Rainer Janßen darf das: Bei der Preisverleihung am 27. November im Münchener Mandarin griff er beherzt zum Mikro und skandierte: "Ich danke der Jury für ihre Weisheit." Jedem anderen Preisträger hätten die 70 IT-Chefs im Publikum Größenwahn attestiert. Aber Kollege Janßen darf das. Jeder kennt ihn. Jeder weiß, dass er gerne über sich und andere lacht. Und jeder gönnt ihm den Sieg. Janßen hat bei der Münchener Rückversicherung die Anwendungsentwicklung umgekrempelt: SOA wird endlich mal gelebt und nicht bloß gedacht, ITIL ist bei der Münchener Rück sowieso Alltag, und dann kann Janßen auch noch mit ein bisschen Green IT glänzen. Welcher Juror spart da noch mit Punkten?
Neid und Missgunst tauchen hinter vorgehaltener Hand erst beim Zweitplatzierten auf. "Womit ist der denn schon fertig?“, raunzt der CIO eines Konkurrenzunternehmens gegen zwei Uhr morgens an der Bar im Mandarin. Recht hat er, der Neider. Andreas Strausfeld, CIO der DAK, steckt mitten drin im Prozess. Seit seiner Bewerbung im Mai hat sich schon wieder jede Menge bei der Krankenkasse getan. Strausfeld ist mittlerweileeiner von drei Geschäftsführern der Bitmarck, einer neu gegründeten IT-Tochterfirma, die sich in der Branche der Sozialversicherungen erst noch etablieren muss. Scheint sie auch zu tun, wobei der Markt für Gesundheitsservices schwer zu überschauen ist - wenn man überhaupt von Markt sprechen kann. Aber der Erfolg von Projekten, wie die Ausgründung einer IT-Tochter, ist auch nur eins von sechs Kriterien bei der Wahl zum CIO des Jahres.
Die wichtigste aller Fragen stellte bei der Preisverleihung Heinrich Vaske, Chefredakteur der Computerwoche: "Gibt es außerirdisches Leben?" - "Ziemlich sicher", antwortete einer, der es wissen muss: Hans-Joachim Popp ist CIO des Deutschen Instituts für Luft- und Raumfahrt und auf Platz drei beim CIO des Jahres gelandet. Seine Kollegen gehen eigentlich fest davon aus, dass es da draußen intelligente Wesen gibt - nur können wir deren Signale noch nicht empfangen, beziehungsweise deuten. Vielleicht kann die IT da ein bisschen nachhelfen.
Kategorie Großunternehmen: Platz 1 geht an Rainer Janssen (55), CIO der Münchener Rück
Herausragend in: schneller Reaktion. Wer in strategischen Dingen mitdenkt und nicht auf die Berater des Vorstands wartet, gestaltet die Zukunft entscheidend mit. Möglich ist das aber nur, wenn die Hausaufgaben gemacht sind - so wie bei der Münchner Rück mit dem Vereinheitlichen der Kernverwaltung und dem weltweiten Standardisieren der Prozesse. So kann der Rückversicherer innerhalb kürzester Zeit mit moderner IT auf veränderte Marktbedingungen reagieren.
Wichtigstes Projekt: Die Reorganisation in der Anwendungsentwicklung zum 1. Juli 2008. Der Bereich bei der Münchner Rück hat sich grundlegend verändert und arbeitet nun mit einem Multi-Sourcing-Ansatz. Zur Reorganisation gehörten Analyse und Optimierung der gesamten Wertschöpfungskette – von den internen Kunden, über die eigenen IT-Services bis zu den Lieferanten. Das Ergebnis: gleichbleibendes Leistungsniveau bei gesunkenen Kosten.
Ziele in drei Jahren: Die Münchner Rück wird mit einer konsolidierten globalen IT-Organisation arbeiten, mit durchgehender Serviceorientierung in der Anwendungsentwicklung. Mit der Einführung eines „Global Service Management“ möchte sich das Unternehmen eine wirklich durchgängige, globale Serviceorganisation schaffen, die die gesamte internationale Infrastruktur und darauf basierende Services höchst effizient managen wird.
Kategorie Großunternehmen: Platz 2 für Andreas Strausfeld (40), DAK
Herausragend in: visionärer IT. Andreas Strausfeld hat die Veränderungen seiner IT-Organisation unter das Motto „Vom Verwalter zum Gestalter“ gestellt. Dabei setzt die DAK auf die konsequente Optimierung der eigenen Geschäftsprozesse durch Konsolidierung und Ausbau bestehender IT- und TK-Systeme. Als einer der ersten Gesundheitsdienstleister arbeitet die DAK mit produktivem Zwei-Standorte-Betrieb und Windows NT Terminal Server-Einsatz über das deutschlandweite WAN an rund 1.000 Standorten. Diese Innovationskraft strahlt bis in die IT-Allianz der Gesetzlichen Krankenversicherungen, BITMARCK, in der Strausfeld als technischer Geschäftsführer an führender Stelle tätig ist.
Wichtigstes Projekt: Mit dem Projekt „proDAK“ hat Strausfeld die gesamte IT des Unternehmens strategisch neu ausgerichtet. Im Zuge der Neuausrichtung wurde unter anderem die DRK-IT an die 100-Prozent-Tochter Esanio GmbH ausgegliedert. Allein durch effizientere Arbeitsabläufe und Prozesse sowie höhere Kundenzufriedenheit gab es eine Return on Investment von „mehreren hundert Prozent“.
Ziele in drei Jahren: Die DAK-IT will in den kommenden Jahren ihre Position als technischer Innovationstreiber in einer Shared-Service-Organisation ausbauen und die Stellung als strategisch führender Dienstleister in der Gesetzlichen Krankenversicherung festigen.
