Cloud Computing

Problemlos auf dem Vormarsch

16.11.2010 von Thomas Pelkmann
Cloud Computing - Mode-Hype oder echte Alternative zur Unternehmens-IT? Und was ist mit den Bedenken? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
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Cloud Computing ist längst Realität, auch wenn die wichtigsten Cloud-Angebote nur wenige als solche wahrnehmen. Aber wer beispielsweise Fotos zu Facebook hoch lädt, Daten via Dropbox austauscht, seine E-Mails über Google verschickt oder Suchmaschinen zur Recherche nutzt, praktiziert bereits lupenreines Cloud Computing.

Auch bei einem Blick auf zwei andere Megatrends der IT, mobiles Arbeiten und soziale Netzwerke, kommt ohne Cloud Computing hier nicht aus: Denn beides ist erst möglich, wenn Dienste und Anwendungen nicht mehr nur über in sich geschlossene Firmennetzwerke zu beziehen sind, sondern über das Internet.

Telekom-Chef René Obermann ist überzeugt: "Der Markt für Cloud Computing explodiert förmlich."

Cloud Computing gehört zu den eher jungen Trends der Branche. Nach Meinung der Analysten wird das Beziehen von Rechenleistungen und Services aus der Wolke aber die IT-Szene der kommenden Jahre nachhaltig verändern. Um nur eine der vielen Studien zu zitieren: Laut einer aktuellen Prognose von Experton werden allein in Deutschland schon 2010 mehr als eine Milliarde Euro für Cloud Computing ausgegeben. Bis 2015, so die Vorhersage, werde dieser Betrag auf mehr als acht Milliarden Euro steigen.

Auch wenn diese Beträge absolut gesehen nur einen kleinen Teil der für dieses Jahr von IDC geschätzten 86,7 Milliarden Euro ausmachen, die deutsche Unternehmen für IT ausgeben: Auch hier spricht der Trend für den Erfolg von Cloud Computing. So sinkt etwa der Anteil für Hardware um 2,1 Prozent, während der von Standardsoftware um 1,3 Prozent und der für Services um 0,7 Prozent ansteigt.

Von der guten Milliarde für Cloud Computing entfällt etwa die Hälfte des Umsatzes auf die so genannten Cloud Services, vor allem die Bereitstellung von Programmen (Software-as-a-Service). Dieses wichtigste Segment wächst von 550 Millionen Euro im Jahr 2010 Experton zufolge auf voraussichtlich 4,8 Milliarden Euro im Jahr 2015. Ein Drittel steckt in Investitionen in Cloud-Infrastrukturen, im Wesentlichen in Rechenzentren. Insbesondere große Unternehmen werden zudem eigene Cloud-Umgebungen aufbauen, so genannte Private Clouds. Diese Ausgaben steigen von aktuell 400 Millionen Euro auf 2,6 Milliarden Euro im Jahr 2015. Der Rest des Marktes, derzeit rund 200 Millionen Euro, entfällt auf Beratungsleistungen und Zusatzdienste rund um die Cloud. In fünf Jahren könnte dieses Segment ein Volumen von 800 Millionen Euro erreichen.

"Der Cloud-Markt explodiert"

"Der Markt für Cloud Computing explodiert förmlich", kommentierte zum Beispiel Telekom-Chef René Obermann kürzlich anlässlich einer "Cloud Computing Konferenz" in Köln diese Zahlen. "Wir sehen eine echte Revolution in der Bereitstellung und Nutzung von IT-Leistungen." Bereits in wenigen Jahren, so Obermann, der auch Vizepräsident des Brancheverbandes Bitkom ist, würden viele Unternehmen dank Cloud Computing weitgehend ohne hausinterne Rechenzentren auskommen.

Cloud Computing ist für viele IT-Abteilungen ein konkreter Weg, mit der Anforderung umzugehen, Geld zu sparen, ohne das Serviceangebot zu reduzieren. Statt große Rechenzentren mit vielen Servern und umfangreichem Speicherplatz zu unterhalten sowie Anwendungen mit teuren Firmen- oder Nutzer-Lizenzen vorzuhalten, können Unternehmen über Cloud Computing einzelne Dienste oder komplette Pakete nach Bedarf beziehen, skalieren oder auch kurzfristig kündigen, wenn der Bedarf nicht mehr besteht. Die Kosten für Hardware, Storage und Bandbreiten fallen ebenfalls weg.

