Es könnte eine der letzten großen Entscheidungen von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager werden. Bis Freitag kommender Woche (20. September) läuft noch die Frist für die Prüfung des großen Deals zwischen den Stromriesen Eon und RWE. Die beiden Essener Konzerne wollen die RWE-Tochter Innogy zerschlagen und ihre Geschäftsfelder komplett neu aufteilen. Eon soll die Netze und das Endkundengeschäft von Innogy erhalten, RWE die erneuerbaren Energien von Innogy und Eon.
Den RWE-Teil des Deals hat Vestager, deren Amtszeit am 31. Oktober endet, bereits durchgewunken. Die Prüfung der geplanten neuen Eon gilt als ungleich komplexer. Allein in Deutschland würde Eon nach der Innogy-Übernahme auf rund 14 Millionen Strom- und Gaskunden kommen. "Es drohen neue, kartellartige Strukturen, die die Liberalisierung des Strommarktes unterlaufen", warnte die Grünen-Europaabgeordnete Jutta Paulus.
Kunden müssen Stromtarife genauer prüfen
"Die neue Eon wird durch ihre Marktmacht den Energiemarkt auf den Kopf stellen", erwartet Udo Sieverding, Energie-Experte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Ob das für die Privatkunden ein Nachteil wird, liegt vor allem an den Kunden selbst." Sie müssten in Zukunft ihre Stromtarife noch genauer beobachten, bei Zusatzleistungen wie intelligenten Zählern oder Dienstleistungsangeboten auf die Gesamtkosten achten und von Wechselmöglichkeiten Gebrauch machen.
Das könnte künftig aber schwieriger werden, befürchtet eine Gruppe von Stadtwerken. Nach der Innogy-Übernahme werde Eon durch die Beteiligung an zahlreichen Regionalversorgern über rund 150 Marken verfügen, heißt es in ihrer Stellungnahme für das Fusionskontrollverfahren der EU. Eon könne dadurch Vergleichs- und Vermittlungsplattformen wie Check24 und Verivox in einer Form dominieren, "die praktisch einen Ausschluss der Wettbewerber von dieser Möglichkeit zur Kundenakquise bedeutet". Die EU müsse deshalb "den Verbrauchern Transparenz bei der Anbieterwahl" sichern.
Fusion für die Verbraucher "nicht unbedingt ein Nachteil"
Eon weist den Vorwurf zu großer Marktmacht zurück. Vorstandschef Johannes Teyssen betonte mehrfach, der Wettbewerb sei "in Deutschland in keiner Weise gefährdet". Es werde weiterhin einen scharfen Preiswettbewerb geben, weil die Kunden fast in jedem Postleitzahlengebiet unter rund 100 Anbietern auswählen könnten. Nach der Integration von Innogy könne Eon "allen Kunden schon bald verbesserte Leistungen und Produkte aus einer Hand anbieten". Um grünes Licht aus Brüssel zu erhalten, hat Eon einige Zugeständnisse gemacht. Unter anderem wollen sich die Essener in Deutschland von 260.000 Kunden trennen, die Heizstrom beziehen.
Der Wettbewerb auf dem Strommarkt müsse von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt "eng und kritisch" begleitet werden, forderte Verbraucherschützer Sieverding. Die beiden Behörden bräuchten deshalb ausreichend Personal und politische Rückendeckung. Wenn die Kontrolle gewährleistet sei, müsse die Fusion für die Verbraucher "nicht unbedingt ein Nachteil sein".
EU-Wettbewerbskommissarin Vestager hatte sich zuletzt als durchaus kritisch gegenüber großen Fusionen erwiesen. Beim gescheiterten Zusammenschluss der Zug-Riesen Siemens und Alstom pochte sie darauf, den Wettbewerb im europäischen Markt für Hochgeschwindigkeitszüge zu sichern. Auch bei der geplatzten Stahl-Fusion zwischen Thyssenkrupp und dem indischen Konkurrenten Tata blieb Vestager hart, "um ernsthaften Schaden von europäischen Industriekunden und Verbrauchern abzuwenden". Zur Prüfung der Eon-Pläne hatte sie gesagt, die Übernahme von Innogy dürfe "keine Preiserhöhungen zur Folge" haben. (dpa/rs)