes sowie die Barrierefreiheit gewährleisten; der IT-Planungsrat gibt Empfehlungen zu geeigneten Verfahren ab."
"E-Government-Gesetz diskriminiert die Deutsche Post"
Die Deutsche Post begrüße zwar diese Öffnung des E-Government-Gesetzes für andere Verfahren „als einen ersten Schritt hin zu einer produktneutralen Formulierung von Verwaltungsvorschriften". Jedoch, so ein Post-Sprecher, sei auch diese Änderung keine Abkehr von der De-Mail-Protektion und der damit verbundenen Diskriminierung anderer Verfahren, „weil andere Verfahren nur dann zugelassen sind, wenn der Bund mit Zustimmung der Bundesländer eine entsprechende Rechtsverordnung erlässt." Einen Rechtsanspruch auf Zulassung gäbe es aber eben nicht.
Der Deutsche Bundestag hatte das E-Government-Gesetz („Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften") am 18. April um 22.20 Uhr in zweiter und dritter Lesung beschlossen.
Wegen der Abstimmung über die Hilfsgelder für Zypern und die Frauenquote in Aufsichtsräten wurde die Beratung über das E-Government-Gesetz nach hinten geschoben. Nun ist der Bundesrat am Zug, der voraussichtlich am 3.Mai über das Gesetz berät. Erst mit der Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten und die Veröffentlichung im Bundesanzeiger tritt es in Kraft.
Der Hightech-Verband Bitkom begrüßte das E-Government-Gesetz. „Es wird der deutschen Verwaltung einen dringend benötigten bürgerfreundlichen Modernisierungsschub bringen", sagt Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.
Das Gesetz soll die elektronische Kommunikation zwischen Bürgern und Verwaltung erleichtern. Alle Behörden in Bund, Ländern und Kommunen werden darin verpflichtet, elektronisch erreichbar zu sein. Auch die elektronische Aktenführung und das Scannen von Schriftsätzen werden darin geregelt; mittelfristig können damit teure Aktenarchive entfallen. Zudem wird das elektronische Bezahlen in Verwaltungsverfahren vereinfacht.
Lob vom Bitkom, Kritik von SPD und Piratenpartei
Haupthindernis für Online-Anträge bei Behörden ist bis heute die Schriftform. Behördenformulare müssen in aller Regel unterschrieben werden. Eine elektronische Unterschrift mit der so genannten qualifizierten elektronischen Signatur ist zwar gesetzlich erlaubt, konnte sich aber bei den Verbrauchern bislang nicht durchsetzen. Das E-Government-Gesetz schafft nun technische Alternativen: Bürger können sich zum Beispiel mit dem neuen Personalausweis rechtssicher in Behördenportalen im Internet anmelden.
Der zuständige Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion Gerold Reichenbach kritisierte das geplante Gesetz: „Unter dem Deckmantel des E-Government-Gesetzes haben die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und FDP einen weiteren Abbau des Datenschutzes und der Datensicherheit in Deutschland durchgesetzt", sagte er.
Mit den darin enthaltenen Änderungen des Sozialgesetzbuches und der Abgabenordnung würden die bisher bestehenden Sicherheitsstandards bei der Übermittlung sensibler Gesundheits-, Sozial- und Steuerdaten im Interesse der Anbieter elektronischer Briefdienste (De-Mail), deutlich abgesenkt werden, so Reichenbach.
Die Piratenpartei kritisierte das geplante Gesetz als „kleinster gemeinsamer Nenner" und „technokratisch". Anke Domscheit-Berg, Open-Government-Expertin forderte Nachbesserungen beim Datenschutz. Für den Austausch höchst sensibler Daten wie Steuer- oder Sozialdaten sei eine Verschlüsselung der Datenübertragung von Anfang bis Ende zwingend vorzuschreiben.
Verschlüsselung sensibler Daten fehlt
Weiter sagte: „Wieder einmal hat die Bundesregierung eine Gelegenheit verpasst, der so überfälligen Reform der Verwaltung hin zu einer transparenten, bürgerfreundlichen Verwaltung einen zeitgemäßen gesetzlichen Rahmen zu geben. Der Tenor des Gesetzes ist nicht das erwünschte Signal für einen Mentalitätswechsel und der erforderliche Schritt hin zu Open Government, sondern steht für einen technokratischen Ansatz, der sich rein auf die Effektivität von Prozessen fokussiert", sagte Domscheit-Berg.