Fünf Pizzas bezahlen - aber nur eine mitnehmen. Bei diesem Pizzaservice würde wohl niemand etwas bestellen. Bei der Wartung von SAP hingegen gelten die gleichen Konditionen, aber da zahlen fast alle: "Wir beanspruchen den Support eher selten und nur bei komplizierten Problemen, vielleicht einmal im Monat", sagt Matthias Kell, Leiter Information Services und SAP-Projektleiter bei der Rege Motorenteile GmbH. "Den größten Teil des Supports für unsere 350 SAP-Nutzer tragen wir selbst." Zwei Mitarbeiter seines fünfköpfigen IT-Teams stellt Kell für den SAP-Support bereit. Außerdem hat er einen externen Dienstleister engagiert, der die SAP-Landschaft basisadministriert. Und hinzu kommt die Rechnung von SAP. "Letztendlich blättert man einen gigantischen Betrag hin", sagt Kell, der mit rund 1,5 Millionen Euro Gesamtbudget die IT für den 1400-Mann-Laden Rege stemmen muss. Bei 260 Millionen Umsatz nicht üppig, aber auch nicht ungewöhnlich.
Wenn Mittelständler für etwas zahlen müssen, das sie kaum nutzen, sind sie besonders sauer. SAP weist im Servicebereich eine operative Marge von 24,8 Prozent aus. Kenner munkeln, dass das Wartungsgeschäft eher 80 Prozent abwirft. Da ist es verständlich, wenn Anwender nach Alternativen suchen, im Seestern IT-Forum beispielsweise. Die Interessengemeinschaft rechnet bei Drittwartung mit Einsparungen von "mindestens 30 Prozent". Der amerikanische Anbieter Rimini Street, der sich auf Drittwartung für Oracle- und SAP-Software spezialisiert hat, wirbt sogar mit Einsparungen "von bis zu 90 Prozent". Das Unternehmen garantiert seinen Kunden, den Service für die Hälfte des bisherigen Preises zu erbringen. Für Module, die nicht genutzt werden, wird ohnehin nichts bezahlt. Erster deutscher Kunde ist die Firma Sympatex, siehe CIO-Magazin vom Dezember.
Kell will sich ausführlicher informieren und nimmt an einer Tagung teil, die das IT-Forum Seestern organisiert hat. Als Anbieter für die SAP-Drittwartung tritt Rimini Street auf und nennt einige grundlegenden Bedingungen: Drittwartung würde sich eignen für Anwender mit stabiler Installation, zufriedenstellender Funktionsabdeckung im SAP-Standard und einem Release-Stand vor ECC 5.0. Und der Bereich Human Resources (HR) sollte auf einem separaten System laufen. Diese Punkte treffen auf die SAP-Landschaft von Rege Motorenteile zu. Dort sind zwei Systeme - SAP HR sowie SAP Logistik und Finanzen - nach Modulen getrennt im Einsatz. Bei Rege Motorenteile läuft SAP ECC 6.0 EHP4, insofern würde Kell das System schon als stabile Installation einordnen.
So weit, so gut. Doch dann folgt der entscheidende Punkt: Wer den Support kündigt, erhält von SAP keine Patches mehr. Das ist heikel im Personalbereich, der aufgrund häufiger gesetzlicher Änderungen hohe Anforderungen an die Compliance stellt. 90 Prozent aller Legal Patches von SAP sind für das Modul HR. Entsprechend hoch sind die Ansprüche an den Support eines Drittanbieters. Rimini Street verspricht auch weltweite steuerrelevante, rechtliche und regulative Updates sowie einen regionalspezifischen Support. "Doch auf der Veranstaltung wurde uns eine Zahl von zwei deutschsprachigen Support-Mitarbeitern genannt", berichtet Kell. "Das war mir entschieden zu wenig. Bei 200 würden wir darüber nachdenken."
Kaum Deutschsprachige bei Rimini
Nach eigenen Angaben hat Rimini Street mehr deutschsprachige Support-Mitarbeiter für SAP, nennt aber keine genauen Zahlen. Seinen Schwerpunkt hat der Drittanbieter eindeutig im englischsprachigen Support. Das kommt bei deutschen Firmen nicht gut an. Schon SAP hatte vor einigen Jahren Schiffbruch erlitten bei seinem Versuch, einen englischsprachigen Support im neuen Business Support durchzusetzen.
Die große Unbekannte in der Rechnung bleibt SAP. Kell zweifelt, ob der Konzern mitspielt, die beiden Systeme getrennt zu betrachten und das HR-System durch SAP und das andere durch einen Drittanbieter warten zu lassen. "Ich glaube, darauf würde sich SAP nicht einlassen. Denn so hätte man Zugriff auf das Support-Portal und könnte es auch für das andere System nutzen." Auch ist er sich nicht sicher, was bei einer Rückkehr zu SAP passieren würde. "SAP könnte die Wartungskosten für den gesamten Zeitraum zurückverlangen", argumentiert er. Ähnlich wie bei stillgelegten Lizenzen: Reaktiviert man diese, hält SAP auch für den ungenutzten Zeitraum die Hand auf.
Am Ende des Tages passt die SAP-Landschaft bei Rege in einem wichtigen Punkt doch nicht ins Schema: Drittwartung eignet sich vor allem für Systeme mit hoher individueller Anpassung. Dann ist es ein Vorteil, wenn Updates und Patches für Fehlerkorrektur manuell nachprogrammiert werden. Kell allerdings setzt strikt auf Standardisierung: "Unser SAP ist ein strategisches System. Mit einer individuellen Wartung entwickelt sich die SAP-Installation weg vom Standard." Nur in einem Szenario könnte sich Kell vorstellen, auf einem Drittanbieter zu setzen: "Wenn ich weiß, dass ich mein System in den kommenden Jahren abschalten werde. Dann kann man sein System jetzt einfrieren."
Welche Möglichkeiten bleiben ihm? "Der SAP Enterprise Support kostet uns als Bestandskunde aktuell 18,858 Prozent", überlegt Kell. "Vielleicht stellen wir auf den Standard Support mit 18 Prozent um." Für den Wechsel gibt es einen weiteren Grund: Um den Enterprise Support vollumfänglich zu nutzen, müsste Rege Motorenteile einen eigenen Solution-Manager installieren. "Ich will mich aber nicht mit einem Support-System von SAP beschäftigen - einem kompletten SAP-System mit Server, Datenbank und Systembetreuung. Das kostet uns obendrauf einige tausend Euro", rechnet Kell vor und ergänzt: "Wir werden uns im Laufe des Jahres entscheiden."
Der erste Artikel zum Thema auf cio.de |
Im Dezember berichtete das CIO-Magazin zum ersten Mal über SAP-Wartung durch Dritte. Erstes auskunftswilliges, deutsches Unternehmen war der Textilhersteller "Sympatex". |