Im Rahmen eines umfassenden IT-Projektmanagements priorisierte Sandra Kuetz, die IT-Leiterin des Städtischen Klinikums Lüneburg, bereits im Jahr 2011 eine Neukonzeptionierung der gesamten Netzwerkinfrastruktur. Auf dem insgesamt 50.000 qm großen Klinikgelände mit zwölf Einzelgebäuden waren 25 Netzwerkschränke an unterschiedlichen Standorten aufgestellt.
Sie wurden von etwa 1200 Anwendern regelmäßig genutzt, entsprachen allerdings nicht mehr den aktuellen Anforderungen ressourcenhungriger Applikationen im Gesundheitswesen. Insgesamt war eine zeitgemäße Überarbeitung im Kabelmanagement, in der Geräteausstattung sowie in den Kapazitäten der Netzwerkinfrastruktur notwendig – ein weitgehender Schritt, zu dem nur wenige Krankenhäuser bereit sind.
"Historisch gewachsen" waren die Netzwerkschränke weder ausreichend strukturiert noch standardisiert aufgebaut und daher sehr unübersichtlich eingerichtet, beschreibt Kuetz die Situation zu Beginn des gemeinsam mit der Haustechnik geplanten Großprojekts. Die Infrastruktur lief teilweise noch auf 100 MBit/s und war zu langsam, um den ständig steigenden Bandbreitenforderungen zu genügen.
Manche Anwendungen, darunter das PACS-System der Radiologen, CAD-Systeme aus dem Bereich der Technik oder das Krankenhausinformationssystem (KIS), ließen sich damit gar nicht realisieren. Auch die personelle Organisationsstruktur musste insgesamt überdacht werden, denn es fehlte eine klar abgegrenzte Aufgabenteilung zwischen den berufsgruppenübergreifenden internen Bereichen Haustechnik und IT sowie dem externen Dienstleister, der teilweise in die Netzbetreuung eingebunden war.
"Ein Re-Design war dringend erforderlich, denn bei uns ist ein Großteil der Prozesse IT-basiert und besitzt eine hohe elektronische Integrationstiefe in alle Fachbereiche", hebt die IT-Leiterin hervor. Zu den Anwendungsbereichen gehören das KIS Orbis Nice (Basisapplikation für Patientendatenmanagement, Abrechnung, stationäre und medizinische Anwendungsbereiche im Klinikum), die Materialwarenwirtschaft des Lagers und der Apotheke, die Finanzbuchhaltung in den kaufmännischen Bereichen und bildgebende Verfahren (RIS, PACS).
Standard-Schranklayout entwickelt
Außerdem wird das Netzwerk noch benötigt für den Einsatz von Teleradiologie, Strahlentherapie, Spezialmodulen für die Funktionsbereiche OP, Herzkatheter, Endoskopie, für Videosequenzen im Bildmanagement sowie für das elektronische Dokumentenmanagement und die Langzeitarchivierung. Kuetz betont: "Deshalb muss unser Netz extrem leistungsfähig, hochverfügbar und sicher sein."
Eine fünfköpfige Projektgruppe mit Mitarbeitern aller am Projekt beteiligten Bereiche und des Systemintegrators Euromicron entwickelte das Konzept für das Redesign. Erstes Ziel war ein Standard-Schranklayout, das als verbindliche Vorgabe für den Aufbau der erneuerten IT-Schränke dienen sollte. Der Ist-Zustand aller 25 Netzwerkschränke wurde fotografisch dokumentiert. Sie wurden auf Inhalt und Maße kontrolliert, und der jeweilige Innovationsbedarf wurde festgelegt.
"Manche Switches waren schlicht zu alt, um sie noch weiter verwenden zu können", erklärt Kuetz. Zu Switches und Servern kamen beispielsweise Online-USVs, Kühlaggregate oder Patchfelder hinzu. Auf Grundlage dieser vorbereitenden Analyse wurde ein Investitionsvorschlag formuliert.
Argumente für das Projekt
Die Geschäftsleitung, die im laufenden Wirtschaftsplan eigentlich kein Budget für ein solches Vorhaben vorgesehen hatte, konnte die IT-Abteilung mit der Argumentation überzeugen, dass der vorhandene Zustand der Netzwerkinfrastruktur hinsichtlich des im Klinikum etablierten Risikomanagementsystems und gegenüber den Qualitätsanforderungen ein inakzeptables Risiko bedeutete.
Die Fehleranalysen bei Netzwerkschäden oder -ausfällen führen zwangsläufig auch immer zu einer hohen zeitlichen Ressourcenbindung des Personals. Deshalb gilt es, klinische Systemausfälle außerhalb definierter Notfallkategorien zu vermeiden und so auch möglicherweise für das Unternehmen auftretende Schäden abzuwenden.
Abkehr von der 2-Vendor-Strategie
Im Rahmen des Projekts beschloss das Klinikum, sich von der bisherigen Two-Vendor-Strategie zu verabschieden und die gesamte Hardware auf Brocade-Switches zu vereinheitlichen. Für die Umsetzung wurde für die 25 bisherigen Schränke in Abhängigkeit vom betroffenen Versorgungsschwerpunkt zunächst eine Reihenfolge festgelegt. Dann begann der Umbau der wichtigsten Netzwerkschränke, wobei diejenigen Schränke zuerst umgestellt wurden, die die bettenführenden Abteilungen und Funktionsbereiche versorgen. Im laufenden Projekt folgen dann die nicht zentral gelegenen Bauabschnitte sowie die Redundanz durch den neu geplanten Backbone in der Lampertz-Sicherheitszelle.
Bisher ist über ein Drittel des Projekts umgesetzt. Bis Ende 2012, nach einem Projektzeitraum von insgesamt 20 Monaten, soll die vollständige Erneuerung der Netzwerkinfrastruktur abgeschlossen sein. Die Wartung und den notfallmäßigen Ersatz zentraler Switches, die die wichtigsten im Klinikum bestehenden Komponenten (OP, Notaufnahme, Schockraum, Radiologie, Strahlentherapie, IT und Technik) versorgen, hat Euromicron in einem 7x24-Stunden-Wartungsvertrag mit vier Stunden Reaktionszeit übernommen.
Nach DIN EN 80001-1
Durch die Überarbeitung der Netzwerktopologie im Klinikum konnten zahlreiche Bereiche nach DIN EN 80001-1 (Risikomanagement zur Einbringung von Medizintechnikgeräten in IT-Netzwerke) umgesetzt werden. Medizin- und Verwaltungsnetze lassen sich im Städtischen Klinikum Lüneburg nun dank einfach handhabbarer VLAN-Technik gemäß DIN-Norm mit wenig Aufwand sauber trennen.
25 VLANs sorgen dafür, dass jeder Mitarbeiter auf genau diejenigen Daten Zugriff hat, für die er auch berechtigt ist. Das bedeutet, dass sich die Schadenswahrscheinlichkeit durch unbeabsichtigt entstandene Datenlecks massiv verringert hat.