Harry Lammich wehrt sich gegen den dritten Buchstaben im Wörtchen SOA: "Service-Orientierung, ja". Aber eine Architektur mit einer entsprechenden Middleware von IBM, Oracle, SAP oder wem auch immer sei noch lange nicht in Sicht. Und Technik sei sowieso Nebensache. "Wir müssen die Denke prägen für die, die damit arbeiten sollen", sagt der 46-jährige CIO von Ratiopharm.
Sein Ideal: Die Geschäftebene gibt klipp und klar die Erfolgsfaktoren vor, die Fachbereiche spielen die Parameter der unterschiedlichen Märkte zurück, und die IT entwickelt gemeinsam mit den Fachbereichen die geeigneten Prozesse, die sich dann in Form von Services standardisieren lassen.
Als Erstes sollen das nun die Mitarbeiter einer Auslandgesellschaft lernen, einer kleineren als der deutschen Landesgesellschaft. "Es macht Sinn, nicht direkt am ganz großen Rad zu drehen", kommentiert Lammich. Vier Kernprozesse hat die Ratiopharm-IT zusammen mit dem Business definiert, um die herum sich die künftigen Services ranken sollen. Und zwar:
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Time to Market: Der erhöhte Wettbewerbsdruck bedingt, dass Ratiopharm schneller als bisher neue Produkte auf den Markt bringt und neue Geschäftsmodelle umsetzt.
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Complaint Manufacturing: Die Produkte müssen den Compliance-Anforderungen etwa nach den Vorgaben der Food and Drug Administration (FDA) gerecht werden.
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Time to Value: Das ist die Zeit, die vergeht, bis eine IT-Innovation dem Kunden signifikanten Nutzen bringt und die Investition wieder eingespielt wurde.
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Support: Hiermit sind besonders die IT-Support-Prozesse für die einzelnen Bereiche wie etwa Finance und IT gemeint.
Um Missverständnissen zwischen IT und Fachbereichen vorzubeugen, hat Lammich zwei neue Rollen im Unternehmen geschaffen: den Business Process Owner, den der Fachbereich besetzt, und den Business Alignment Manager, wovon es vier geben wird, für jeden Kernprozess einen. Hauptaufgabe dieser neuen Funktionen wird es sein, wiederverwertbare Services zu schaffen, zum einen lokal für den jeweiligen Markt, zum anderen globale Services, die von jeder Landesgesellschaft gleichermaßen genutzt werden können. "Eine dezentrale Struktur der IT ist hier hemmend", meint Harry Lammich.
Die IT-Manager bei Ratiopharm erhoffen sich von den Erfahrungen der Auslandsgesellschaft einen "Quick Win" in Sachen Service-Orientierung. Sollten sich bis Ende 2009 die neuen Strukturen und die neue Denke ausreichend in den Fluren breitgemacht haben, setzt Ratiopharm einen strategischen Business-Plan darauf auf, eine Art Blue Print für den gesamten Konzern. Lammich nennt das Vorhaben "from the wall in the hall".
Wie ein Marathonlauf
Ihm geht es beim Vorhaben Service-Orientierung zum einen um mehr Flexibilität, zum anderen um Kostenführerschaft, was wiederum der Sinn von Shared Services ist. "Wir werden versuchen, das Beste aus dieser Kombination hinzubekommen", erläutert Lammich und vergleicht das Vorhaben mit der Vorbereitung auf einen Marathonlauf. Der gesamte Organismus sollte für die 42 Kilometer bereit sein.
Die Ernährung und das Training müssen durchdacht sein. "Wir machen gerade die ersten Schritte", meint Lammich. Die Wahl der Schuhe werde erst noch getroffen. Wie auch die Architektur in Sachen Service-Orientierung erst zuletzt getroffen wird - wenn der Organismus bereits fit genug für einen Marathon ist. Zwei Jahre soll der SO-Marathon bei Ratiopharm noch dauern. Und die Parameter dafür können sich zwischendurch ja auch wieder plötzlich ändern.