Die Zusammenarbeit des Großhändlers für Handwerksprofis Berner mit dem Dienstleister Debis hätte kaum kürzer sein können. Sie dauerte 13 Monate - vom November 1999 bis Dezember 2000. Dann war Schluss. Mit "kulturellen Unterschieden", einer "anderen Projektmethodik" und einem "fehlenden Fachkonzept von Berner-Seite" begründet IT-Manager Wolf Christian Drexel das Scheitern heute. "Das ist ja schon lange her", sagt Drexel, der von einem verlorenen Jahr nichts wissen will. Seitdem hat sich einiges verändert: Mit dem SAP-erfahrenen Andreas Berg von Linde kam vor wenigen Monaten ein zweiter IT-Chef. Der SAP-Dienstleister Freudenberg IT-Consulting übernahm die Inbetriebnahme. An drei Standorten ist der SAP-Rollout jetzt erfolgreich angelaufen. Die Berner-Welt ist wieder in Ordnung - das Ende des Tumults um SAP.
Ein Grund für das Scheitern lag in der Auswahl des Partners. Debis war für Berner eine Nummer zu groß. "Berner ist ein klassischer Mittelständler, dynamisch, direkt, hemdsärmelig", sagt Drexel. Debis hingegen machte Milliardenumsätze, brachte zudem wenig Erfahrung im Direktvertrieb mit. Drexel, der keinen Schuldigen für die Pleite ausmachen möchte und die Kosten lieber in das 30-Millionen-Euro-Budget für das SAP-Projekt hineinrechnet, findet Mängel vor allem in der Planung: "Das Organisationskonzept war nicht gut genug ausgearbeitet, und ein Pflichtenheft lag von unserer Seite nicht detailliert genug vor."
IT-Doppelspitze für den Rollout
Hinzu kam die ungewisse Situation, in der sich Debis damals befand. Durch die Mehrheitsbeteiligung der Deutschen Telekom wurde Debis ab 1. Februar 2001 zu T-Systems. Immer mehr Mitarbeiter verließen das Unternehmen - bis zu 15 Prozent, wie der damalige CIO des Joint Venture der Deutschen Telekom und Debis, Jürgen Kratz, damals gegenüber CIO sagte.
Wie sollte da eine durchdachte Projektplanung möglich sein - mit einem Unternehmen wie Berner, das stolz ist auf seine geringe Fluktuation. Positiv überrascht vom angenehmen Betriebsklima sei er gewesen, sagt Berg, als er vor wenigen Monaten zur Firma stieß. Er hat wie auch Kollege Drexel "Leiter Informatik International" auf seiner Visitenkarte stehen und kam, als bei Berner der SAP-Rollout begann - für den zweiten Versuch, SAP R/3 einzuführen.
Während der studierte Betriebswirt Drexel seit 16 Jahren im Unternehmen ist und die Strukturen in- und auswendig kennt, baut Berg auf seine vielseitige Erfahrung, die er bei Linde, Varta und WMF gesammelt hat. "Bei Varta bin ich alle schmerzhaften Schritte der Release-Wechsel von SAP R/3 1.2 bis 4.0 gegangen", sagt Berg. Sein Credo: langfristige Strategien entwickeln und nicht ad hoc umsatteln. Berg bringt das SAP-Know-how in die Firma mit ein. Er ist ein ruhiger Pol in der Doppelspitze mit dem emsigen Macher Drexel. Die beiden gleichgestellten IT-Chefs haben die Verantwortung unter sich aufgeteilt: Berg ist für SAP-Module, Logistik, Materialwirtschaft und Rechnungswesen zuständig, Drexel für Vertrieb und Business Warehouse.
Realisierung in klaren Schnitten
Als die IT-Berater von Freudenberg Anfang 2001 bei Berner anrückten, hatte man sich dort gerade vom ersten Schock erholt. Etwa 20 IT-Berater aus Weinheim kreisen seitdem in der Berner-Holding. Mit den Debis-Erfahrungen im Kopf ist nun Ordnung das Wichtigste. "Die Realisierungsphasen müssen mit klaren Schnitten versehen sein, damit nicht wieder Unklarheiten bei den Mitarbeitern entstehen", erläutert Freudenberg-Berater Erwin Schollenberger. "Aus Gesprächen habe ich erfahren, dass es oft unklar war, in welcher Phase man sich damals bewegte." Das Einmaleins des Projektmanagements folgte - eine klare Struktur für den Rollout: Erstellung eine Fachkonzepts, Machbarkeitsstudie, Realisierungsvorschlag. Nachdem der Auftrag für die Inbetriebnahme von SAP schließlich im Dezember 2001 an die Freundenberg-Berater ging, folgte das Feinkonzept, die technische Realisierung mit der Entwicklung der Templates. In Ungarn, Österreich und Tschechien ist der Rollout von SAP R/3 inzwischen abgeschlossen. In diesem Jahr sollen Deutschland, die Schweiz und Polen hinzukommen. 2006 soll der Rollout abgeschlossen sein. So sieht es der Plan vor.
Eine wichtige Voraussetzung für das laufende Projekt sieht Schollenberger im Mix der Mitarbeiter, die großteils aus dem Debis-Jahr SAP-Wissen mitbrachten. Die Detailkenntnis für Prozesse holen sich die Berater von langjährigen Mitarbeitern: "Berner stellte Mitarbeiter aus den Fachbereichen in der Konzeptionsphase zu hundert Prozent für das SAP-Projekt ab", so Schollenberger - ebenfalls ein Novum. "So bekamen wir erst das Verständnis für die eigentlichen Probleme."
Cross-Company - die globale IT-Strategie
Erstmals herrschen "Process Owner" über Prozesse. Sie sind für Bereiche wie Finanzen und Controlling, das Business Warehouse, die Materialwirtschaft und die Beschaffung, den Rollout oder die SAP-Basis verantwortlich. In der Praxis wird vieles einfacher: "Wir haben das Sortiment durch den zentralen Dateneingang nun viel besser im Griff, und die Stammdaten erhalten eine neue Qualität", so Berg. Produkt- und Lieferantenleichen lassen sich leichter entfernen und Materialstammdaten besser vereinheitlichen. Zudem ist das System nun geschlossen. Vom Eingang einer Bestellung bis zur Buchhaltung ist der Datenfluss durchgängig. Besonders wichtig ist den beiden IT-Managern die internationale Zusammenarbeit, etwa der Cross-Company-Ansatz. "Auch Daten unserer internationalen Gesellschaften liegen bald in Künzelsau vor", so Leiter Drexel. Das war bei den bisherigen dezentral organisierten EDV-Einheiten undenkbar.
Die wichtigste Hürde für neue Prozesse ist ein Nicht-IT-ler: Hans-Peter Artmann, Berners Controlling- und Finanzchef: "Er ist ins SAP-Projekt stark eingebunden und sitzt jede Woche zwei Stunden im Jour fixe", so Schollenberger. "Da muss man plausible Gründe vorbringen, wenn ein neuer Prozess definiert werden soll." Bisher findet sich Raum für Prozesschirurgie. Soll etwa die Rechnung im Paket gleich mitgeliefert werden, bedeutet das einen Eingriff in den Prozess. "So sparen wir 70 bis 80 Prozent der Portokosten, bei drei Millionen Rechnungen im Jahr", so Drexel. Das war dem Finanzchef die Zustimmung zu einem neuen Prozess Wert. Auch er möchte schließlich kein zweites SAP-Waterloo erleben.