Unter Kremlchef Wladimir Putin fühlen sich Russlands besonders zu Zarenzeiten starke Kosaken wie neu geboren. "Historisch ist es so, dass Härte und Macht in der Welt immer geachtet wurden", sagt Russlands oberster Kosake Nikolai Doluda. Die Ressourcen zum Schutz des Vaterlandes seien gewaltig. "Die Kosaken werden heute in Russland gebraucht wie nie zuvor." Der Ataman genannte Kosakengeneral ist ganz in seinem Element, als er im Spätherbst in Russlands wichtigster Kirche - der Erlöserkathedrale in Moskau - Vertreter der Bewegung aus den Regionen des Riesenreichs empfängt.
Putin selbst ernannte den 69-Jährigen zum Oberhaupt der Gesamtrussischen Kosaken-Gesellschaft. Dem Kreml geht es dabei aber nicht um Folklore, sondern um knallharte Politik.
Vorgesehen ist laut der staatlichen Strategie zur Entwicklung des Kosakentums, dass die einst unter dem Zaren militärisch organisierte Bevölkerungsgruppe zur patriotischen Erziehung der Jugend und für den Staatsdienst herangezogen wird. International bekannt sind die Kosaken für ihre Chorgesänge, die Tänze in roten Uniformen samt Säbel und Dolch und für ihre schneidigen Reiter. Die Strategie sieht aber auch vor, die mehr als 2.600 Gesellschaften mit ihren 170.000 Mitgliedern zu konsolidieren.
Zentrales Museum des Kosakentums
Putin hat auch die Gründung eines zentralen Museums des Kosakentums angeordnet. "Über Jahrhunderte haben die Kosaken mit Glauben und Wahrhaftigkeit dem Vaterland gedient und heldenhaft für die Freiheit und Unabhängigkeit gekämpft", sagt Putin. Sie hätten nicht nur Russlands Grenzen geschützt, sondern auch neue Gebiete erobert.
Die Kosaken nehmen seit zwei Jahren an der Militärparade zum Sieg der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg teil. Sie leisten ihren Dienst in den Streitkräften und in der Nationalgarde. Sie bewachen Veranstaltungen, organisieren selbst Streifen und Patrouillen in Städten. Für Schlagzeilen sorgen aber auch Kosaken, die etwa mit Reitpeitschen auf Aktivisten losgehen. Die Frauen der Punkband Pussy Riot oder auch der inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawalny kennen Attacken von Kosaken, ohne dass die Polizei einschreitet.
Slawische Volksgruppe
Die Kosaken verstehen sich als traditionsbewusste und heute besonders im christlichen Glauben vereinte slawische Volksgruppe, die Werte wie Kameradschaft, Freundschaft und Gastfreundlichkeit hochhält. Die Ursprünge des Kosakentums sehen Historiker Ende des 14. Jahrhunderts in den dünn besiedelten Steppenregionen - und an den Flüssen Don und Wolga. Auch wenn sich viele Legenden um die Kosaken bilden, gilt als gesichert, dass sich die soziale Schicht aus Vertretern verschiedener ethnischer Volksgruppen bildete, darunter etwa auch Tataren.
Verpflichtet sahen sich die Kosaken - ob in Russland und in der Ukraine - über Jahrhunderte vor allem dem Ziel, Grenzen zu schützen. Beteiligt waren Kosaken auch im Kampf gegen Napoleons Russlandfeldzug 1812 und gegen Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg.
Staatschef Putin bezieht sich auf diese Wurzeln des Riesenreiches. Er sieht seit langem mit Sorge, dass mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor 30 Jahren mit ihrer kommunistischen Ideologie ein verbindendes Element in der Gesellschaft abhandengekommen ist. Er erachtet die orthodoxe Kirche als wichtige Klammer, um den Menschen Halt und Orientierung zu geben - und offenbar eben auch das Kosakentum.
Kampfreserve für Russland
Auch auf dem Jahrestreffen in der Erlöserkirche wird klar, dass es der Kremlpolitik nicht zuletzt um die Heranziehung einer Kampfreserve geht - für Russland, das sich zunehmend bedroht sieht von liberalen Ideen. Vom Kindergarten über die Schule bis zu Kosaken-Universitäten reicht das Angebot. "Das Kosakentum wird zu einer wahrhaft volkspatriotischen Bewegung", sagt der sonst eher blasse Wissenschafts- und Hochschulminister Waleri Falkow in der Kathedrale.
Der 43-Jährige sieht die Aufgabe des Staates darin, junge Kosakenführer zu staatsmännischem Denken zu erziehen und sie an Schaltstellen zu platzieren. Falkow führt beim Rat des Präsidenten zur Entwicklung des Kosakentums auch eine Kommission, die einheitliche Lehrbücher zur Geschichte der Bewegung erstellen soll.
In einigen Teilen Russlands gibt es laut Ataman Doluda jedoch gar keine Zusammenarbeit der regionalen und kommunalen Strukturen mit Kosakengesellschaften. Ungeklärt sind zudem Fragen einer Bewaffnung der Einheiten und eine mögliche Anerkennung der Kosaken als Nationalität. Diskutiert werde ein gesetzlicher "Status des Kosakentums als besondere Form des staatlichen und sozialen Lebens eines eigenständigen Volkes".
Die Gesetzesinitiative dazu kommt aus der Region Kuban, die als Zentrum des Kosakentums gilt. 50.000 Menschen sind allein dort organisiert, es gibt militärische Einrichtungen für Kadetten und Dutzende Kosakenschulen. Dort sind auch Traditionen wie das Singen im Chor, die Tänze und das Reiten lebendig.
Knallharte wirtschaftliche Interessen
Nicht wenige Kosaken befürchten eine zu starke Einflussnahme des Staates. "In Russland gibt es schon jetzt mehr mit dem Kosakentum beschäftigte Beamte, als es Kosaken gibt", sagt der frühere Ataman Wladimir Gromow in der südrussischen Region Krasnodar in einem Interview. Der Politologe Michail Romanow sieht sogar knallharte wirtschaftliche Interessen. "Das ist ein von hohen Beamten geführtes staatsnahes Business", schreibt er in der Zeitung "Wedomosti". Es gehe ihnen vor allem darum, Geld aus dem Staatshaushalt abzuschöpfen. Die "heldenhafte Epoche" der Kosaken aber sei in Wirklichkeit vorbei. (dpa/rs)