IT-Nachwuchs-Programm

Praktikum bei Indischen IT-Dienstleistern

05.10.2010 von Andrea König
Ein spezielles Praktikumsprogramm bringt Studenten aus Deutschland nach Indien. Die Initiatoren und eine Studentin berichten, wie so ein Praktikum verändert und den Erfahrungsschatz erweitert.
Dieter Berz ist Country Managing Director des IT-Unternehmens Cognizant.

Wenn Dieter Berz deutsche Praktikanten nach einem Praktikumsaufenthalt in Indien wiedertrifft, beschreibt er den Reifeprozess, den die Studenten durchlaufen haben, als "beachtlich". Dabei geht es dem Country Managing Director des IT-Unternehmens Cognizant weniger darum, dass die deutschen Studenten neue Fachkenntnisse erlangen, sondern darum, dass sie in Indien ihren Erfahrungsschatz erweitern, ihre Vorstellungen vom Land positiv verändern und sich mit dem Markt beschäftigen. Berz Arbeitgeber war das erste Unternehmen, das der Initiative VIBE (Valuable International Business Experience) Praktikumsplätze in Indien zur Verfügung stellte. Heute nehmen bereits zehn High-Tech-Unternehmen Studenten aus Deutschland für bis zu sechs Monate auf, die Studiengänge in den Fächern Informatik, Wirtschaftsinformatik oder BWL absolvieren.

Professor Karl Kurbel von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.

Im Herbst 2009 entstand das Programm an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Die Idee stammte von Professor Karl Kurbel, der davon überzeugt ist, dass man die Globalisierung hautnah erleben sollte. Unterstützt wurde Kurbel von Peter Schumacher, dem CEO von Value Leadership, einer unabhängigen internationalen Management-Beratung. Kurbel sagt: "Unsere deutschen Studenten haben bisher kaum Erfahrung mit diesem Thema", sagt er. Die wenigsten von ihnen wüssten, dass die größten IT-Unternehmen in Indien sitzen.

Sophia Kinne ist eine der Studentinnen, die sich auf das Abenteuer Indien eingelassen haben. Die 24-jährige Wirtschaftsinformatikstudentin aus Essen absolviert momentan ein Praktikum bei Capgemini in Mumbai. "Ich wollte etwas Besonderes, etwas Anderes, etwas Abenteuerreiches erleben", erläutert sie ihre Beweggründe, sich für das Programm zu bewerben. Da Indien immer auch in Bezug zur IT gebracht werde, sah sie die Chance in diesem Land berufliche und private Ziele zu erfüllen.

"Meine Hauptaufgaben bestehen im Testen und in der Fehlerbehebung der zu entwickelnden Software-Anwendung. Ich arbeite in einem Projekt, an dem sowohl deutsche, polnische als auch indische Kollegen von Capgemini mitarbeiten", beschreibt die Studentin ihre Aufgaben beim Praktikum. Durch den dreimonatigen Auslandsaufenthalt sieht Kinne die Chance, eine andere Arbeitsweise kennenzulernen und sich fachlich und sozial weiterzubilden.

Wenig Bewerber aus der Informatik

Einfach ist das Leben in Indien nicht immer, merkt Professor Kurbel an: "Mangelnde Infrastruktur und chaotische Verkehrsverhältnisse in Städten wie Bangalore bremsen auch den IT-Bereich aus." Die zukünftige Rolle Indiens sieht er so: "Indien wird zukünftig nicht alle IT-Bereiche dominieren." Aus Indien kämen hauptsächlich die Dienstleistungen, während Innovationen wie etwa das iPad immer noch in den USA und teilweise in Europa abgewickelt würden.

Ein Jahr nach dem Start des Programms zieht er ein erstes Zwischenresümmee: "Es erstaunt mich sehr, dass sich wenig Informatiker für das Programm bewerben, denn ihnen würde ein Praktikum in Indien bei der Karriereplanung enorm helfen." Es wären aber vielmehr die BWLer und teilweise Wirtschaftsinformatiker, die sich um einen VIBE-Platz in Indien bemühen.

Vielleicht ruhen sich viele Informatiker noch darauf aus, dass sie auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland ohnehin gefragt sind. Sophia Kinne hat den Schritt nach Indien gewagt und möchte nun auch zukünftig diesen Weg weiter gehen: "Ich kann mir vorstellen, weiterhin in internationalen IT-Projekten zu arbeiten, unterschiedliche Aufgaben zu übernehmen und auf langfristige Sicht führende Positionen einzunehmen", sagt sie.