Wie weit das Thema Künstliche Intelligenz reicht, zeigte das Innovationsforum von Accenture Ende März in München. Professor Wolfgang Wahlster, Direktor des German Research Center for Artificial Intelligence, nannte auf der Veranstaltung zwei Interpretationen der bekannten Abkürzungen AI und KI: Werden diese meist als "Artificial Intelligence" und eben "Künstliche Intelligenz" verstanden, sprach Wahlster von "Advanced Informatics" und "Künftiger Informatik". In den USA oder beispielsweise auch in Israel sei dieses Verständnis geläufig, sagt Wahlster.
Die Veranstaltung spannte einen Bogen von der Theorie zur Praxis. Wie sich KI (hier: Künstliche Intelligenz) entwickelt, illustrierte Wahlster am klassischen Beispiel des Wettbewerbs Mensch gegen Maschine. 1980 schon hat ein intelligenter Roboter den Backgammon-Weltmeister geschlagen, 2017 ist ein KI-System den ersten Poker-Profis überlegen. "Dem Poker-Weltmeister allerdings noch nicht", betont Wahlster.
Service-Roboter kurvt bei MediamarktSaturn
Martin Wild, CDO (Chief Digital Officer) bei derMediamarktSaturn Retail Group, schilderte den praktischen Einsatz eines Service-Roboters. Seit Ende vorigen Jahres begrüßt "Paul" Kunden in einer Ingolstädter Filiale. Er fragt eintretende Menschen, was sie suchen, und führt sie in die richtige Abteilung. Auf dem Weg pflegt er Small Talk mit dem Kunden. In der Abteilung angekommen, ruft der Service-Roboter einen menschlichen Kollegen. Das komme gut an, berichtet Wild: "Manche Kunden kommen extra wegen Paul" Auch die Mitarbeiter reagierten offen auf Paul. Von Angst vor Arbeitsplatzverlust innerhalb der Belegschaft spricht der CDO nicht.
Virtueller Roboter soll den Service-Roboter disrupten
Das EHI Retail Institute zeichnete MediamarktSaturn Anfang März für diesen Roboter mit dem Retail Technology Awards Europe aus. Wild sieht darin auch eine Anerkennung des Wandels innerhalb der Firma. Noch vor fünf Jahren, ist der CDO überzeugt, sei es undenkbar gewesen, dass man an einer Veranstaltung wie dem Innovationsforum teilnehme. Übrigens werde auch Paul schon wieder disruptet, MediamarktSaturn arbeitet jetzt an einem virtuellen Roboter.
Für Adidas beruht der Erfolg auf Emotion
Dass Menschen positiv auf Informationstechnologie reagieren, überrascht Holger Kömm nicht. Der Director Data Science Lab bei der Adidas Group bezeichnet die Begeisterung vieler Nutzer für die Produkte von Apple als "Verliebtheit". Diese basiere auf der einfachen Handhabung und dem schönen Design. Kurz gesagt auf Emotion.
Darauf sollte sich KI in Zukunft konzentrieren, appelliert Kömm. Er vergleicht das mit einem Fußballspiel. Das ziehe auch viel Emotionen auf sich. Aber eben nicht durchgängig die gesamten 90 Minuten lang, sondern vor allem an entscheidenden Momenten wie dem Schuss aufs Tor. Noch aber sei Analytics nicht so weit.
Horror-Vorstellungen der 1980er-Jahre überwinden
Die Nutzer übrigens auch nicht, so Kömm weiter. Trotz der Apple-Verliebtheit auf der einen Seite gebe es auf der anderen Seite Angst vor den Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz. Spontan fragt er das Publikum: "Können sie sich vorstellen, an eine Maschine zu reporten? Können sie sich vorstellen, dass ihr Linienmanager eine Maschine ist?" Die Veranstaltungsbesucher lachen, doch die Mehrheit von ihnen lehnt solche Vorstellungen ab.
Jens Redmer, Principal New Products bei Google, sieht das in den "Horrorvorstellungen der 1980er-Jahre" begründet. Er spielt auf Block Buster wie "Terminator" an. Entscheider hätten nun die Aufgabe, solche Vorstellungen zu korrigieren.
ABB erwartet bessere Mensch-Maschine-Zusammenarbeit
Denn dann könnten Mensch und Maschine viel besser zusammenarbeiten, erwartet Roland Weiss, Group Research Portfolio Manager bei ABB. Er verweist auf die Entwicklung dieser Kooperation. Wurden Roboter anfangs noch in Käfige gesteckt, um Menschen nicht zu verletzen, sind sie mittlerweile daraus befreit. Neue Roboter kann man anfassen und hin- und herschieben. Der nächste Schritt der Augmented Intelligence soll dazu führen, dass Mensch und Maschine sich besser verstehen, sagt Weiss.
Das KI-System weiß, was die Herzdame will
Ronny Fehling, Vice President und Head of Data Driven Technologies and Data Science bei Airbus, skizziert seine Ansprüche an das Kundenverständnis von KI-Systemen an einem fiktiven Beispiel. Er wolle mit seiner Frau einen romantischen Abend verbringen und frage den persönlichen Assistenten daher, in welchem Kino der neue James Bond laufe und welches lauschige Lokal in der Nähe sei. Fehling wünscht sich, dass das System bei der Kombination dieser beiden Fragen aufmerke und dem Nutzer rückmelde: "Wenn es dir um einen schönen Abend mit der Gattin geht, ist ein James Bond-Film vielleicht nicht das Richtige."
Alexa sollte noch klüger werden
Heike Häfele, COO (Chief Operation Officer) beim Stuttgarter Roboterjournalismus-Startup AX Semantics, sieht beispielsweise Verbesserungspotenzial bei Alexa. Häfele wünscht sich, dass das persönliche Assistenz-System individueller auf den Nutzer eingeht als bisher. Wenn sie als Userin Alexa nach der Wettervorhersage fragt, hätte Häfele gern, dass ihr nicht nur Temperatur und Sonnenscheindauer angegeben werden. Sondern zusätzliche Informationen nach dem Muster: "Heute ist starker Pollenflug, wenn du deine Tochter mit dem Rad zum Schwimmen bringst, fährst du am besten diese oder jene Strecke entlang".
Michael Raschke, Co-Founder und Managing Director beim Data-Analytics-Startup Blickshift, feilt am besseren Verständnis der menschlichen Blickanalyse durch Maschinen. Er prognostiziert: "Die Maschinen werden lernen, die Welt so wahrzunehmen wie wir."
Zwei menschliche Gehirne miteinander vernetzt
Wolfgang Wahlster hat als Forscher mehr Einblick in die Zukunft dieses Themas. Er berichtet von einem Versuch in Israel, bei dem es erstmals gelungen ist, zwei menschliche Gehirne miteinander zu vernetzen. Praktischer Nutzen für alle Männer: Sie brauchen der Herzdame keine Wünsche mehr von den Augen abzulesen. Wahlster: "Sie kaufen nie wieder falsche Geburtstagsgeschenke".