Bislang war es nur ein Gerücht. Jetzt ist es Gewissheit. Die Siemens AG hat ihrer kriselnden IT-Tochter SIS eine straffe Restrukturierung verordnet. In deren Folge werden auch 4.200 der weltweit rund 35.000 Arbeitsplätze abgebaut, davon 2.000 in Deutschland. Diese Pläne hat der Konzern im Rahmen einer außerordentlichen Sitzung des Wirtschaftsausschusses bekannt gegeben.
2 statt 7 Geschäftseinheiten
Siemens will eigenen Angaben zufolge bis 2012 rund 500 Millionen Euro in den Umbau von SIS pumpen. Dabei will Siemens einen Teil des Geldes für in den Kauf von Spezialsoftware und Spezialfirmen ausgeben. Entstehen soll dadurch eine "marktorientierte Organisation auf Basis von zwei Geschäftseinheiten mit hohem Kundenfokus." Bislang hatte die IT-Sparte insgesamt sieben Geschäftseinheiten. Auch sollen die 44 SIS-Landesgesellschaften um ein Viertel reduziert werden.
Die vereinfachte Organisationsstruktur wird künftig aus den Bereichen IT-Outsourcing und dem Lösungsgeschäft, darin sind Dienstleistungen zur Systemintegration sowie branchenbezogene IT-Lösungen zusammengefasst, bestehen. Das neue Geschäftsmodell sieht zudem vor, die IT-Infrastrukturen von Kunden zu betreiben.
Outsourcing-Geschäft vernachlässigt
Aus Sicht des Münchner Analysehauses Pierre Audoin Consultants (PAC) sind die harten Personaleinschnitte bei SIS sowohl auf die Marktsituation als auch auf taktische Fehler zurückzuführen.
Nach deren Gründung und Integration als Nachfolger von Siemens Business Services (SBS) sei der Hauptfehler gewesen, sich zu stark auf den gemeinsamen Vertrieb mit anderen Siemens-Sektoren zu stützen. Darüber hinaus habe der IT-Dienstleister den Schwerpunkt auf vertikale Lösungen gesetzt und das starke Outsourcing-Geschäft vernachlässigt.
Service-Portfolio standardisieren
Auch laut Forrester-Analyst Pascal Matzke hat die IT-Sparte von Siemens der Outsourcing-Bereich brachliegen lassen. Für ihn steht fest, dass die Neuausrichtung längst fällig war. "Jetzt sind die richtigen Schritte zur Sanierung eingeleitet, auch wenn damit harte Einschnitte verbunden sind. Nur so gelingt es SIS, in Zukunft überhaupt wettbewerbsfähig sein."
So hätten zum Beispiel beim Outsourcing bisher weitgehend individuelle Betreibermodelle dominiert. "Durch eine Rationalisierung sowie die Standardisierung des Portfolios in diesem Bereich kann SIS künftig marktgerechte Leistungen zu monatlichen Fixpreisen anbieten", erklärt Matzke.
Darüber hinaus gebe es im Servicegeschäft neue Trends, wie Platform as a Service, die der IT-Dienstleister aufgreifen müsse, um sich zukunftsfähig zu machen. T-Systems, die IT-Tochter der Telekom, hat diesen Weg bereits hinter sich und deshalb am Markt derzeit Wettbewerbsvorteile gegenüber SIS.
Verkauf ist kein Kernthema
Noch einmal bestätigt hat der Siemens-Konzern auch die schon im Dezember 2009 angekündigte und mit Wettbewerbsvorteilen begründete Ausgliederung seiner IT-Sparte.
Damit will sich der Konzern verschiedene Optionen für die Zukunft von SIS offenhalten, beispielsweise einen Verkauf oder einen Börsengang. Die hierfür notwendigen Voraussetzungen will die Konzernmutter bis zum Beginn des neuen Geschäftsjahres, das am 1. Oktober 2010 beginnt, schaffen.
Für Matzke ist der Verkauf allerdings nicht das Kernthema, sondern die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Denkbar sei immerhin das Modell, SIS an die Börse zu bringen mit Siemens als Hauptaktionär. Damit habe der indische Mischkonzern bei seiner Tochter Tata Consultancy Services gute Erfahrungen gemacht.
Der Aha-Effekt
Für SIS ist die Sanierung ein Aha-Effekt. Bereits 2006 hat der damalige Siemens-Chef Klaus Kleinfeld die damals noch SBS genannte kriselnde IT-Dienstleistungssparte mit vier weiteren Sparten in der SIS verschmolzen.
Im Jahre 2009 betrug der IT-Etat von Siemens rund 2,7 Milliarden Euro, wovon 42 Prozent an die SIS flossen. Im Geschäftsjahr 2009 machte SIS einen Umsatz von rund 4,7 Milliarden Euro, der Gewinn betrug allerdings nur noch 90 Millionen Euro.
Im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2010 (Stichtag: 31. Dezember 2009) brach der Gewinn bei SIS um 63 Prozent ein, von 46 auf 17 Millionen Euro. Der Umsatz ging um 20 Prozent zurück, von 1,29 auf 1,03 Milliarden Euro.