Der CIO und die Pleite von Fairchild Dornier

Prinzip Hoffnung

03.02.2003 von Johannes Klostermeier
Das traditionsreiche Unternehmen Fairchild Dornier aus Oberpfaffenhofen bei München wird zerlegt und in Teilen verkauft. Ein strategischer Investor konnte nicht gefunden werden. Ob das letzte Prestigeprojekt des Unternehmens, der 70-Sitze-Jet 728, jemals verwirklicht wird, steht in den Sternen. Wie hat CIO Klaus Peter die Insolvenz des Unternehmens erlebt?

Wie ein Flugzeug, dessen vier Triebwerke nach dem Abheben eins nach dem anderen ausfallen - so hat Klaus Peter, damals CIO des Flugzeugbauers Fairchild Dornier, die Situation erlebt, als der Konzern am 2. April letzten Jahres Insolvenz anmelden musste. "Da merken Sie zunächst auch nichts, denn das Flugzeug steigt ja erst mal weiter."

Zweieinhalb Jahre dauerte das Engagement von Peter als CIO des Unternehmens. "Das ist eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte", sagt er. "Aber eine Insolvenz muss nicht noch mal sein." Zuvor hatte Peter zehn Jahre lang beim deutschen EADS-Ableger DASA gearbeitet, zuletzt als IT-Manager beim Tochterkonsortium Eurofighter Jagdflugzeug. Der Bau des Regionalflugzeugs 728 war "eine Herausforderung, die jeden, der dabei sein konnte, fasziniert hat. Wir waren überzeugt, dass es machbar ist - und entschlossen, es zu schaffen."

Kurz bevor der 70-Sitze-Jet zum ersten Mal abheben konnte, kam jedoch das Aus. Wenn der 40-Jährige von damals erzählt, klingt das wie eine Geschichte aus der New Economy. Zusammen mit den Investoren wollte das größtenteils im Jahr 2000 angeheuerte Managementteam eine ganze Flugzeugfamilie neu entwickeln. Für Fairchild Dornier sollte es der Turnaround werden. "Denn mit dem Single-Produkt, dem 30-Sitze-Jet 328, kann man in einem Nischenmarkt nicht überleben", weiß Peter. Bis 2006 plante Fairchild Dornier mit einem Wachstum von jährlich 25 Prozent - "bei den Mitarbeitern, beim Auftragseingang, beim Einkauf, bei allem".

Von 1500 Mitarbeitern im Jahr 1998 kletterte die Zahl auf mehr als 4000 im März 2002. Der US-Wagniskapitalfinanzierer Clayton Dublier & Rice wollte mit der deutschen Allianz Capital Partners mehr als zwei Milliarden Dollar investieren. 2003/04 sollte erst der neue 70-, später dann ein 90-Sitzer den Luftverkehr aufnehmen.

Doch alles, was schief laufen konnte, sei schief gegangen, so Peter. Zum einen sei der Luftfahrtmarkt schon anderthalb Jahre zuvor nach unten gegangen; dann kam der 11. September. "Dabei sind wir sowieso schon immer an der Grenze gewesen", sagt Peter. Es habe Verzögerungen in der Entwicklung gegeben; zweimal mussten die Flugzeugbauer ihren Zeitplan verändern. "Schließlich fragten die Kapitalgeber: ,Was ist mit unserem Investment? Wie viel müssen wir da noch reinstecken?‘"

Der 2. April bedeutete auch persönlich einen Wendepunkt für Peter: "Ohne neuen Partner war klar, dass man für die dann vielleicht noch 1000 Mitarbeiter keinen CIO mehr braucht." Dennoch konnte er aufatmen: "Für mich war der persönliche Druck weg, die Perspektive klar: Wir unterstützen für die nächsten drei Monate nur noch, was für den Erstflug der 728 relevant ist; alles andere - wie die Lieferanten- und Partnerintegration, das Windows-2000-Projekt oder die Catia-5-Migration - ist nun Beiwerk, das wir bis auf Weiteres nicht mehr verfolgen."

Der Betrieb lief auch nach dem Insolvenzantrag weiter. Die IT war dabei ein kritischer Faktor. Seine Abteilung habe sogar noch das SAP-Projekt abschließen können, sagt Peter. Die Einführung über alle Prozesse und an allen Standorten war vor der Insolvenz eines der wichtigsten Ziele. Hinzu kam die Einführung des Product-DataManagement-Systems und die Neuorganisation der Servicestruktur für bis zu 5000 Mitarbeiter, die fünf bis zehn Flugzeuge im Monat bauen sollten. Peter: "Für das 728-Programm haben wir eine komplett neue Landschaft eingeführt - ohne Rücksicht auf Altlasten."

Dafür stand ihm ein IT-Budget von 50 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. "Wir haben viel Geld in die Neukonzeption investiert. Doch es war immer klar, dass wir auf unsere Ressourcen achten müssen. Wir haben mindestens ein Jahr vor der Insolvenz überlegt, welche Projekte man strecken oder schieben kann." Bei Fairchild Dornier habe es allerdings keine Kostentransparenz gegeben. "Das Allerwichtigste für einen CIO ist aber zu wissen, für wen bezahle ich wann wie viel für welche Meilensteine und wo kommt das Geld her. Das war mir hier anfangs überhaupt nicht klar, das war niemandem klar. Wir haben sehr viel Zeit investiert, um die IT-Kosten transparent zu machen. Denn wenn man das nicht weiß, lebt man auf Wolke 17", sagt Peter heute.

Die Hoffnung, von April bis Juni einen strategischen Investor zu finden, erfüllte sich nicht. Am 1. Juli übernahm Insolvenzverwalter Eberhard Braun die Geschäfte. Mitarbeiter verloren ihr Geld, einige Lieferanten mussten selbst Insolvenz anmelden. Zum 1. Oktober ging Peter als einer der Letzten aus dem Management von Bord. 1100 Mitarbeiter sind noch in den Business-Units Airbus, Customer Support, 328 Jet und Maintenance tätig, für die zum Teil Interessenten gefunden werden konnten; mehr als 1000 Mitarbeiter wechselten in eine Transfergesellschaft.

"Ich sehe die Insolvenz nicht als Makel", sagt Peter. "Ich wünsche mir, dass die 728, die jetzt auf vielen CDs und in Kartons eingepackt ist, wieder ausgepackt wird. Auch wenn es zunächst schief gegangen ist, würde ich mich freuen, wenn ich irgendwann einmal damit fliegen könnte. Wir waren schon weit gekommen."