IT-Weiterbildung

Projekt mit Abschlussprüfung

07.10.2002 von Holger Eriksdotter
Das Kürzel APO steht neuerdings für Fortschritte in der IT-Ausbildung. Das Konzept der "Arbeitsprozessorientierten Weiterbildung": Erstmals können IT-Mitarbeiter am Arbeitsplatz branchen- und technologieneutrale, bundesweit anerkannte Zertifikate erwerben.

"Nach jahrelangen Lippenbekenntnissen, die betriebliche Weiterbildung aufzuwerten, ist APO für die IT-Berufe ein echter Durchbruch", sagt Stephan Pfisterer, Referent beim ITK-Branchenverband Bitkom. Entstanden ist das Konzept aus dem Bündnis für Arbeit und der Debatte um Greencard und IT-Fachkräftemangel. Die Idee: Am Beispiel eines realen Projekts am Arbeitsplatz stellt der Teilnehmer, begleitet von einem Coach (Prozessberater) und einem Fachberater seine Methoden- und Lösungskompetenz unter Beweis.

Das APO-Modell wird öffentlich gefördert und stützt sich auf einen breiten Konsens. An der Planung waren alle maßgeblichen Institutionen beteiligt: das Bundesministerium für Bildung und Forschung, Gewerkschaften, das Bundesinstitut für Berufsbildung, das Fraunhofer Institut für Software und Systemtechnik, Industrie- und Handelskammern, Branchenverbände wie Bitkom und der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie, Bildungsträger und IT-Unternehmen.

Es ist kein Zufall, dass sich das Weiterbildungsangebot an IT-Fachkräfte richtet: Im IT-Kernbereich, wo es nach wie vor an High Potentials mangelt, sind etwa 50 bis 70 Prozent der Beschäftigten Quereinsteiger ohne offizielle IT-Qualifikation. Als "Bypass für den Bottleneck Hochschule", wie Arbeitsmarktexperte Pfisterer sagt, eröffnet APO auch für Absolventen der IT-Ausbildungsberufe neue Wege.

Lernen am Arbeitsplatz ist an sich nichts Neues und gehört gerade in der IT-Arbeitswelt fast zur Normalität. Auf diese Weise erworbene Qualifikationen fallen aber fast immer in eine Grauzone: Sie sind von der Personalabteilung kaum einschätzbar und für die Karriereplanung selten von konkretem Vorteil. Wer beruflich aufsteigen will, ist in der Regel auf Hochschulexamen oder IHK-Bescheinigung angewiesen.

Hier setzt das APO-Konzept an: In realen Projekten am Arbeitsplatz können sich Mitarbeiter weiterqualifizieren und bundesweit anerkannte Zertifikate erwerben. Wenn sich das Modell etabliert, könnte es nebenher ein wenig Ordnung in die mehr als 400 IT-Berufsbezeichnungen bringen. Von 29 Ausprägungen des "IT-Spezialisten", der auf den IT-Ausbildungsberufen oder einer vergleichbaren Berufserfahrung aufbaut, über den "Operativen Professional", der dem Niveau des Bachelor-Abschlusses entspricht, bis hin zum "Strategischen Professional" als Äquivalent zum Master-Abschluss eröffnen sich innerbetriebliche Fortbildungsmöglichkeiten.

29 IT-Spezialisten

Das Fraunhofer Institut hat für die 29 IT-Spezialisten Referenzprofile entwickelt und sie in sechs Funktionsgruppen unterteilt (siehe Kasten). Zu Beginn der APO-Weiterbildung erarbeitet der Teilnehmer mit einem Coach Lernwege und -ziele für sein "Transferprojekt". Diese werden in einer "Qualifizierungsvereinbarung" fixiert. Lösungen für Teilprobleme sind nicht vorgegeben, die muss der Teilnehmer selbstständig finden; dafür steht ihm ein Fachberater zur Seite. Auch die Aneignung von theoretischem Wissen geschieht in Eigenregie.

Eine zentrale Rolle spielt die Dokumentation des Projekts. In einem "Projektkompass" muss der Teilnehmer seine Überlegungen darlegen, Schlüsselsituationen beschreiben, methodische Entscheidungen begründen und den Projektverlauf detailliert festhalten. Zudem stehen regelmäßige Reflexionsgespräche mit dem Prozessberater auf dem Ausbildungsprogramm.

Die Deutsche Telekom hat als erstes Unternehmen elf Mitarbeiter zu Netzwerkadministratoren fortgebildet - und damit gute Erfahrungen gemacht. Ab Herbst sollen 50 bis 60 weitere folgen. Auch die Fortbildung anderer IT-Spezialisten wird erwogen.

Unternehmensgröße spielt keine Rolle

Der personelle und organisatorische Aufwand für die APO unterscheidet sich stark von der bisherigen Praxis: "Die APO-Methodik setzt voraus, dass ein Coach und ein Fachberater den Ausbildungsgang begleiten", sagt Jörg Caumanns, zuständiger Abteilungsleiter beim Fraunhofer Institut. Zugleich widerspricht er der Annahme, dass nur große Unternehmen über eine entsprechende Infrastruktur verfügen. Die nötige Organisation und das Fachwissen würden in der Regel auch für kleine und mittlere Unternehmen kein Problem darstellen. Die Kompetenz der Prozessberater ließe sich entweder gemeinsam schaffen oder bei einem Bildungsanbieter einkaufen.

Das bestätigt auch Anette Morhard, Geschäftsführerin des Bildungswerks der Thüringer Wirtschaft. Derzeit läuft ein Modellprojekt, bei dem sich 15 Teilnehmer aus zehn Unternehmen zum "IT-Project Coordinator" fortbilden - nach einem APO-Spezialistenprofil, an dessen Entwicklung das Thüringische Bildungswerk mitgewirkt hat. Drei Mitarbeiter des Bildungswerks haben sich zum Prozessberater weiterqualifiziert und übernehmen die Rolle des Coaches. "Die Teilnehmer kommen aus Klein- und Kleinstbetrieben; gerade für sie eröffnen sich mit dem APO-Modell neue Möglichkeiten der beruflichen Weiterbildung", ist Bildungsexpertin Morhard überzeugt.

Ob der neue Ansatz zusätzliche Kosten verursacht, ist noch schwer abzuschätzen. Der höhere personelle und organisatorische Aufwand wird nach Ansicht von Caumanns größtenteils kompensiert: "Früher war die Weiterbildung ja auch nicht kostenlos; durch das APO-Modell entfallen Abwesenheitszeiten, und die Mitarbeiter sind besonders motiviert, ihre Transferprojekte zum Erfolg zu führen."