Wildwuchs statt Konsolidierung

Private iPhones und iPads im Unternehmen

27.05.2011 von Martin Bayer
Private iPhones und iPads akzeptieren oder aussperren? Über diese Frage zerbrechen sich viele CIOs die Köpfe. Ohne eine Strategie droht ein Wildwuchs in der Endgerätelandschaft.

Der Angriff kam von unerwarteter Seite: Der Geschäftsführer trat mit seinem neuen iPhone aus der Deckung und wollte damit jederzeit auf seine E-Mails zugreifen können. Kurz darauf klopfte der Vertriebschef in der IT-Abteilung an, ob es nicht möglich wäre, die aktuellen Verkaufszahlen auf seinem neuen iPad abzurufen. Und dann brachen die Dämme: Führungskräfte, Abteilungsleiter bis hin zum einfachen Angestellten schleppten mehr und mehr persönliche Devices vom Smartphone über Tablets bis hin zum Netbook in die Firma ein und verlangten Zugang zur Unternehmens-IT.

Millionen neue Geräte drängen in den Markt
Millionen neue Geräte drängen in den Markt.
Experten gehen davon aus, dass die Flut neuer Devices, die in den kommenden Jahren auf die Unternehmen zurollt, noch deutlich anschwellen wird.
Trend 1:
Die Marktforscher von Gartner prognostizieren, dass 2011 weltweit knapp 468 Millionen Smartphones verkauft werden, fast 58 Prozent mehr als im vorangegangenen Jahr. Bis 2015 soll der globale Absatz von Smartphones auf über 1,1 Milliarden Geräte anwachsen.
Trend 2:
Mehr als die Hälfte aller in diesem Jahr weltweit verkauften Computing-Devices werden keine PCs oder Notebooks sein, sondern Smartphones, Tablets und Netbooks, prognostiziert Deloitte. Rund ein Viertel aller Tablet-Verkäufe gehe auf das Konto von Unternehmen.
Trend 3:
Gartner zufolge werden 2011 weltweit rund 69 Millionen Tablets verkauft. Die Anwender werden dafür rund 30 Milliarden Dollar investieren. Die Prognosen anderer Marktforscher gehen noch weiter. Manche rechnen mit einem Tablet-Absatz von weit über 80 Millionen Stück.
Trend 4:
In Deutschland sollen IDC zufolge im laufenden Jahr 2,9 Millionen Tablets verkauft werden (Vorjahr: 790.000). Rund 30.000 Tablet-PCs seien Ende 2010 im Firmeneinsatz gewesen.
Trend 5:
Forrester Research taxiert den weltweiten Umsatz mit Apps für Smartphones und Tablets aus dem vergangenen Jahr auf 1,7 Milliarden Dollar. Bis 2015 soll dieser Markt um 82 Prozent jährlich zulegen.

Dieses Szenario dürfte so manchem IT-Leiter bekannt vorkommen. Experten fassen es unter den Schlagworten "Consumerization" beziehungsweise "Bring your own Device" (ByoD) zusammen. Im Grunde treffen dabei jedoch verschiedene Trends aufeinander:

IT-Abteilungen im Brennpunkt

Wie sollen IT-Organisationen reagieren? Angesichts des vielfältigen und genussvollen privaten IT-Konsums wächst unter Anwendern der Wunsch, auch beruflich schnell und flexibel mit den bekannten Werkzeugen arbeiten zu können. Dass die Nutzer dabei nicht mehr zwischen dem Firmenrechner und ihrem persönlichen Device zu Hause oder unterwegs unterscheiden möchten, ist eine logische Folge.

Das macht die Sache für die IT-Verantwortlichen in den Unternehmen nicht leichter. Sie sehen sich plötzlich mit Forderungen konfrontiert, die ihren Bemühungen der vergangenen Jahre zuwiederlaufen. Ging es zuletzt oft um Standardisierung und Konsolidierung der eigenen IT, um der wachsenden Komplexität Herr zu werden, droht jetzt mit Smartphones und Tablets ein neuer massiver Wildwuchs.

Komplexität kontra Zufriedenheit

Nachdem Apple die Lawine mit seinem iPhone und später dem iPad losgetreten hatte, ist der Markt nun für die Wettbewerber geöffnet. Daraus zieht vor allem Google Nutzen: Die offene Android-Plattform findet großen Anklang im Smartphone-Bereich und künftig - mit Version 3.0 - wohl auch auf Tablet-PCs. Während Apple und Google sich in erster Linie an Consumern orientieren und den Administratoren in Sachen Geräte-Management wenig entgegenkommen, kann Blackberry-Hersteller Research in Motion (RIM) zumindest hinsichtlich Sicherheit auf offene Ohren unter den IT-Leitern hoffen. Schwer einzuschätzen sind die Aussichten von Microsoft mit Windows Phone 7 sowie Hewlett-Packard mit WebOS.

