Darf ein Unternehmen öffentlich bekannt geben, wer seine Produkte nutzt? Antwort von Radio Eriwan: im Prinzip ja. Antwort des Frankfurter Landgerichts: nein - oder, um genau zu sein: Das US-Software-Unternehmen Siebel darf seine Kunden nicht in derselben werblichen Form nennen wie der deutsche Konkurrent SAP.
"Testimonial" nennen Werber solche Anzeigen. Das heißt wörtlich Leistungszeugnis oder Empfehlungsschreiben und bezeichnet eine aus den 50er-Jahren stammende Werbeform, die vor allem bei Anzeigenkunden populär ist. Das liegt zum einen daran, dass ihr ein einfaches Kreativkonzept zugrunde liegt: Finde jemanden von deinen Kunden, der bereit ist zu sagen, dass er dein Kunde ist.
Zum anderen sind Testimonials die glaubwürdigste Form der Werbung. Kein von teuren Textern ersonnener "Claim", kein Risiko, sich mit verdrehter Originalität lächerlich zu machen oder nicht verstanden zu werden. Statt dessen nur Namen oder Zitate derjenigen, um die es geht: der Kunden.
Testimonials mögen langweilig sein. Aber sie haben einen entscheidenden Vorteil: Sie informieren - zumindest ein kleines bisschen. Wer die Anzeigen von SAP sieht, weiß, dass die Österreichischen Bundesbahnen die ERP-Software des Walldorfer Konzerns verwenden. Wer die Anzeigen von Siebel gesehen hat, weiß, dass Renault Siebel-Technik für das Customer Relationship Management einsetzt.
Dass Siebel für die eigenen Anzeigen Konzept und Design der Inserate abgekupfert hat, für die SAP eine Werbeagentur bezahlen musste, war vielleicht nicht geschickt. Gerichte kommen, wie gesehen, leicht auf die Idee, geistiges Eigentum sei verletzt worden. Und wenn es nur um so überraschende Kreationen geht wie "Österreichische Bundesbahnen run SAP" oder "Renault runs Siebel".
Der eigentliche Fehler von Siebel aber ist der: Die Kampagne stellt die eigene, längere Tradition im CRM-Geschäft samt höherer Marktanteile dem gegenüber, was SAP in diesem Bereich bisher zu bieten hat. Ob die Zahlen, derer sich die Amerikaner dabei bedient haben, zutreffend oder irreführend sind, dazu haben sich die Frankfurter Richter nicht geäußert. Aber an ein Verhältnis von einer Million Siebel- zu null SAP-Anwendern, wie von Siebel behauptet, glaubt niemand.
Hätte Siebel sich auf das Abkupfern der Werbeaussage (xyz runs Siebel) beschränkt, wäre eine Werberevolution möglich gewesen, die perfekt in die Zielgruppe gepasst hätte. Bei IT-Entscheidern läuft die mehrfache Verwendung von Designs unter dem Begriff "Standardisierung", das Anpassen an individuelle Bedürfnisse unter "Open Source". Beides ist aus Kostengründen willkommen.
SAP und Siebel hätten sich ihre Kundschaft zum Vorbild nehmen, das Synergiepotenzial der Kampagne ausschöpfen, gemeinsam dieselbe Agentur beauftragen können und in die Inserate nur noch die eigenen und die Kundennamen mit einem kurzen Erläuterungstext einsetzen müssen. - Quelloffene Standardwerbung, irgendwie hat der Gedanke was. Doch diese Chance ist nun vertan ...