Pflichttermin Jahresversammlung: Das Unternehmen will allen Mitarbeitern zeigen, welche Erfolge es im abgelaufenen Geschäftsjahr erzielt hat. Ganze Hallen werden dazu leergeräumt, bestuhlt, Großbildleinwände aufgestellt. Der versammelten Mannschaft werden nun lückenlos die Zahlen des letzten Jahres in allen Produktsparten, in allen Länderverteilungen, in allen Spezifikationen präsentiert - natürlich mit Powerpoint. Eine endlose Folienflut ergießt sich über die zwangsverpflichtete Belegschaft, was gut und gerne drei Stunden dauern kann.
Wer die Anwesenden nach der Versammlung in einem diskreten Moment fragt, ob es sich gelohnt habe, bei dieser Veranstaltung anwesend zu sein, erntet mehrheitliches Kopfschütteln. Wirtschaftlich ist dies ebenfalls nicht: Rechnet man die Stundenlöhne der mental Abwesenden zusammen, kommt man deutschlandweit auf einen Betrag von 490 Millionen Euro - verschwendet durch langatmige Powerpoint Präsentationen nur bei Bilanz-Meetings.
Aber es geht auch anders. Hier sind ein paar Tipps, wie Sie Ihre nächsten Präsentationen spannender machen können:
Weniger ist mehr
Nehmen Sie zunächst eine Selektion der Themen vor. Wenn Sie die Zuhörer Ihrer Präsentation am nächsten Tag fragen würden, wie viele Zahlen sie behalten haben, dann kämen Sie höchstens auf zehn Prozent. Deshalb streichen Sie Dreiviertel ihrer Zahlen und konzentrieren Sie sich nur auf die wenigen drei bis fünf Ziffern, die Ihr Publikum wirklich interessieren. Den Rest können sich Interessierte zu Hause selbst anschauen. Alles, was nicht spannend ist, und alles, was sowieso nicht behalten wird, kann ersatzlos wegfallen.
Erzählen Sie eine Geschichte
Der Weg ist das Ziel: Wie bei einem Fussballspiel liegt die Wirkung nicht im Ergebnis, sondern in der Vorbereitung des Ergebnisses. Deshalb berichten Sie bei den wenigen wichtigen Ziffern nicht nur über das Ergebnis, sondern darüber, wie Sie das Ergebnis mit allen Rückschlägen, Schwierigkeiten und begleitenden Anekdoten erreicht haben. Das wird dann eine Geschichte, bei der das Publikum automatisch zuhört.
Die Dramaturgie des Flipcharts
Die meisten Redner wollen nicht wahrhaben, dass sie fast alles auf dem Flipchart darstellen können. Balkendiagramme, Schemazeichnungen, Schlüsselworte, Kernziffern … all das lässt sich mit einer um einen Faktor höheren Wirkung auf das Flipchart zeichnen.
Nehmen wir an, Sie wollen die Erhöhung der Datenmenge zeigen, wie sie vor fünf Jahren vorausgesagt wurde, gegenüber der tatsächlichen Datenmenge heute. Jetzt zeichnen Sie zunächst schweigend eine XY-Diagramm und versehen es an der Y-Achse mit der Referenz: 5 Terabyte. Dann sagen Sie: "Im Jahr 2010 lag der Bedarf an Speicherplatz, den wir für unsere Firma in fünf Jahren vorhergesagt haben, bei …"
Jetzt zeichnen Sie einen Balken, von unten beginnend bis zu einem bestimmten Level und kommentieren: "6,5 Terabyte." Dann drehen Sie sich wieder ins Publikum und sagen: "Der Bedarf, den wir 2015 tatsächlich haben, beträgt …. " und jetzt zeichnen Sie einen Balken, bewusst langsam … weit über den alten Balken hinaus, immer weiter, immer weiter bis unter das Ende des Flipchart-Blattes, beenden den Balken, drehen sich wieder zum Publikum und sagen: "35 Terabyte!"
Diese Inszenierung beindruckt wesentlich mehr, als ein fertig gelayoutetes und ausführlich beschriftetes PowerPoint-Diagramm.
Bewegen Sie sich
Die Wirkung eines Bildes entsteht nicht nur durch das fertige Bild oder durch Bits und Bytes auf dem Bildschirm, sondern durch den Akt des Erschaffens durch einen Menschen aus Fleisch und Blut. Wenn Sie sich selber nicht physisch bewegen, bewegen Sie auch Ihr Publikum nicht. Deswegen hat Powerpoint in der direkten Gegenüberstellung kaum eine Chance. Denn dort bewegen Sie maximal den Knopf auf Ihrer Fernbedienung.
Wenn Sie mehr als 200 Leute im Saal haben, dann lassen Sie mit der Kamera Ihr Flipchart filmen und zeigen es auf der Grossbildleinwand. Das wirkt noch imposanter.
Und wenn es doch Powerpoint sein muss ...
Die einzigen Elemente, die bei Powerpoint funktionieren, sind Fotos. Aber hier gilt:
- Nur ein Foto auf einer Folie und ...
- das immer flächendeckend und ...
- ohne begleitenden Text.
Denn eine selbsterklärende Folie ist eine schlechte Folie. Eine Folie, die selbsterklärend ist, ist ohne Spannung und damit betreutes Lesen.
Aus sieben mach 14
Wenn Sie in Zukunft eine Powerpoint-Präsentation mit beispielsweise sieben Folien haben, dann beträgt die Anzahl der Folien in Ihrem Computer 14. Denn: Sie schalten zwischen jede Ihrer Normalfolien eine Schwarzfolie. Schwarzfolien sind Folien, die beim Aktivieren den Bildschirm ausschalten. Sie fokussieren die Aufmerksamkeit. Die meisten Redner haben in der Regel eine gestaltete Folie im Hintergrund als Pausenfüller eingeschaltet. Das lenkt jedoch die Aufmerksamkeit des Publikums von Ihnen und Ihrem Vortrag ab.
Drei Sekunden reichen
Eine Folie sollte maximal drei Sekunden eingeschaltet sein - es sei denn, Sie nehmen noch länger darauf Bezug. Denn Sie als Redner sind der Energieträger - nicht eine tote Folie. Nach drei Sekunden schalten Sie mit Ihrer Fernbedienung auf die dahinter geschaltete Schwarzfolie, und Sie stehen wieder im Mittelpunkt.
Zu Buch und Autor
Mehr Tipps gibt es in dem Buch von Matthias Pöhm: "Präsentieren Sie noch, oder faszinieren Sie schon. Abschied vom betreuten Lesen." (Preis 24.90 Euro) . Matthias Pöhm coacht Spitzenleute aus Politik und Wirtschaft für deren öffentliche Auftritte und veranstaltet das "teuerste Rhetorik-Seminars Europas" (FAZ), wo die Teilnehmer vor 120 Menschen als bestelltem Publikum reden müssen. Viel Medienecho erzeugte er, als er die weltweit operierende "Anti-PowerPoint-Partei" gründete. Pöhm gilt als einer der besten Rhetoriktrainer im deutschsprachigen Raum. www.rhetorik-seminar-online.com
Alternative zu PowerPoint im Video
Sehen Sie in einem YouTube-Video die Gegenüberstellung von PowerPoint zur Alternative Flipchart.