Allerdings bedeutet Cloud Computing nicht einfach die Verlegung des Firmennetzwerkes an einen anderem Ort. Es ist auch verbunden mit einem strategischen Wechsel in der IT. So muss sich ein Unternehmen, das sich für den Bezug von Services aus der Cloud entscheidet, auch mit einer Standardisierung von bisher vielleicht individuell verfügbaren Services leben. Was das bedeutet, kann nachvollziehen, wer bereits Erfahrungen etwa mit den Microsoft Office Web Apps gemacht hat: Statt einiger tausend teils sehr spezieller bieten die Cloud-Angebote von Office allenfalls deutlich abgespeckte Funktionen.

Die Standardisierung der IT ist nach Worten von Olaf Heyden, Vorstandsmitglied bei T-Systems, letztlich die einzige Möglichkeit, kostengünstige Services aus der Cloud anbieten zu können. Wer also Cloud-Dienste vor allem aus Kostengründen einführen möchte, muss mit dieser Standardisierung leben. Aber das muss nicht unbedingt ein Nachteil sein. Wer würde denn jedenfalls behaupten, dass die Arbeit mit Word oder Excel individuelle Wettbewerbsvorteile eines einzelnen Unternehmens nicht zulassen würde? Am Ende hängt es doch nicht am Werkzeug, sondern entscheidend am Inhalt, welchen Platz ein Unternehmen am Markt hat.

Individualität und Standards schließen sich nicht aus

Zudem ist Cloud Computing so angelegt, dass Individualität und Standard sich keineswegs ausschließen: Aus der so genannten Public Cloud kann man Standard-Anwendungen beziehen, die auch anderen zur Verfügung stehen. In der Private Cloud kann man eigene, individuelle Services vorhalten. Die Public Cloud bietet damit die größten Kostenvorteile, die Private Cloud die meiste Individualität. Wer aus gutem Grund auf eine Kombination beider Systeme setzt, arbeitet in der Hybrid Cloud und hat so das jeweils beste aus beiden Welten.

Die Private Cloud etwa dürfte für Unternehmen aus der Fertigung wichtig sein, die mit hoch spezialisierten CAD-Anwendungen und großen F&E-Abteilungen über sehr komplexe Umgebungen und zudem über individuelle und sehr wertvolle Daten verfügen. Aber selbst hier kann die Cloud in hybriden Umgebungen Vorteile bieten: "Gerade bei großen Unternehmen mit eigener Software-Entwicklung ist es so, dass es sehr aufwändig ist und Wochen bis Monate dauern kann, eine Infrastruktur für Test und Entwicklung aufzusetzen", meint Experton-Analyst Steve Janata. "In der Cloud braucht man dafür nur noch Minuten. Unternehmen gewinnen damit deutlich an Agilität, haben ihre Anwendungen schneller fertig und sind damit viel näher am Kunden." Die Public Cloud bietet sich für alles andere an: Collaboration und Kommunikation, Office-Standardaufgaben, Datenspeicherung und -sicherung.

Allerdings ist der Umstieg in die Cloud nicht zu jedem Zeitpunkt sinnvoll. Wer zum Beispiel gerade sein E-Mail-System auf den neusten Stand gebracht oder mit dem Zukauf von Servern erweitert hat, zieht aus einem Umzug keine direkten Vorteile. Ebenso wenig lässt sich ein auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter und Abteilungen angepasstes Mail-System mit Mehrwert in die Wolke verfrachten.

Sinnvoll sind Umzugspläne dann, wenn Altsysteme vor der Ablösung stehen, neue Lizenzkäufe für Mailserver oder Frontends anstehen oder wenn sich ein Unternehmen dazu entschieden hat, komplexe Services zugunsten einer transparenten Preisgestaltung in Richtung Standards zu verändern. Letzteres brächte zugleich die größten Sparpotenziale: Standards sind einfach sehr viel billiger als eine individuelle Rundumbetreuung.

Eine Änderung im Angebot wird nicht immer ohne Spannungen abgehen: Nicht jede Abteilung oder jeder Mitarbeiter wird bereit sein, auf individuell verfügbare Dienste zu verzichten. Aber letztendlich ist alles eine Preisfrage: Ist das Unternehmen bereit, viel Geld für individuelle Services auszugeben oder kommt es zu dem Schluss, auch mit Standards alle wichtigen Aufgaben abdecken zu können.

ERP: Hoher Individualisierungsgrad nicht zu rechtfertigen

"Bei ERP etwa ist der sehr häufig anzutreffende hohe Individualisierungsgrad nicht zu rechtfertigen", meint Experton-Experte Janata. Der damit verbundene Aufwand stehe "in keinem Verhältnis zu dem tatsächlichen Wettbewerbsvorteil", den man daraus ziehen könne. Es würde daher vielen gut tun, sich darauf zu besinnen, was sie wirklich bräuchten und alles andere zu standardisieren.

