Anlässe für IT-Projekte gibt es reichlich: neue Technologien, gesetzliche Vorgaben, Anforderungen aus den Fachabteilungen. Der Alltag nicht nur der IT-Abteilungen besteht längst zu einem guten Teil aus Projektarbeit.
Auf den anhaltend hohen Anteil misslungener Projekte wirkt sich das aber offenbar nicht aus: Gerade einmal 32 Prozent aller Projekte, so das Ergebnis einer Befragung der Bostoner Standish Group, werden in der geplanten Zeit fertig, verschlingen nicht mehr Budget als geplant und erfüllen die anfangs festgelegten Anforderungen.
Über die Gründe für das regelmäßige Scheitern gibt es viele Spekulationen. Die einen halten IT-Mitarbeiter per sé für nicht geeignet, weil sie den Fokus zu sehr auf technische Fragen legten. Andere sehen unerfahrene Projektmanager als Grundübel an: Die lassen sich von oben steuern, anstatt klar die Projektziele zu verfolgen. Immer wieder taucht auch mangelnde Kommunikation in den Projektteams als mögliche Ursache des Misserfolgs auf.
Für Hauke Thun sind die erfolgskritischen Faktoren von Projekten vor allem in der Unternehmenskultur zu suchen: Er hat eine mangelnde Wertschätzung der Firmen für die Projektarbeit ausgemacht und fordert konsequenterweise deren Aufwertung sowie eine größere Anerkennung für die Mitarbeiter.
Projekte brauchen klare Ziele
Die Erfolgsgeschichte von Projekten beginnt für Thun aber ganz am Anfang: "Ein Projekt muss klare Ziele haben, die vom Management unterstützt werden und die mit den Unternehmenszielen abgestimmt sind." Unklarheit über das gewünschte Ergebnis oder falsche Erwartungen würden viele Projekte in den Abgrund reißen, meint der Inhaber des Projektmanagement-Büros PM Firefighters im Gespräch mit CIO.de.
Wichtig sei aber auch, dass im Unternehmen die Rolle der Projektmanager klar geregelt sei. Mangelndes Rollenverständnis bei und fehlende Wertschätzung von Projektmitarbeitern sorgten häufig dafür, dass die Arbeit scheitere, meint Thun. "Soll das Projekt erfolgreich sein, dann ist der Projektmanager der Kapitän, der das Sagen hat, kein Leichtmatrose zum Deck schrubben."
Dazu käme die notorische Unterbewertung von Projektarbeit: "Ein Mitarbeiter, der engagiert an Projekten mitwirkt oder sie erfolgreich leitet, erfährt in den meisten Fällen nicht die gleiche Anerkennung und Förderung, wie seine Kollegen aus der Linie". Führungskräfte, so Thun weiter, nähmen die Projekteinbindung ihrer Mitarbeiter häufig wie eine Black Box wahr: Man sieht nichts und man hört nichts.
Dabei sollte Projektarbeit durchaus auch unter Karrieregesichtspunkten betrachtet werden, fordert Thun. "Firmen sollten ihre Mitarbeiter dazu ermuntern, in Projekten mitzuarbeiten." Dort könne man, gerade auch als junger Mitarbeiter, lernen und weiterentwickeln und - bei entsprechender Würdigung im Unternehmen - damit einen Karrieresprung machen. "Man kann durch Projektarbeit in sehr kurzer Zeit sehr viele Erfahrungen sammeln", so Hauke Thun.
Zu einer Projektkultur im Unternehmen gehöre es aber auch, dass Mitarbeiter nach ihrer Projekttätigkeit ihren Platz "in der Linie" anschließend auch mühelos wiederfinden. Alles zusammen sorge dafür, dass Mitarbeiter die Abordnung in ein Projekt nicht als Karrierebremse oder gar Strafe empfänden, sondern als Chance sich weiterzuentwickeln.
Projektmanagement-Berater Thun ermuntert Unternehmen, besonders jungen und weniger erfahrenen Mitarbeitern die Chance zu geben, Projekte zu managen und zu leiten: Es muss ja nicht gleich ein Ozeandampfer sein, den ein Kapitän auf Zeit zu lenken habe: "Ein Segelboot tut es doch auch".
Dennoch sind die Anforderungen an Projektmanager hoch: "Er muss dafür sorgen, dass alle Projektmitarbeiter und Unternehmensverantwortlichen jederzeit wissen, wo sie stehen, wo Risiken und Probleme liegen und was zu tun ist." Zudem müsse ein Projektmanager neben hervorragenden Organisations-, Koordinations- und Kommunikationsfähigkeiten auch ausgeprägte Führungsqualitäten vorweisen können, um seine Projektteams konstruktiv leiten zu können.
Projektmanager brauchen ein eigenes Karrieresystem
"In der Konsequenz", so noch einmal Projektberater Hauke Thun, "entwickelt sich daraus ein eigenständiges Karrieresystem für Projektmanager im Unternehmen". Es könne mehrere Projektmanagement-Stationen als Voraussetzung für spätere Abteilungsleiter- und Geschäftsführungspositionen beinhalten. Oder aber es stützt sich "auf eine separate Führungskultur, in der wachsende Einbindung und Verantwortung in aufeinander folgenden Projekte Teil einer Laufbahn im Projektmanagement sind". Dafür, so Thun, müssen HR-Abteilungen ein eigenes Weiterbildungssystem für Projektmanager aufbauen.
Dazu gehöre ein Tracking-System, mit dem sich persönliche Leistung einer Führungskraft im Projekt zuverlässig beurteilen lässt. "Die Gleichung ‚Projekt gescheitert - Projektmanager nicht erfolgreich’ wäre zu kurz gesprungen." Vorgesetzte und Personalentwickler bräuchten deshalb Kriterien, mit denen sich Projekt-Erfolg auch jenseits der ursprünglichen Zielsetzung beurteilen lässt.
Projekte, in denen über Ziele und Entwicklungen Transparenz herrscht, scheitern nicht, so Thun. "Da müsste es schon mit dem Teufel zugehen, wenn dann etwas passiert, mit dem keiner gerechnet hat." Transparenz und Kommunikation im Projekt könnten aber auch dazu führen, so Thun, dass ein Projekt vorzeitig abgebrochen wird. "Im Extremfall kann ein Projekt auch erfolgreich sein, wenn ich es stoppe, bevor horrende Summen nicht nur ausgegeben, sondern aus dem Fenster geschmissen werden", so Thun. Der Erfolg eines Projekts - auch das könnte die Quote gescheiterter Vorhaben drastisch senken - hängt eben nicht nur davon ab, es zu einem glücklichen Ende gebracht zu haben.