Vor vier Jahren gab Karl-Heinz Löw den Startschuss für eine neue Ära im Projekt-Management. Doch nicht die Auswahl einer Projekt-Management-Software stand auf der To-do-Liste des CIOs beim Medizintechnik- Unternehmen B. Braun Melsungen ganz oben. Erst - so seine Direktive - sollten seine Mitarbeiter ihre Hausaufgaben machen. Und das hieß: die Prozesse im Konzern sammeln und auf Papier bringen. "Oft kamen die Fachbereiche mit konkreten Tool-Vorstellungen auf uns zu", so die Erfahrung von CIO Löw, "und erst nachdem es gekauft war, stellte man fest, wie das Tool arbeitet." Und dann konnte das IT-Tool die nötigen Prozesse gar nicht abbilden: Nicht in Technologien denken, sondern in Prozessen, forderte Löw daraufhin. Und gründete ein Projekt-Management-Office, das Transparenz in die Prozesslandschaft bringen sollte.
B. Braun Melsungen hatte zur damaligen Zeit gerade seine IT neu aufgestellt und damit begonnen, SAP weltweit auszurollen. Virtuelle Kompetenz-Center sind seit der IT-Ausrichtung auf globale Märkte in einer Matrixorganisation für Themen wie Technologien, Lösungen und Logistik zuständig. Und sie sind entsprechend auf dem gesamten Globus unterwegs - das heißt für das Medizintechnikunternehmen in den Regionen Deutschland und Europa, im asiatisch-pazifischen Raum, in Süd- wie Nordamerika, für die jeweils eigene CIOs eingesetzt sind. "Parallel hierzu", erläutert Löw, "schauten wir uns die IT-internen Prozesse an." Das Ziel des IT-Verantwortlichen von B. Braun Melsungen war, bis zum Abschluss des internationalen SAP Roll- outs Ende 2008 auch die eigenen Prozesse im Griff zu haben.
Die Prozesssuche beschränkte sich zunächst auf Deutschland, wo 213 der knapp 500 IT-Mitarbeiter des nordhessenischen Unternehmens (Umsatz 3,3 Milliarden Euro) mit über 33.000 Beschäftigten arbeiten. Löw sieht jedoch die Etablierung eines Projekt-Managements als dringend nötig für das Management einer international tätigen Organisation. Zudem möchte der CIO seinen Kundenservice verbessern ("Projekt Wow!") und nicht zuletzt Kosten einsparen. Doch was tun, um möglichst auf Dauer die Fähigkeiten der Informationstechnologie für das Management und die Durchführung von Projekten zu verbessern? Die Antwort hieß zunächst einmal: Nichts überstürzen.
Paralleles Tooling oft anzutreffen
Löw schuf also ein Projekt-Management-Office (PMO), dessen Aufgabe es war, die wichtigen Prozesse im Konzern zu finden und zu sortieren. Von IT-Tools war noch überhaupt nicht die Rede. Volker Rath vom Beratungshaus Lynx spricht von einem "ordentlichen Formalismus". Und der war nach zwei Jahren noch immer nicht abgeschlossen. Das Vorgehen überrascht Rath dennoch nicht: "Erst die Prozesse auf Papier zubringen und dann das Tool auszuwählen erscheint mir die sinnvollste Vorgehensweise zu sein", so Rath, der allerdings bei vielen Firmen ein "paralleles Tooling" konstatiert.
Inzwischen hat das PMO die standardisierten Prozesse definiert und Schlüsselprozesse implementiert. Wobei "implementiert" nicht bedeutet, dass bereits eine Software gefunden wurde, die die Handhabung der Projekte einfacher macht. "Wichtig war uns, die neu definierten Prozesse zunächst einmal zu erproben", sagt Löw. "Welche technische Lösung nachher die Prozesse unterstützt, war zweitrangig." Projekt-Management-Berater Rath von Lynx geht sogar so weit, dass er sagt: "IT ist nicht unbedingt nötig, um erfolgreich zu sein." Noch verzichtete B. Braun auf eine reine Projektmanagement-Plattform. Löw etablierte in dieser Phase einen Demand-Management-Prozess, der erforderte, einen Antrag bei der globalen IT einzureichen, die diesen prüft und das Projekt dann nach einer Evaluierung gegebenenfalls zum Start freigibt. "Für die wichtigsten Projekte bekamen wir regelmäßige standardisierte Projektstatus-Reports", sagt Löw. Fachbereiche brachten ihre Projektvorschläge auf einem Standardformular zentral im PMO ein.
Das PMO weist einen speziellen IT-Bereich zu, der den Vorschlag analysiert und dem Fachbereich einen Lösungsvorschlag zurückschickt. "Vorher hatte es immer wieder Ressourcen-und Zeitprobleme innerhalb der Projekte gegeben, da der eine nichts vom anderen wusste", wie Löw sich ausdrückt. Word, Excel und Access waren die drei Programme, mit denen Löw die erste Stufe der neuen Transparenz erreichte.