Tatsächlich könnte sich über Standardisierung, die aus gutem Grunde in der Cloud gut aufgehoben ist, die Obermann’sche Eingangsprognose bestätigen, nach der "bereits in wenigen Jahren" viele Unternehmen dank Cloud Computing ohne hausinterne Rechenzentren auskommen könnten. In den USA ist das schon heute so, berichtet Steve Janata: "Hier bekommen Startups für Hardware und Infrastruktur überhaupt keine Gelder mehr." Auf diesem Wege würden sie dazu gebracht, ihre IT direkt in der Wolke aufzubauen. "Bei solchen Neugründungen", so Janata, "wird es die klassische IT-Abteilung gar nicht mehr geben".

Für die bestehenden bleibt dennoch genug Arbeit übrig, wenn auch nicht für die volle Mannschaftsstärke. Schließlich müssen sich die IT-Abteilung der Zukunft nicht mehr um den Erhalt der Infrastruktur, die Verfügbarkeit von Leitungen und Bandbreiten oder um die Lizenzen für Betriebssysteme und Anwendungen kümmern. Aber man braucht auch künftig qualifizierte Leute, die definieren können, welche Services für das Unternehmens-Business unabdingbar seien.

Vor allem bleibe die IT, so Steve Janata, auch in Zukunft für alle Sicherheits- und Compliance-Fragen verantwortlich. "Das kann man nicht an einen externen Dienstleister delegieren. Die letztliche Verantwortung dafür trägt das Unternehmen selber." Auch der Umgang der eigenen Mitarbeiter im Unternehmen mit Sicherheitsanforderungen, Policies oder sensiblen Firmeninformationen bleibe im Aufgabenbereich des CIOs. Der werde darüber hinaus aber eher zum Berater von Business und Geschäftsführung, der hilft, den IT-Einsatz im Unternehmen zu fördern.

"Das Berufsbild des CIOs verändert sich ziemlich stark. Er wird künftige daran gemessen werden, wie viel Mehrwert er dem Unternehmen ins Haus bringt."

Vorbehalte gegen die Cloud aufgeben

Zeit also, dass sich CIOs von ihren Vorbehalten der Cloud gegenüber lösen und beginnen, der Unternehmens-IT eine neue Grundlage und sich selber ein neues Berufsbild zu verpassen. Aber was ist mit den klassischen Bedenken gegenüber der Cloud: der mangelnden Sicherheit, der ungenügenden Transparenz und der nicht ausreichenden Verfügbarkeit?

Die Bedenken sind in vielen Fällen überzogen, meint Steve Janata. "Eine unternehmenseigene IT ist ebenfalls häufig Ziel von Attacken. Keine Unternehmens-IT ist rund die Uhr zu 100 Prozent sicher und verfügbar, die meisten Unternehmen können mit dem Sicherheitsniveau eines großen IT-Dienstleisters nicht mithalten", relativiert er die Sicherheitsbedenken gegenüber Cloud-Angeboten. Verglichen damit seien Cloud-Angebote sowohl hochverfügbar als auch sicher, so der Experton-Experte.

Beim Thema Datenschutz gebe es allerdings noch kritisches zu berichten: "Die bundesdeutschen Gesetze etwa verlangen, dass personenbezogene Daten nicht außerhalb Deutschlands gespeichert werden dürfen." Wer da auf Public Cloud-Angebote von Google oder Amazon zurückgreife, bewege sich in einer "absoluten Grauzone". Der physische Standort der Server und damit der Ort der Speicherung seien eher unbekannt. "Damit ist es nahezu unmöglich, den Buchstaben des Gesetzes Folge zu leisten. Für viele Unternehmen ist es daher eine Güterabwägung zwischen den Folgen einer potenziellen Datenschutzverletzung und den mit Cloud Computing einhergehenden Vorteilen", konstatiert Janata. Deshalb ist es angeraten sich einen Dienstleister zu wählen, der Rechenzentren in Deutschland, oder zumindest innerhalb der EU betreibt.

Die Zusammenarbeit mit einem Dienstleister vor Ort sei auch aus einen anderen Grunde sinnvoll: "Es ist besser", meint Steve Janata, "sich mit einem Anbieter vor einem deutschen Gericht zu streiten, als zum Beispiel vor einem irischen".