Viele Hersteller von Prozessmodellierungswerkzeugen haben ihr Funktionsangebot ausgebaut. Kennzahlenanalyse und Prozessteuerung waren dabei wesentliche Entwicklungstreiber. Das ist das Ergebnis der Studie "Prozessmodellierungswerkzeuge" des Analystenhauses BARC. Darin erhalten Unternehmen auf 490 Seiten eine detaillierte Hilfe bei der Wahl der passenden Software. Insgesamt wurden zwölf Werkzeuge getestet.
Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass bei der kostenlosen Open-Source-Software Intalio die Funktionalität zur Workflow-Steuerung hervorgehoben werden muss. Die Software besteht aus zwei Komponenten: dem Designer und dem Server. Der Designer basiert auf Eclipse und modelliert durch das Erstellen eines BPMS-Modells und das Anpassen von Variablen einen vollständig ausführbaren Prozess. Per Mausklick wird dieses Modell dann von BPMN nach BPEL 2.0 und BPEL4People transferiert. Der Designer greift dabei auf gängige Eclipse-Module wie das GEF (Graphical Editing Framework) zurück und ermöglicht so eine schnelle Modellierung über Drag&Drop.
Die Software verwendet für die Modellierung der Prozesse standardmäßig die Business Process Modeling Notation und stellt alle gängigen Shapes zur Verfügung. Über spezielle und kostenfreie Add-Ons für Eclipse können auch die Modellierungsobjekte für die EPK, UML oder für Petri-Netze aus dem Internet herunter geladen werden. Bei der Modellierung kann auf die standardmäßigen Operatoren und Konnektoren der BPMN zurückgegriffen werden.
Das Konzept von Intalio besteht größtenteils darin, aus einem modellierten Geschäftsprozess einen ausführbaren BPEL-Code zu erzeugen. Die Software ist nur für einen Anwender ausgelegt und besitzt daher keine Mehrbenutzerfähigkeit mit eigenem Rollen- und Rechtekonzept. Positiv bewertet wird allerdings die mögliche Integration des kostenlosen Open Source Content Management System Alfresco. Über dieses können bestimmte Mitarbeiter beispielsweise über Prozessveränderungen informiert und prozessspezifische Dokumente verwaltet werden.
Die Studie hat ergeben, dass sich Intalio auf die Darstellung der einzelnen Prozessschritte beschränkt. Das bedeutet: Es gibt kein Sichtenkonzept für eine parallele Verwaltung von zugeordneten Daten, Ressourcen, Organisationseinheiten oder Applikationen. Entsprechend fällt auch die Bewertung der Modellanalysefähigkeiten aus.
Auch bei der Simulation kann das Produkt nur bedingt punkten. Der Grund: Den Prozessen müssen die Kennzahlen umständlich über Funktionen und Variablen zugeordnet werden. Für die Auswertung der Kennzahlen und für das Finden von Engpässen werden keine Funktionen angeboten. Hierfür kann jedoch ein kostenloses BAM-Modul (Jasper) eingebunden werden.
Sycat wird 2012 neu entwickelt
Bei der Software Sycat ist die Simulationskomponente gut gelungen. Positiv bewertet wurde auch hier die Workflow-Komponente „binner IMS Process Engine“. Sycat modelliert, analysiert, optimiert und dokumentiert Geschäfts- und Betriebsprozesse. Durch die Einbindung einer relationalen Datenbank können die dokumentierten Prozesse mit einem minimalen Pflegeaufwand verwaltet und modifiziert werden.
Die Software basiert auf einer Client-Server-Architektur. Zur Modellierung wird die zusätzliche Grafikunterstützung MS Visio benötigt. Für eine weitere Bearbeitung der Modelldaten steht eine Exportfunktion zu MS Excel bereit. Außerdem verfügt Sycat unter anderem über eine LDAP-Schnittstelle und eine standardisierte Schnittstelle zu ERP-Systemen.
Das Produkt verwendet für die Modellierung eine eigene Swimlane Notation. Eine alternative Modellierung mit der BPMN ist ebenfalls möglich. Bei der Modellierung in der herstellereigenen Notation unterstützt die Software eine Vollständigkeitsprüfung. Das bedeutet, es wird automatisch kontrolliert, ob alle Wege geschlossen sind. Ebenso werden die Modellierungskonventionen überprüft. In den kommenden zwei Jahren ist eine Neuentwicklung von Sycat geplant. Die Anwendung wird größtenteils auf .NET umgestellt. Als Programmiersprache wird C# eingesetzt.