Angesichts der Plattformvielfalt fragen sich IT-Leiter, wie sie das drohende Chaos in den Griff bekommen sollen. Ihre Steuerungsmöglichkeiten sind gering, weil sich die Mitarbeiter privat je nach Vorliebe für das eine oder das andere Modell entscheiden. Das Thema spaltet die Betroffenen in den IT-Abteilungen in zwei Lager:

Inwieweit sich neue Devices wie Tablets im Firmenumfeld durchsetzen werden, ist noch unklar. Während so mancher Experte schon von einem Siegeszug von iPad und Co. spricht, ist IDC-Analystin Eszter Morvay vorsichtiger: "Ich denke nicht, dass sich Tablet-PCs in breiter Masse in den Unternehmen durchsetzen werden, da sie weder einen PC noch ein Notebook vollständig ersetzen können." Allerdings seien die Geräte dafür auch nicht gedacht, schränkt die Analystin ein. Vielmehr würden sie zusätzlich je nach Bedarf eingesetzt.

Tablet-PCs in der Praxis
Die Hausaufgaben der IT
Die ersten Unternehmen setzen Tablet-PCs wie das iPad in der Entwicklung oder im Vertrieb ein. Doch die Einführung ist aufwändig. Folgende sechs Punkte sollten Sie bei der Einbindung ins Unternehmen beachten:
Punkt 1:
Diese Geräte wurden ursprünglich für den privaten Gebrauch entwickelt.
Punkt 2:
Der sichere Umgang mit sensiblen Daten muss gewährleistet sein.
Punkt 3:
Die IT darf also nicht die Kontrolle darüber verlieren, wer worauf zugreift.
Punkt 4:
Konfiguration, Softwareverteilung und Administration müssen zentral ablaufen.
Punkt 5:
Dazu gehören Inventarisierung, Vergabe von Zugriffsrechten, automatische Updates und Sicherheitsmaßnahmen.
Punkt 6:
Möglicherweise empfiehlt sich der Aufbau einer eigenen Tablet-Infrastruktur. Bei der Aktivierung der Geräte arbeitet SAP zum Beispiel mit zugeteilten Zertifikaten.

CIOs müssen reagieren

Einig sind sich die Experten jedoch darin, dass die IT-Verantwortlichen eine Antwort auf den Trend haben müssen. Zwar werde das Leben für CIOs nicht leichter, sagt Gartner-Analystin Nicole McCormick. Ignorieren lasse sich die Tendenz jedoch nicht mehr, und es helfe auch nicht, den Kopf in den Sand zu stecken.

CIOs müssen reagieren
BYOD - CIOs müssen reagieren
Private iPhones und iPads akzeptieren oder aussperren? Über diese Frage zerbrechen sich viele IT-Verantwortliche die Köpfe. Trägt man die Empfehlungen der verschiedenen Analysten zusammen, ergibt sich folgendes Bild:
Tipp 1:
IT-Leiter sollten offen für die Wünsche der Anwender sein. Der Trend zur Consumerisierung lässt sich nicht aufhalten. Nur wer sich darauf einlässt, wird den wachsenden Druck meistern und die Vorteile umsetzen können.
Tipp 2:
Die IT-Organisation sollte eine Strategie ausarbeiten, wie sie ihre Client-Landschaft gestalten will und welche Techniken - etwa Desktop-Virtualisierung - sie dafür benötigt. Wichtig dabei ist auch festzulegen, welche Geräte wozu genutzt werden dürfen.
Tipp 3:
Sicherheit ist ein wichtiges Thema: Doch wer den Gebrauch privater Geräte rigoros zu reglementieren versucht, riskiert im Endeffekt ebenso viele Sicherheitslecks, weil die Devices dann an der IT vorbei ihren Weg ins Unternehmen finden werden.
Tipp 4:
Die Security-Infrastruktur muss in Ordnung sein. Die IT sollte Richtlinien aufstellen, wer auf welche Informationen zugreifen darf. Zudem sollte es Notfallpläne geben, für den Fall, dass Geräte mit sensiblen Daten abhandenkommen.
Tipp 5:
Beweisen Sie Fingerspitzengefühl bei der Definition der Regeln. Wer beispielsweise damit droht, die Geräte in bestimmten Situationen zu beschlagnahmen, treibt die User dazu, die Devices unter dem Radar der IT-Abteilung durchzuschleusen.
Tipp 6:
Angesichts der wachsenden Komplexität rund um neue Endgeräte und Apps empfiehlt Forrester Research, die Verantwortlichkeit für das Management der damit verbundenen Infrastruktur zu bündeln und beispielsweise die Position eines Chief Mobility Officer einzurichten.

Trägt man die Empfehlungen der verschiedenen Analysten zusammen, ergibt sich folgendes Bild: