ProSiebenSat.1-Chef Max Conze hat die schwer gebeutelten Aktionäre um Geduld beim Umbau des Konzerns gebeten. Auf der Hauptversammlung am Mittwoch in München kündigte er zudem für kommenden Dienstag ein erstes greifbares Ergebnis an: Dann startet die kostenlose Streaming-Plattform Joyn mit gut 50 Sendern, auch mit ARD und ZDF. Damit könnten die Zuschauer "deutsches TV gebündelt in einer App schauen", sagte Conze. In zwei Jahren will er damit zehn Millionen Zuschauer erreichen und den Rückgang der Werbeerlöse im traditionellen Fernsehen ausgleichen.
Den kostenpflichtigen US-Streamingdiensten wie Netflix oder Amazon Prime will ProSiebenSat.1 auch mehr eigenproduzierte Filme und Live-Shows entgegensetzen. Die notwendigen Investitionen finanzieren die Aktionäre mit einem Verzicht bei der Dividende: Sie wird im Vergleich zum Vorjahr um rund 40 Prozent gekürzt. Das sei zwar happig, aber okay, sagten Aktionärsvertreter. Denn es sei "viel wichtiger, dass das Unternehmen nun die Kurve kriegt und investiert", sagte Daniela Begdolt von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
Wegbrechende Werbeerlöse treffen ProSiebenSat.1 im Kern
Denn ProSiebenSat.1 leidet wie andere Fernsehsender unter dem Rückgang der Werbeerlöse. Statt fernzusehen, surfen viele Zuschauer lieber im Internet oder wandern zu Netflix oder anderen Dienstleistern ab. Rund 23 Millionen Deutsche nutzen dem Marktforscher GfK zufolge heute kostenpflichtige Streamingdienste.
Conze, der vor einem Jahr zu ProSiebenSat.1 kam, hat Ladenhüter bei US-Serien ausgemistet und begonnen, kräftig ins vernachlässigte Programm zu investieren. Mit RTL zusammen hat er soeben eine Plattform geschaffen, die Fernsehen und Internet vernetzt und den Werbekunden viel zielgenauere Werbung ermöglicht. Das soll bald 400 Millionen Euro Umsatz zusätzlich bringen. Sogar zwei Milliarden Euro Umsatz erwartet er ab 2023 aus den Online-Geschäften von Parship, Verivox und Co.
Der Umbau ist dringend nötig - der Aktienkurs ist seit Conzes Amtsantritt weiter gefallen von 25 auf 15 Euro. Vor gut drei Jahren stand er sogar noch bei 50 Euro. "Uns allen ist bewusst, dass Sie unzufrieden sind. Zu Recht", sagte Conze den Aktionären.
Vorstandsgehälter in der Kritik
Aktionärsvertreter brachte aber etwas anderes auf die Palme: Die Vorstandsgehälter. Den Börsenwert zu halbieren und dann die Vorstandsgehälter um 60 Prozent zu steigern, erscheine wie "der blanke Wahnsinn", sagte Elisa Haralampides von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (Sdk). Drei Millionen Euro Antrittsprämie für Conze seien angesichts des heutigen Zustands der Firma jedenfalls "nicht nachvollziehbar".
Der Deutsche-Börse-Aufsichtsrat Johannes Witt sagte als Privataktionär von ProSiebenSat.1, obwohl Gewinn, Dividende und Kurs sinken, habe Conze in den ersten sieben Monaten 5,5 Millionen Euro erhalten. Das Jahresgehalt von Conzes Stellvertreter Conrad Albert sei auf 3,7 Millionen Euro verdoppelt worden. DSW-Expertin Bergdolt betonte, Conze lege den Fokus auf die richtigen Entwicklungen. Aber ProSiebenSat.1 erkaufe sich seine Qualitäten "vielleicht ein bisschen zu teuer".
Was der überraschende Einstieg des italienischen Konzerns Mediaset für die Zukunft von ProSiebenSat.1 bedeutet, bleibt unklar. Albert betonte, mit 9,6 Prozent sei der Fernsehkonzern des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi noch kein Großaktionär. Die Italiener sprachen bereits von einer europäischen Fernsehallianz unter ihrer Führung - Conze dagegen sieht keine Logik in einer industriellen Zusammenarbeit. Am Mittwoch nannte er den Einstieg aber nur einen Vertrauensbeweis in seine Strategie. Ob er schon italienisch lernt, ließ er offen.
Mediaset ist kleiner als ProSiebenSat.1 und könnte durchaus profitieren. Denn ProSiebenSat.1 sei "die am schnellsten wachsende, innovativste und am breitesten aufgestellte Sendergruppe", erklärte Daniel Kerven von der Investmentbank J.P. Morgan in einer Studie.
Conze bat die Aktionäre um Vertrauen. Das Rennen erfordere Ausdauer und sei noch nicht gewonnen: "Aber es geht voran." (dpa/rs)