"Von der Idee für den Impf-Finder bis zum Go-Live in den App-Stores dauerte es nur zwei Monate," erinnert sich Carsten Priebs, CIO von Randstad Deutschland. Die kostenlose Anwendung für Smartphones und Internet-Browser soll es erleichtern, Impfwillige und Impfdosen zusammenzubringen.
Die Idee zu dem Projekt entwickelte sich aus der Unterstützung der Impf-Zentren in Baden-Württemberg mit medizinischem und administrativem Personal seit Anfang des Jahres. Daraufhin habe die Geschäftsführung die Belegschaft angeregt, weitere Ideen zu sammeln, wie man bei der Pandemiebekämpfung unterstützen könne.
Richtiges zusammenbringen
"Die meisten Leute interessiert nicht, wer ihnen die Dosen verabreicht, sie wollen nur geimpft werden," sagt der CIO. Es gehe im Grunde darum, drei Datenpunkte zusammenzubringen: den Zeitpunkt, den Impfstoff und einen Ort in der Nähe, wo man geimpft wird. Wenn das über eine App geschehe, würden laut Priebs die Hausärzte entlastet, weil nicht mehr ständig Patienten anrufen, ob sie Impfstoff hätten.
Und so funktioniert der Impf-Finder: Impfzentren, Haus- und Betriebsärzte registrieren sich in der App und geben an, wie viele Dosen von welchem Präparat sie in einem bestimmten Zeitraum vorrätig haben. Interessenten nennen ihre Postleitzahl oder ihren Standort und grenzen den Umkreis für die Suche ein. Gegebenenfalls können sie auch den Impfstoff auswählen. Anschließend zeigt die App passende Termine an, aus denen man bis zu drei wählen kann, falls auch Familienangehörige geimpft werden sollen. "Das ist datensparsam und einfach in der Handhabung. Im Unternehmensumfeld ist zudem die Anonymität der Mitarbeiter gewahrt," sagt Priebs.
Darüber hinaus könnten Impfstellen angeben, wenn an einem Tag noch Impfdosen übrig sind. Dann bekommen die App-Nutzer im Umkreis eine Nachricht und können sich kurzfristig anmelden. Betriebsärzte oder Hausärzte, die erst ihre eigenen Patienten versorgen möchten, können spezielle Schlüssel erstellen. Nur Nutzer, die diesen Schlüssel in der App eingeben, können die freien Termine dieses Arztes buchen. Das funktioniere auch, um in Betrieben verschiedene Impfgruppen abzubilden.
Agiles Team und Partner
Die App wurde von einem achtköpfigen Team entwickelt: ein Product Owner, ein Scrum Master sowie sechs Entwicklerinnen und Entwickler. Die Kollegen hatten vorher bereits an einer Gamification-App für den Vertrieb gearbeitet und waren laut dem CIO gut eingespielt. Das sei ein entscheidender Faktor für die rasche Fertigstellung der App gewesen. Auch der gute Zweck habe geholfen. "Das Team hatte nur einen Vormittag Zeit, um sein bisheriges Projekt abzuschließen und mit der App zu starten, darum hatte ich fast einen Shitstorm erwartet," berichtet Priebs. Als die Kollegen aber erfahren hätten, worum es geht, seien sie mit Begeisterung an Bord gewesen.
Zeitgleich wurde ein cross-funktionales Team aus anderen Abteilungen gegründet. "Darin kümmern sich zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darum, mit Haus- und Betriebsärzten, Verbänden und Ärztekammern in Kontakt zu treten, um ihnen die App vorzustellen," so Priebs. Eine erste Marktforschung unter Medizinern anhand eines Minimum Viable Product (MVP) der App brachte positives Feedback. Seit Anfang Mai ist die App im Internet-Browser, im Apple Store sowie im Google Play Store erhältlich. Jetzt gehe es darum, sie in der Breite - vor allem auf Seite der Ärzte - bekannt zu machen und zum Einsatz zu bringen.
Das Team um Priebs konnte den Low-Code-Plattform-Anbieter OutSystems sowie den Notification-Dienst OneSignal als Partner gewinnen: "Genau wie wir arbeiten sie pro bono an dem Projekt mit." OutSystems stelle Randstad Low-Code-Lizenzen für die Entwicklung sowie IT-Infrastruktur zur Verfügung, um die Anwendung zu betreiben. OneSignal steuert kostenlose Push-Mitteilungen bei, die Impfwillige informieren, wenn neue Termine eingestellt werden.