Getestet wurde auch Adonis. Mit einem grafischen Editor können hier Prozessmodelle entworfen und verändert werden. Zusätzlich haben Anwender die Möglichkeit, tabellarisch zu modellieren. Die Anwendung basiert auf einer Client-Server-Architektur. Über die mitgelieferte HOMER-Erhebungskomponente können Modelldaten nach MS Excel exportiert werden.
Adonis wird benutzerfreundlicher
Ähnlich wie beim Export in das PDF- bzw. DOC-Format lassen sich Prozessmodelle und hinterlegte Funktionen, aber auch die Tabellenansicht in das HTML-Format exportieren. Unterstützt wird dabei ein Frame-Konzept. Die nächste Version wird benutzerfreundlicher sein. Zudem wird das Prozessportal weiterentwickelt und Java als zusätzliche Programmiersprache installiert.
Zu den weiteren getesteten Prozessmodellierungswerkzeugen gehörten: BTC Bonapart (ausgereifte Analysemöglichkeiten), DHC Vision (ausführliches Rechtekonzept), PACE (leicht erlernbar), ibo Prometheus (schnelle Modellierung), ARIS (umfassendes Werkzeug), iGrafx 2009 (vielfältige Simulationskomponenten), Aeneis 5 (viele Freiheiten), QPR Software (leicht verständlich) sowie ViFlow4 (zahlreiche Sprachoptionen).
Bei der Bewertung der auf dem Markt angebotenen Produkte hat die Studie sich hauptsächlich auf die Prozessmodellierung konzentriert. Dabei spielten Kriterien wie Supportunterstützung, Geschäftsprozessautomatisierung, die Ausgereiftheit der Methoden, Modellanalyse und die Bedienungsunterstützung eine wichtige Rolle.
Die Lösungen wurden im Rahmen einer einheitlichen Vorgehensweise untersucht. Für die Modellierung des Beispielprozesses herrschten für alle Hersteller die gleichen Bedingungen. Sie bekamen eine Fallstudie, die nach einem einheitlichen Kriterienkatalog bewertet wurde. Auf eine Rangliste der getesteten Modellierungswerkzeuge wurde dabei allerdings verzichtet.
Die Studie zeigt, dass die Standards wichtiger geworden sind. Das zeigt sich besonders im Bereich der Modellierung und in der Prozessausführungssprache. Auffällig ist zudem, dass verstärkt Referenzmodelle für unterschiedliche Branchen und Anwendungsgebiete angeboten werden. Zusätzlich können Fachanwender einfacher an die enthaltenen Informationen gelangen, was die konkrete Modellnutzung in verschiedenen Einsatzszenarien erleichtert. Simpler gestaltet wurden auch die Modellierung der Abläufe und die Definition von zusätzlichen Prozessinformationen.
Nachfrage steigt
Mit diesen Erneuerungen reagieren die Anbieter auf den Markt. Dieser ist in Bewegung. Es gibt einige wenige Hersteller, die eine herausragende Stellung haben. Doch auch andere Anbieter haben ihre Chancen erkannt, von der steigenden Nachfrage profitieren zu können. Außerdem drängen große Anbieter aus dem Ausland nach Deutschland. Dabei sind weitere Spezialisierungen und Kooperationen zu erwarten.
Die Unternehmen haben also die Qual der Wahl. Laut der Studie ist die Auswahl eines geeigneten Prozessmodellierungswerkzeugs ein mehrstufiger Prozess. Von der Definition der Anforderungen über die Vorauswahl, die Bewertung und die Entscheidung sollten alle Phasen durchlaufen werden.
Firmen benötigen in der Folge einen Überblick über alle am Markt angebotenen Software-Lösungen, die zur Erreichung des definierten Ziel geeignet erscheinen. Sobald das geschehen ist, sollten Unternehmen die relevanten Werkzeuge auf etwa vier bis acht Produkte eingrenzen. So sollte die Software beispielsweise eine bestimmte Plattform unterstützen oder spezielle Funktionen zur Recherche und Verteilung der Modelle anbieten.
Wichtig ist zudem die Erstellung eines Kriterienkatalogs. Dessen Inhalt ergibt sich aus der Anforderungsanalyse. Der Katalog sollte funktionale und technische Kriterien enthalten, die bei jedem einzelnen Produkt getestet oder erhoben werden. Selbstverständlich sollte auch der Preis samt Lizenz- und Schulungskosten beachtet werden. Die Erstellung eines Prototyps dient als letzter Schritt zur Beurteilung der Software.