Kategorie Großunternehmen: Der 3. Platz geht an Hans-Joachim Popp (49), DLR
Herausragend in: Bremsen. Ein Hightechunternehmen wie die DLR steht aufgrund externer Anforderungen von ESA und NASA unter dem Druck, die jeweils leistungsfähigsten Komponenten einzusetzen. Die zählen aber nicht notwendigerweise auch zu den besten. Hier bringt Hans-Joachim Popp die nötige Ruhe rein: Konsolidierung in Richtung Best-of-Breed, keine Big-Bang-Rollouts, sondern schrittweise Evolution bestehender Systeme; neue Technologien werden erst nach sorgfältiger Prüfung und bei vorhandener kritischer Masse angeschafft.
Wichtigstes Projekt: Wie wichtig IT für das Raumfahrtunternehmen DLR ist, zeigt CASE, der schnellste Aerodynamik-Rechner der Welt. CASE arbeitet auf der Basis von Hochleistungs-Clustersystemen und parallelen Storage-Systemen an komplexen Simulationsrechnungen. Das System spart im Einsatz Mehrausgaben in Höhe von 15 Millionen Euro und sorgt überdies für jährliche Spareffekte von rund 300.000 Euro.
Ziele in drei Jahren: Die Zukunft der DLR-IT ist von Kontinuität und Wandel in den Zielen und Maßnahmen geprägt: Kostenreduktion im Service-Betrieb, störungsfreie Einführung innovativer Arbeitsplatzlösungen, kreativer Umgang mit exponentiell steigenden Speicheranforderungen.
Sie sind die eigentlichen Gewinner: CIOs im Mittelstand kämpfen öfter als die Kollegen in den Großunternehmen mit Akzeptanzproblemen. Oft genug müssen sie eigenwilligen Eigentümern ihre Ideen vermitteln – wenn sie damit überhaupt am CFO vorbeikommen. Und obendrein herrscht in den Unternehmen mit bis zu 2000 Mitarbeitern ein viel größerer Kostendruck. Unter diesen Umständen innovative Ideen zu etablieren, ist eine fast noch größere Leistung als Konzern-CIO zu sein. Umso mehr hat die Jury erfreut, dass in diesem Jahr so viele gute Bewerbungen aus dem Mittelstand eingegangen sind. Danke auch an den CIOCircle, der in diesem Jahr verstärkt Werbung für den Wettbewerb gemacht hat.
Kategorie Mittelstand: Platz 1, Bodo Deutschmann (50), Kögel Fahrzeugwerke GmbH
Herausragend in: der Vorschau. Bei der Kögel GmbH ahnt die IT oft schon vor der Anforderung, was auf sie zukommt, und beginnt mit der Arbeit bereits vor dem offiziellen Projektstart.
Wichtigstes Projekt: Wer so viele Anhänger produziert wie Kögel, bekommt schnell ein (Park-)Platzproblem. Das RFID- und GPS-gestützte System zur Fahrzeugortung hat schon nach sechs Monaten durch drastisch verkürzte Suchzeiten den Invest ausgeglichen.
Ziele in drei Jahren: Zentralisierung von Rechenzentrum und Backup sowie die Einbindung aller Niederlassungen und Werke.
Kategorie Mittelstand: Platz 2, Günter Weinrauch (46), Premiere Fernsehen GmbH & Co. KG
Herausragend in: Effizienz. Im Industrievergleich funktioniert bei Premiere das strategische
Outsourcing ohne störende Nebengeräusche. Ebenso lautlos wickelt Weinrauch auch die Einführung neuer Technologien ab.
Wichtigstes Projekt: Der „Premiere Service Bus“ unterstützt das Premiere-Geschäftsmodell durch eine flexible und zukunftssichere Systemarchitektur auf Basis des SOA-Ansatzes.
Ziele in drei Jahren: Die kleine, strategisch ausgerichtete IT-Governance- und Steuerungs-Einheit führt die externen IT-Dienstleister, die das gesamte operative Geschäft übernehmen.
Kategorie Mittelstand: Platz 3, Uwe Siller (43), Bitburger Braugruppe
Herausragend in: Virtualisierung. Sie reduziert beim Bierbrauer den Administrationsaufwand, beschert ihm geringere Hardwarekosten und reduziert den Stromverbrauch im Rechenzentrum.
Wichtigstes Projekt: Die Einführung eines E-Mail-Managementsystems erweitert die Zugriffsmöglichkeiten
auf bereits archivierte Mails, erhöht die Revisionssicherheit und entlastet Postfächer und Plattenspeicher.
Ziele in drei Jahren: Eine noch bessere Verzahnung mit dem Fachbereich. Dazu braucht es eine noch engere Zusammenarbeit und Kommunikation mit den IV-Koordinatoren.
Kategorie Mittelstand: Ein weiterer 3. Platz geht an Jürgen Thoma (42), Rudolf Haufe Verlag
Herausragend in: Durchsichtigkeit. Nur wer die Durchgängigkeit vom Prozess bis zur Infrastruktur transparent gestaltet, kann nachhaltige Entscheidungen treffen.
Wichtigstes Projekt: Etablierung eines übergreifenden Enterprise Architecture Managements
als Rahmen für alle Business- und Architekturentscheidungen. Der RoI liegt jenseits der 500 Prozent (!).
Ziele in drei Jahren: Der komplette Wertschöpfungsprozess lässt sich digital abbilden, und die IT kann ihre Schwerpunkte auf die Bereiche Business Consulting und Prozess Management legen.