Management ohne Ego
Trotz des Zuspruchs von innen und außen stellte das Projekt Priebs vor eine Herausforderung: "Wir haben es geschafft, in der Coronazeit sehr effizient zu arbeiten. Aber Effizienz ist eigentlich das Gegenteil von Kreativität," so der CIO. Wie schaffe es das Management trotzdem, Innovation zu fördern?
Für den IT-Chef liegt die Lösung in drei Schlüsselfaktoren: Erstens sollte die Führungskraft das Team unterstützen und schützen. Es gilt, Vertrauen in die Kollegen zu haben und Experimente zuzulassen. "Ich habe den Entwicklern größtmögliche Entscheidungsfreiheit gegeben, damit wir schnell Ergebnisse bekommen," berichtet Priebs. Außerdem habe er eine Fehlerkultur unterstützt, um die Kreativität der Mitarbeiter zu fördern: "Wenn man Angst vor Repressalien hat, sollte mal etwas schieflaufen, gehen die Begeisterung und das Momentum verloren," so der CIO. Dasselbe Vertrauen habe auch CEO Richard Jager dem Team geschenkt, als er sein "Go" für das Projekt gegeben hat.
Der zweite wichtige Faktor ist für den CIO, Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Ideen zu neuen Features wurden in der Gruppe mit dem CIO diskutiert. Priebs: "Es gab Situationen, in denen ich anderer Meinung war als das übrige Team. Aber da musste ich etwas von meinem Ego ablegen und mitmachen. Das Team als solches ist wichtiger als einzelne Personen." Das Motto laute: "disagree and commit".
Darüber hinaus sei es wichtig, den externen Druck auf das Team so gering wie möglich zu halten. "Wenn die Kollegen mit Begeisterung an einem Projekt arbeiten, setzen sie sich selbst schon so hohe Ansprüche, dass sie es gerade noch ertragen," urteilt Priebs. Käme von außen noch mehr dazu, wäre das schädlich. Ein Beispiel: Die Zulassung für den Apple-App-Store hat sich langwieriger gestaltet als gedacht. Jede Anwendung im Corona-Kontext muss mehrere Prüfphasen durchlaufen, wodurch sich die Veröffentlichung verzögert hat. "Wenn ich nun in das Team kommen und fragen würde, warum wir nicht schon seit zwei Wochen dort live sind, würde das nichts besser machen," sagt der CIO.
Plan bis Ende 2021
Randstad will die App voraussichtlich bis Ende des Jahres betreiben. Noch im Mai soll sie in insgesamt 13 Sprachen verfügbar sein, bisher bietet sie Deutsch und Englisch. Zudem können Nutzer sich ihre Impfunterlagen direkt in der App herunterladen.
Informationen dazu, was zum Impftermin mitgenommen werden muss, stellt die App ebenfalls bereit. Für weitere Fragen bietet sie den direkten Kontakt zum impfenden Arzt. Die Ärzte haben nach der Registrierung Zugriff auf ein Call-Center, das sie bei der Impfplanung unterstützt.
Impfen im Unternehmen
Möchte ein Unternehmen mit der App seinen Mitarbeitern die Impfung durch den Betriebsarzt anbieten, rät Priebs zu folgenden Schritten:
Am Anfang sollte eine Informationskampagne gestartet werden, warum und was geimpft wird. Über das Feedback aus der Belegschaft lässt sich herausfinden, wie viel Prozent mitmachen wollen.
Danach gilt es, bei den Teilnehmern den Beratungsbedarf zu erfragen. Daraus können zwei separate Termin-Pools mit unterschiedlicher Taktung erstellt werden. Ein Termin mit Beratung dauert dann etwa 20 Minuten, ohne reichen fünf Minuten. Starten die Impfungen können sich die Mitarbeiter in die jeweilige Warteschlange eintragen.
Bei einem Modellprojekt im Kreis in Villingen-Schwenningen werden laut dem CIO täglich mit einem Termin-Pool im Fünf-Minuten-Takt rund 250 Personen geimpft. Die interne Priorisierung beispielsweise nach Alter und Risiko wurde erreicht, indem der Zugangscode den Mitarbeitern zeitlich gestaffelt mitgeteilt wurde. Somit hätten zuerst die priorisierten Impflinge Termine auswählen können, die auch mit ihrem Tagesrhythmus vereinbar sind.