Sogenannte Prozesskoordinatoren aus den Fachbereichen tragen heute die Projekte an die IT heran - jeweils zwei Mitarbeiter aus dem Controlling oder der Finanzbuchhaltung, je einer aus der Qualitätssicherung und der Produktion. Sie sind die Mittler zwischen der IT und den Fachbereichen. Das ist eine wichtige Voraussetzung für den nächsten Schritt, die Technisierung des Prozesses.
Ende 2005 schließlich kam Löw nämlich doch zu der Erkenntnis, dass das Projekt- und Portfolio-Management auf Basis der bestehenden Technologien nicht weiterbetrieben werden sollte. Das bestätigte eine interne Analyse. "Zur internationalen Nutzung sind ein effizienter, elektronisch unterstützter Anforderungsprozess notwendig und auch eine stärkere Standardisierung im Projekt-Management-Prozess", fasst CIO Löw die Haupterkenntnis zusammen. Den Bedarf international über Fax und Papier abzuwickeln erwies sich als nicht mehr handhabbar. Und so formulierte Löw seine Anforderungen an das künftige Projekt- und Portfolio-Management: im Anforderungs-Management effizienter, im Projektmanagement-Prozess standardisierter, innerhalb der bestehenden Projekte transparenter werden sowie die Ressourcen besser planen.
Alle Prozesse in einem Handbuch
Voraussetzung für die Auswahl einer Projekt- und Portfolio-Management-Methode war, eine standardisierte Projektmethodik auszusetzen. Gemeinsam mit Lynx-Berater Rath entwickelte CIO Löw die Methode P IT, auf deren Basis Projekte künftig eingeteilt werden sollten. In einem Prozesshandbuch ( P IT-PM Guideline) sind heute sämtliche Prozesse dokumentiert. In "sechs Projektphasen und sechs Zeitpunkte für Entscheidungen des Projektlenkungsausschusses" unterteilt Löw heute sämtliche Projekte. Sechs Mal schauen die Verantwortlichen auf die Projekte und sind somit regelmäßig darüber im Bilde, wo es in Projekten hakt, um rechtzeitig eingreifen zu können und sogar Projekte zu unterbrechen.
"Nach mehreren Evaluationen hatten wir uns für SAP xRPM entschieden", sagt Löw, der fast alle gängigen Projekt-Management-Tools für tauglich hält. Den Ausschlag hat schließlich gegeben, das B. Braun SAP breit im Einsatz hatte und dadurch die Integration von xRPM vermeintlich einfacher werden würde. Als Pionier in der Medizintechnikbranche sah Löw zudem den Vorzug, dass auch SAP sich erst auf die neuen Prozesse einstellen musste und deshalb auch "willig war, noch Änderungen anzunehmen".
Sechs Milestones für neue Prozesse
Die eigentlichen - weil funktionellen - Gründe waren andere: "Wir können jetzt einen elektronischen Workflow für das Anforderungs-Management einrichten, bekommen eine Sicht auf Projekte und das gesamte Portfolio", sagt Löw. Allerdings bietet xRPM Löw lediglich jene sechs Milestones, die im P IT definiert wurden Für die Detailsicht will Löw Anfang 2008 zusätzlich das Tool cProjects einsetzen. "Im Portfolio-Management ist eine detaillierte Kapazitäten- und Ressourcensteuerung nur eingeschränkt möglich", erläutert Löw. Informationen über die Ressourcenauslastung und Aktivitäten innerhalb der Projekte bekommt Löw damit transparenter dargestellt. Die neuen Informationen spielt das System dann in aggregierter Weise an das Portfolio-Management-System zurück.
Somit hat CIO Löw nach dreieinhalb Jahren auch die passenden Lösungen für sein Projekt- und Portfolio- Management gefunden. Ende 2008 wird der weltweite SAP-Roll-out abgeschlossen sein, die IT wird dann zentral und die Infrastruktur harmonisiert sein. "Das hat 70 bis 80 Prozent unserer Kapazitäten gebunden", erläutert Löw, dessen Ziel es von Beginn an war, mit dem Ende des Roll-outs 2008 die IT-Prozesse im Griff zu haben. Kein Grund zur Eile: Ein Jahr hat er noch Zeit, dieses Ziel zu erreichen.
Somit hat CIO Löw nach dreieinhalb Jahren auch die passenden Lösungen für sein Projekt- und Portfolio- Management gefunden. Ende 2008 wird der weltweite SAP-Roll-out abgeschlossen sein, die IT wird dann zentral und die Infrastruktur harmonisiert sein. "Das hat 70 bis 80 Prozent unserer Kapazitäten gebunden", erläutert Löw, dessen Ziel es von Beginn an war, mit dem Ende des Roll-outs 2008 die IT-Prozesse im Griff zu haben. Kein Grund zur Eile: Ein Jahr hat er noch Zeit, dieses Ziel zu erreichen.